Betuwe-Linie: Gesetzliche Möglichkeiten des Eisenbahnkreuzungsgesetzes konsequent anwenden und bei der Änderung der Bahnübergänge die Anliegerkommunen von der zwangsweisen Kostenbeteiligung befreien

Die Anliegerkommunen zwischen Emmerich und Oberhausen profitieren nicht unmittelbar von dem Ausbau der Betuwe-Linie. Dennoch müssen sie zu den notwendigen Maßnahmen zur baulichen Anpassung der Bahnübergänge auf der Grundlage des Eisenbahnkreuzungsgesetzes mit erheblichem finanziellen Aufwand aus städtischen Mitteln beitragen. Örtliche Abgeordnete von CDU und FDP aus dem Deutschen Bundestag und dem Landtag NRW fordern vor diesem Hintergrund eine Änderung der bundesgesetzlichen Grundlagen, um die Kommunen von diesen Kosten zu befreien.

Dies ist aber nicht notwendig, wenn der Bund oder das Land die gesetzlichen Möglichkeiten nutzen und sich „freiwillig" bereit erklären, die Kosten für die Baumaßnahmen zur Änderung der Bahnübergänge alleine zu tragen.

I. Der Ausbau der Betuwe-Linie zwischen Emmerich und Oberhausen ist eine Maßnahme des Bundesverkehrswegeplanes sowie der Transeuropäischen Netze (TEN) der europäischen Union. Der qualitative und kapazitive Ausbau der Strecke und des Bahnknoten Oberhausen wurde im Jahr 1992 durch die Warnemünder Vereinbarung zwischen dem niederländischen Verkehrsministerium sowie dem Bundesverkehrsministerium vertraglich zwischen den beiden Ländern vereinbart. Als Hinterlandverbindung für den Hafen Rotterdam ist die Betuwe-Linie auf niederländischer Seite für den Schienengüterverkehr mit einer maximalen Kapazität von 480 Güterzügen bis zur deutschniederländischen Grenze bereits in Betrieb. Auf deutscher Seite sehen die Planungen den Bau eines dritten Gleises zwischen Emmerich und Oberhausen vor. Hierdurch sollen die notwendigen Kapazitäten geschaffen werden, um den prognostizierten Verkehrsbedarf abwickeln zu können.

Im Jahr 2002 wurde zwischen dem Bund und dem Land eine Vereinbarung über die Aufnahme der Planung sowie eine finanzielle Beteiligung des Landes getroffen. Die Finanzierungsvereinbarung für das Projekt wurde im Jahr 2006 unterzeichnet. Obwohl es sich um ein Ausbauprojekt des Bundes handelt, hat das Land NRW für Investitionen in den Lärmschutz eine erhebliche Kostenbeteiligung zugesagt. Die notwendigen Plan feststellungsverfahren sollen noch im Laufe diesen Jahres beginnen und voraussichtlich im Jahr 2011 mit der Herstellung des Baurechts abgeschlossen werden.

Beseitigung der Bahnübergänge überfordert die Anliegerstädte:

Insgesamt 55 Bahnübergänge müssen für den Ausbau der Strecke im wesentlichen in den Städten Emmerich, Rees, Wesel und Dinslaken baulich geändert werden. Gesetzliche Grundlage für die Kostenaufteilung für die Änderung von Bahnübergängen ist das „Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz)". In § 13 Abs. 1 ist gesetzlich festgelegt, dass für Maßnahmen auf Basis des Eisenbahnkreuzungsgesetzes die Kosten zu je einem Drittel vom Bund, dem Land sowie der Kommune zu tragen ist.

In einer Reihe von Kleinen Anfragen sind durch die GRÜNE-Landtagsfraktion die zum Teil erheblichen bestehenden Interessenkonflikte zwischen den Anliegerstädten und der Bahn AG aufgegriffen worden. Die Landesregierung hat in den jeweiligen Antworten deutlich gemacht, dass das "Vorhaben der Ausbaustrecke Oberhausen - Emmerich nicht nur aus übergreifenden verkehrspolitischen Gründen notwendig und dringlich ist...". Darüber hinaus erwartet die Landesregierung von den betroffenen Kommunen in der Region, "dass sie mit einer geringeren Zahl von Querungen und einem etwas vergrößertem Abstand zwischen zwei benachbarten Querungen zurecht kommen" (Drucksache 14/9215 und gleichlautend andere).

