Konsequenzen aus der Krise des Luftverkehrs ziehen - Verschwendung von öffentlichen Geldern bei NRW-Flughäfen stoppen

Der Luftverkehr steckt angesichts eines weltweiten Konjunktureinbruchs in einer historischen Krise. Mit Wachstum beim Luftverkehr ist frühestens im Jahr 2011 zu rechnen. Nordrhein-Westfalen ist mit Flughäfen überversorgt. Ein weiterer Ausbau dieser Flughäfen führt zu einer Kannibalisierung der jeweiligen Standorte untereinander und damit zu einem volkswirtschaftlich unsinnigen Wettlauf um Subventionen. Angesichts dieser Situation verbieten sich weitere öffentliche Investitionen in den Ausbau der Flughafeninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen. Die geltende NRWLuftverkehrskonzeption 2010 stammt aus dem Jahr 2000 und bedarf aufgrund veränderter Rahmenbedingungen des Luftverkehrsmarktes einer grundlegenden Überarbeitung und Neuausrichtung.

I. Der Luftverkehr in NRW hat in den letzten Monaten infolge der weltweiten Konjunkturkrise einen starken Rückgang erfahren. Die Rückgänge bei den Fluggastzahlen in der Zeit zwischen Oktober 2008 bis April 2009 liegen bei Werten zwischen -26,5 % am Flughafen Dortmund und -4,3 % am Düsseldorfer Flughafen verglichen mit dem selben Zeitraum ein Jahr davor (vgl. unten stehende Tabellen). Alleine die Passagierzahlen am Flughafen Weeze nahmen in diesem Zeitraum infolge der Stationierung weiterer Ryanair-Flugzeuge zu.

Laut dem Statistischen Bundesamt starteten im ersten Quartal 2009 von deutschen Flughäfen 1,9 Millionen Passagiere oder 9,3 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum ­ das ist das schlechteste Ergebnis seit 15 Jahren. Der Versand von Gütern mit dem Flugzeug verringerte sich im ersten Quartal 2009 sogar um 14,7 Prozent. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) prognostiziert für das Jahr 2009 laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 19.5.2009 einen Rückgang der Flugbewegungen in Deutschland um 6,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2008.

Frühestens im Jahr 2011 rechnet die DFS wieder mit einem Flugverkehrsaufkommen wie im Jahr 2008. Für den weltweiten Flugverkehr prognostiziert die Internationale Flug-TransportVereinigung (IATA) ein Rückgang des Passagieraufkommens um 5,7 Prozent und des Frachtverkehrs um 13 Prozent im Jahr 2009.

Nach Angaben der Süddeutscher Zeitung vom 2./3. Mai 2009 hat die weltweite Konjunkturkrise die erfolgsverwöhnte Lufthansa erstmals seit drei Jahren in die roten Zahlen gedrückt.

So flog der deutsche Branchenführer angesichts eines Nachfragerückgangs im ersten Quartal 2009 einen Verlust von 256 Millionen Euro ein, nach einem Gewinn von 44 Millionen Euro im Vorjahresquartal. Lufthansa-Finanzchef Stephan Gemkow hat laut Süddeutscher Zeitung vom 2./3. Mai 2009 in Aussicht gestellt, dass die Passagierfluggesellschaften, zu denen die Marken Lufthansa, Swiss und Germanwings gehören, weit mehr Flüge streichen könnten als zurzeit geplant. So gebe es Pläne, das Flugprogramm auf den Langstrecken um bis zu acht Prozent zu verringern, wenn die Nachfrage im Sommer unter vordefinierte Schwellenwerte sinke. Noch drastischer sind die Rückgänge beim Frachtgeschäft. Der Quartalsumsatz von Lufthansa Cargo, der weltweit zweitgrößten Luftfrachtgesellschaft, ist um 31 Prozent gesunken. Bis zum Oktober 2009 werden deshalb sechs von 19 Flugzeugen der Fracht-Airline still gelegt.

Noch schlechter ist die Lage bei Air Berlin, Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft. Bereits im Juli 2008 zeichnete ein Analystenbericht der Dresdner-Bank-Investmenttochter Dresdner Kleinwort ein düsteres Bild der Geschäftsaussichten dieser Fluggesellschaft. Die Analysten setzten das Kursziel für die Aktien von Air Berlin auf null Euro; mit anderen Worten: ihr Aktienwert tendiere gegen null. Die Airline verfüge über eine „angegriffene Bilanzstruktur". Aktuell liegt der Aktienkurs bei ca. 4 Euro, nachdem er beim Börsengang im Jahr 2006 bei 11 Euro gelegen hat. Nach Steuern stieg der Verlust von Air Berlin im Jahr 2008 von 39,9 Millionen Euro im Vorjahr auf 75 Millionen Euro. Vorstandschef Joachim Hunold rechnet nach Angaben der Süddeutschen Zeitung vom 31. März 2009 auch im laufenden Jahr mit schwierigen Geschäften. Die Zahl der Passagiere werde um vier bis fünf Prozent auf 27 Millionen schrumpfen. Um Kosten zu sparen, dünnt Air Berlin nun sein Streckennetz aus. Im Sommer sollen nach derzeitiger Planung im Schnitt fünf bis sechs Flugzeuge weniger eingesetzt werden als im Vorjahr. Auch Kurzarbeit schloss Hunold nicht aus. Am 8. März 2009 berichtete die Süddeutschen Zeitung, dass der Aufsichtsrat von Air Berlin beschlossen habe, eingehend einen Verkauf der Fluggesellschaft LTU zu prüfen und gegebenenfalls auch umzusetzen. Darüber hinaus solle der Vorstand prüfen, das gesamte Langstreckengeschäft dicht zu machen.

