Diplom Sozialarbeiter
Als hauptamtlicher Mitarbeiter war ein staatlich anerkannter Diplom Sozialarbeiter eingestellt. Dieser unterfällt der Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
Unter den besonderen Schutz des § 203 StGB fallen danach solche Geheimnisse, die den Personen dieser Berufsgruppe "als" Sozialarbeiter anvertraut werden.
Da von den Angehörigen dieser Berufsgruppe ganz unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen werden können, die nur zum Teil vertrauensgebunden sind, ist § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB so auszulegen, dass eine Tätigkeit "als" Sozialarbeiter i.S.d. § 203 StGB nur vorliegt, wenn solche Aufgaben wahrgenommen werden, die dessen spezifische Ausbildung erkennen lassen und deren Erfüllung ein besonderes Vertrauen in die Verschwiegenheit des Betreffenden voraussetzt (Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 25. Aufl., § 203, Rdnr. 13).
Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt:
Die Tätigkeit in einer privaten Aids-Hilfe Beratungsstelle gehört zu den typischen Betätigungsgebieten eines Sozialarbeiters und erfordert entsprechende ausbildungsspezifische Kenntnisse. Die Erfüllung der Aufgabe setzt auch ein besonderes Vertrauen in die Verschwiegenheit voraus.
- Die bei dem Aids-Hilfe Verein tätigen ehrenamtlichen Berater waren selbst keine staatlich anerkannten Sozialarbeiter (und auch keine Sozialpädagogen), sodass § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht (unmittelbar) galt.
Auch eine Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB schied aus.
Nach § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB unterfallen "Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung öffentlichen Rechts anerkannt ist", der Schweigepflicht.
Die Tätigkeit bei dem Aids-Hilfe Verein umfasst zwar in gewissem Umfang Beratung in Drogenfragen, da der Verein jedoch keine von öffentlicher Stelle anerkannte Sucht-(Drogen-)Beratungsstelle ist, kann sich auch keine Schweigepflicht aus § 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB ergeben.
Eine Schweigepflicht der ehrenamtlichen Berater kann sich jedoch aus
§ 203 Abs. 3 StGB ergeben, wonach den in § 203 Abs. 1 StGB Genannten ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen gleichstehen.
Wenn also die ehrenamtlichen Berater dem Sozialarbeiter zur beruflichen Unterstützung zugeordnet sind, erstreckt sich seine Schweigepflicht (nach § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB) somit (nach § 203 Abs. 3 StGB) auf die ehrenamtlichen Berater. Hiervon war im konkreten Fall auszugehen. (Ansonsten würden die ehrenamtlichen Berater allenfalls unter die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes fallen.)
Gleiches gilt für die Bürokraft, auch diese ist "Gehilfin".
Da in erster Linie der Sozialarbeiter unter die Schweigepflicht fällt, muss er seine Gehilfen über die Schweigepflicht belehren und dies schriftlich festhalten.
Ein Verstoß gegen die Schweigepflicht liegt vor, wenn die der Schweigepflicht unterfallenden Informationen unbefugt offenbart werden.
Als Rechtfertigungsgrund kommt grundsätzlich nur die Einwilligung (bzw. Schweigepflichtentbindungserklärung) des Betroffenen in Betracht.
Auch der Informationsaustausch mit anderen Trägern der Aids-Hilfe ist daher grundsätzlich nur mit der Einwilligung des Betroffenen zulässig.
Im konkreten Fall legte der Verein dar, dass ein solcher Informationsaustausch in aller Regel nur im Zusammenhang mit der Beantragung von Hilfen für den Klienten erfolge. Da dies nur geschehe, wenn der Klient ausdrücklich um entsprechenden Beistand bei der Beantragung anderer Hilfen bittet, wird in der Regel eine zumindest konkludente Einwilligung vorliegen.
In strafrechtlicher Hinsicht reicht unter Umständen eine konkludente oder sogar nur mutmaßgebliche Einwilligung.
Soweit das BDSG einschlägig ist, ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht grundsätzlich eine schriftliche Einwilligung erforderlich.
Im Verhältnis der Berater untereinander wäre bei Informationsweitergaben (die Rückschlüsse auf den betroffenen Klienten zulassen) keine Einwilligung erforderlich, wenn sie als Einheit auftreten, das heißt, wenn die ehrenamtlichen Berater als Gehilfen des Sozialarbeiters fungieren (nur dann sind diese
- wie oben ausgeführt - selbst schweigepflichtig). Dies sollte den Klienten aber transparent gemacht werden.
(Andernfalls bestünde auch im Verhältnis des Sozialarbeiters zu den ehrenamtlichen Beratern eine Schweigepflicht.)
Eine weitere Frage war, ob auch gegenüber dem Gesamtvorstand des Vereins die Schweigepflicht besteht. Der Gesamtvorstand besteht aus den haupt- und ehrenamtlichen Beratern sowie weiteren Personen, die den Klienten nicht ohne weiteres bekannt sind.
Im Verhältnis zum Gesamtvorstand, d.h. zu den Vorstandsmitgliedern, die nicht selbst Berater sind, müsste im Grundsatz ebenfalls Vertraulichkeit gewahrt werden, es sein denn, es liegen besondere Gründe vor, die eine Befassung des Gesamtvorstandes mit den Daten erforderlich machen, beispielsweise die Gewährung finanzieller Hilfen. Auch insoweit ist gegenüber dem Klienten für Transparenz zu sorgen, sodass zumindest eine konkludente oder mutmaßliche Einwilligung vorliegt.