Im Juni 2008 hat der ehemalige Verkehrsminister Oliver Wittke bei einem Pressetermin angekündigt, dass der kommunale Anteil für die Beseitigung der Bahnübergänge durch das Land NRW zu 75 Prozent übernommen werden soll. Insgesamt soll hierfür ein Betrag von 60 Millionen Euro vorgesehen sein. Gleichzeitig wird aber ein immenser Druck auf die Städte ausgeübt, sich jetzt schnellstmöglich mit der Bahn und dem Bund auf die entsprechenden Maßnahmen zu einigen. Die Förderzusage durch das Land bedeutet für die Anliegerstädte aber immer noch, dass rund 20 Millionen Euro aus deren kommunalen Haushalten zu finanzieren sind. Durch Beschluss im Kreistag Wesel am 4. Dezember 2008 haben deshalb in einer gemeinsamen Resolution die Städte, Kreise und Bürgerinitiativen an der Betuwe-Route u. a. in der Ziffer 6. eine vollständige Übernahme der Kosten gefordert: „Da die Beseitigung der schienengleichen Bahnübergänge durch den transeuropäischen Güterverkehr verursacht wird, wird neben der gesetzlichen Regelung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes eine angemessene Übernahme von Kosten für Unter- bzw. Überführungsbauwerke gefordert. Der Ausgleich von Kosten, die durch Maßnahmen im gesamtstaatlichen Interesse verursacht werden, darf nicht zum finanziellen Ruin von Anrainerkommunen führen. Anderenfalls werden einzelne Kommunen auf Jahre finanziell handlungsunfähig sein." Presseberichten zu Folge beabsichtigt die FDP-Bundestagsfraktion eine Initiative zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes mit dem Ziel, dass „die Finanzierung von neuen Bahnkreuzungen neu geregelt wird und die Kommunen entlastet werden". Gemäß einer Erklärung des FDP-Bundestagsabgeordneten Paul Friedhoff aus Kleve soll die FDP-Bundestagsfraktion bereits einen entsprechenden Beschluss für eine parlamentarische Initiative beschlossen haben. Von dem CDU-Landtagsabgeordneten Manfred Palmen aus Kleve wird eine solche Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes unterstützt. Auf Ablehnung trifft eine solche Änderung jedoch bei dem CDU-Bundestagsabgeordneten Ronald Pofalla sowie der SPD-Bundestagsabgeordneten Barbara Hendricks. Einerseits, so die Argumentation von Ronald Pofalla, sei der Bund auf Grund der Wirtschafts- und Finanzkrise finanziell bereits überfordert. Andererseits so Barbara Hendricks „könne man kaum wegen der Betuwe von Niederrhein die bestehenden Gesetze aus den Angeln heben" (alle Zitate: Rheinische Post, Emmerich vom 28.05.09).

Bestehende gesetzliche Möglichkeiten nutzen ­ Bund und/oder Land sollen die Kosten für die Bahnübergangsbeseitigung einseitig übernehmen Angesichts der Tatsache, dass die Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im September diesen Jahres endet, würde eine parlamentarische Initiative für die Anliegerstädte entlang der Betuwe-Route entweder zu spät kommen oder aber zu erheblichen Verzögerungen im Planungsverfahren führen.

Dabei wird verkannt, dass ein gesetzliches Änderungsverfahren für das Ziel einer vollständigen Übernahme der Kosten für Anliegerstädte überhaupt nicht notwendig ist. Hierzu müssen nur die bestehenden gesetzlichen Grundlagen vollständig ausgeschöpft werden. Das Eisenbahnkreuzungsgesetz enthält im § 5 Absatz 2 die Option, dass die Kosten für die Beseitigung von Bahnübergängen auch einseitig übernommen werden können. In diesem Fall kann auf den „komplizierten" Abschluss einer Vereinbarung verzichtet werden: „Einer Vereinbarung nach Absatz 1 bedarf es nicht, wenn sich ein Beteiligter oder ein Dritter bereit erklärt, die Kosten für die Änderung oder Beseitigung eines Bahnübergangs nach § 3 abweichend von den Vorschriften dieses Gesetzes allein zu tragen, und für die Maßnahme ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird." (§ 5 Abs. 2 Eisenbahnkreuzungsgesetz).

Daraus wird deutlich, dass seitens des Bundes und/oder des Landes durchaus die gesetzlichen Möglichkeiten zur vollständigen Kostenübernahme für die Änderung an den Bahnübergängen bestehen. Hierfür muss nur die Bereitschaft bestehen, diese konsequent anzuwenden bzw. zur Entlastung der Betuwe-Anliegerstädte zu nutzen.

II. Der Landtag stellt fest:

Mit dem Ausbau der Betuwe-Route zwischen Emmerich und Oberhausen sind für die Anwohnerinnen und Anwohner an der Strecke besondere Belastungen verbunden. Der Bau des dritten Gleises bedeutet für die Städte und Kreise zusätzliche Lärmbelastungen und Zerschneidung ganzer Ortschaften. Mit der Änderung und dem Wegfall von bestehenden Bahnübergängen fallen gewachsene Wegebeziehungen zum Teil ganz weg und/oder es müssen erhebliche Umwege in Kauf genommen werden. Die Städte und die Landschaft werden sich mit dem Ausbau der Betuwe erheblich verändern.

Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen der Anwohnerinnen und Anwohner nach dem bestmöglichen und modernsten Lärmschutz nachvollziehbar und berechtigt. Zur Vermeidung der Zerschneidungswirkungen in den Städten und Ortschaften sind die verträglichsten Lösungen gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zu suchen. Dabei dürfen die Städte und Kreise in der Region nicht auch noch zusätzlich mit Kosten für die notwendigen Maßnahmen des Lärmschutzes und bei den Bahnübergängen anteilig belastet werden.

III. Der Landtag beschließt:

· Der Ausbau der Betuwe-Route und die notwendige Beseitigung der Bahnübergänge in den Anliegerstädten nutzen dem transeuropäischen Schienengüterverkehr und liegen im gesamtstaatlichen Interesse. Der Ausgleich einer Kostenbeteiligung auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Eisenbahnkreuzungsgesetz überfordert die betroffenen Städte und würde zwangsläufig deren kommunalen finanziellen Handlungsspielräume in den kommenden Jahren erheblich einschränken.

· Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert, bei der Bundesregierung darauf hinzuwirken, die Möglichkeiten des § 5 Abs. 2 Eisenbahnkreuzungsgesetzes konsequent anzuwenden und eine vollständige Übernahme der Kosten durch den Bund und/oder das Land NRW für die Änderung der Bahnübergänge beim Ausbau der Betuwe-Route zu vereinbaren.