Auch die Billigflug-Gesellschaften Ryanair und EasyJet sind von der Wirtschaftsflaute betroffen. So hat der irische Billigflieger Ryanair erstmals ein Geschäftsjahr mit Verlust abgeschlossen. Im Finanzjahr 2008/2009 (31. März) wies Europas größter Billigflieger einen Verlust von 169 Millionen Euro aus. Ein Jahr zuvor konnte Ryanair noch einen Gewinn von 391 Millionen Euro erzielen. Den britischen Billigflieger Easyjet hat die Wirtschaftskrise in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2008/2009 noch stärker getroffen. Der Vorsteuerverlust nahm gegenüber dem ersten Halbjahr 2008 um fast 170 Prozent auf rund 147 Millionen Euro zu.

Am Flughafen Dortmund hat EasyJet ab dem Winterflugplan 2008/2009 das Angebot praktisch halbiert sowie sämtliche am Flughafen stationierten Maschinen und rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgezogen. Dies erklärt auch den besonders hohen Rückgang bei den Fluggastzahlen am Dortmunder Flughafen im 1. Quartal 2009 in Höhe von 32 Prozent verglichen mit dem Vorjahresquartal.

In besonderem Maße trifft die Krise jedoch die Flughafengesellschaften und damit die öffentliche Hand, die in den meisten Fällen die Mehrheit an diesen Gesellschaften hat. Dies wird im Folgenden dargestellt.

Flughafen Münster/Osnabrück ­ Ausbau gegen jede Vernunft:

Die Fluggastzahlen am Flughafen Münster/Osnabrück verharren seit Jahren bei rund 1,6 Mio. Passagieren. Der Spitzenwert von rund 1,77 Mio. Passagieren aus dem Jahr 2000 konnte nicht wieder erreicht werden. In den letzten sieben Monaten gab es sogar einen Einbruch bei den Passagierzahlen um 8,7 Prozent verglichen mit den Vorjahreszahlen. Das Luftfrachtaufkommen am Flughafen Münster/Osnabrück ist laut Münsterscher Zeitung vom 11.3.2009 in den beiden ersten Monaten 2009 gegenüber dem Vorjahr um über 30 Prozent rückläufig gewesen. Die Geschäftsführung der FMO Cargo GmbH hat deswegen zum 1. April 2009 für rund 40 Prozent ihrer 39 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Dennoch halten die Gesellschafter des Flughafens unbeirrt am Plan fest, die Start- und Landebahn von 2.170 m auf 3.000 m in einer ersten Stufe zu verlängern. Die geschätzten Investitionskosten in Höhe von 60 Mio. Euro (Stand: 2005) müssen von den finanziell klammen kommunalen Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen, die den Flughafen halten, gestemmt werden.

Die größten Anteilseigner sind die Stadtwerke Münster (35,1 %), der Kreis Steinfurt (30,3 %), die Stadtwerke Osnabrück (17,2 %), die Verkehrsgesellschaft der Stadt Greven (5,9 %) und der Landkreis Osnabrück (5,1 %). Auch folgende Gebietskörperschaften halten Geschäftsanteile am Flughafen: Kreis Warendorf 2,4 % und die Kreise Borken und Coesfeld mit jeweils 0,5 % sowie die Landkreise Grafschaft Bentheim und Emsland ebenfalls mit 0,5 %. Die Stadt Greven befand sich im Jahr 2008 dauerhaft in der vorläufigen Haushaltsführung, kann sich also als Nothaushaltskommune Investitionen in den Flughafen eigentlich überhaupt nicht leisten.

Auch die Landesregierung hat weiterhin vor, den Ausbau mit 11 Mio. Euro zu subventionieren. Dabei ist ein Ausbau des Flughafens nicht nur umwelt-, verkehrs- und volkswirtschaftlich verfehlt, sondern angesichts der inzwischen aufgelaufenen Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens auch betriebswirtschaftlich fahrlässig. Alle bisherigen Prognosen über die Fluggastentwicklung am Flughafen Münster/Osnabrück haben bisher versagt. Das maßgeblich dem Ausbau zu Grunde gelegte Bedarfsgutachten von Dr. Allemeyer (Universität Münster) hat im Jahr 1996 für das Jahr 2010 eine Zahl von 3,3 Mio. Passagieren im Kurz- und Mittelstreckenverkehr prognostiziert. Tatsächlich sind jedoch am FMO im Jahr 2008 nur ca. 1,6 Mio. Passagiere geflogen. Zwar wurde die Allemeyer-Prognose im Jahr 2005 nochmals aktualisiert, so dass nun die prognostizierten Werte statt im Jahr 2010 erst im Jahr 2015 eintreffen sollen. Doch auch diese Werte erscheinen nach heutiger Sicht völlig unrealistisch.

Der Flughafen steckt seit Jahren in den roten Zahlen. Ende 2007 betrug der Verlust 6,4 Mio. Euro nach 3,6 Mio. Euro im Jahr 2006. Laut Bilanz der FMO Flughafen Münster/Osnabrück GmbH von Ende 2007 hat der Flughafen 97 Mio. Euro Schulden. Doch inzwischen mahnen nicht nur GRÜNE und Bürgerinitiativen vor den ruinösen Folgen eines weiteren Ausbaus.