Den Verein interessierte außerdem, wie bei einer etwaigen Auflösung der Beratungsstelle zu verfahren sei:
Hier muss sichergestellt werden, dass die Datenträger (Akten etc.) entweder an die Betroffenen herausgegeben oder datenschutzgerecht vernichtet werden.
Wenn die Funktion der Beratungsstelle von einer anderen Beratungsstelle übernommen werden soll, käme eventuell auch in Betracht, dass die andere Stelle die Unterlagen mit übernimmt. Aber auch dies wäre nur mit Einwilligung der Betroffenen zulässig. Entsprechend der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes zum Verkauf von Arztpraxen kann hierbei eine mutmaßliche Einwilligung der Betroffenen nicht pauschal unterstellt werden. Vielmehr müssen entweder die Betroffenen vor der Auflösung gefragt werden, ob sie mit einer Weitergabe einverstanden sind, oder es muss sichergestellt werden, dass die neue Stelle erst mit Einverständnis der Betroffenen Zugriff auf die Unterlagen nimmt. In Betracht käme, dass etwa ein Mitarbeiter der alten Beratungsstelle die Unterlagen sicher verwahrt und nur dann - einzeln herausgibt, wenn sich der Betroffene bei der neuen Stelle in Beratung begibt, oder die neue Stelle erhält die Unterlagen in verschlossenen Umschlägen, auf die nur im Beisein des Betroffenen oder, falls ein Mitarbeiter der alten Stelle übernommen wurde, in dessen Beisein Zugriff genommen wird.
Ob in Einzelfällen aufgrund der Hilfsbedürftigkeit des Betroffenen eine Weitergabe der Unterlagen auch ohne dessen Einverständnis möglich ist (nach den Grundsätzen des rechtfertigenden Notstandes) müsste jeweils sorgfältig geprüft werden.
Datenbank über potenzielle Spender von Knochenmark
Um ausreichend viele Spender für Knochenmarktransplantationen zur Verfügung zu haben, hat es sich als notwendig herausgestellt, weltweit nach Spendern Ausschau zu halten. Wirtschaftlich möglich ist diese Form der weltweiten Zusammenführung von Spender und Patient nur mit Hilfe moderner Informationstechnologie. Ein gemeinnütziger Verein, der diese Aufgabe in Hessen übernommen hat, erfüllt die medizinischen Voraussetzungen und speichert die erforderlichen personenbezogenen Daten der potenziellen Spender in einer zentralen Datei. Aus dieser Datei werden mit Hilfe einer Code-Nummer, des Geburtsdatums und der Angabe des Geschlechts des bzw. der potenziellen Spender die erforderlichen medizinischen Daten in ein von einer gemeinnützigen Gesellschaft geführtes Zentralregister übermittelt. Dort stehen sie für den weltweiten Abgleich zur Verfügung.
Erst nachdem die entsprechenden medizinischen Untersuchungen bei dem Patienten, welcher eine Knochenmarkspende nachsucht, stattgefunden haben und mit Hilfe einer eingefrorenen Blutprobe des potenziellen Spenders geklärt wurde, dass die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wird mit Hilfe der Code-Nummer auf den potenziellen Spender zurückgegriffen. Ausschließlich die hier ansässige speichernde Stelle hat dann die Möglichkeit, den betreffenden Spender zu identifizieren. Sie gibt die Personalien des potenziellen Spenders jedoch auch dann nicht weiter, sondern spricht ihn selbst an, damit er - nach einem weiteren ärztlichen Beratungsgespräch - nun endgültig über die Knochenmarkspende entscheidet.
Nach erfolgter Entnahme des Knochenmarks wird dieses unter der CodeNummer an die behandelnden Ärzte des Empfängers weitergeleitet. Als Erlaubnistatbestand zur Datenverarbeitung wird die schriftliche Einwilligung nach § 4 BDSG vom Betroffenen eingeholt. Die von dem Verein um datenschutzrechtliche Beratung gebetene Aufsichtsbehörde konnte bestätigen, dass die vorgelegte Einwilligung alle Anforderungen des § 4 BDSG erfüllt.
Durch eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise wurde dafür gesorgt, dass informierte Einwilligungen vorliegen.
Außerdem bestehen genaue Zugriffsregelungen und weitere Maßnahmen zur Datensicherheit liegen vor.
13. Direktmarketing und Werbung
Zweifelhafte Herkunft von Empfehlungsadressen
Alle Einzel-, Groß- und Versandhändler sowie viele Dienstleister anderer Branchen leben von ihren ständigen Bemühungen, neue kaufkräftige Kunden zu gewinnen. Eine beliebte und oft auch erfolgreiche Methode, kostenlos neue Namen und Anschriften zu erfahren, ist es, Kunden im Katalog oder auf dem Bestellschein zu bitten, die Daten von interessierten Freunden oder Verwandten anzugeben. Leider wissen die betroffenen Bekannten oftmals nichts von dieser gut gemeinten Weitergabe ihrer Adressdaten und werden unvorbereitet mit Werbezusendungen oder Vertreterbesuchen von unbekannten Firmen überrascht. Die Frage der Betroffenen nach der Herkunft ihrer Daten wird dann nur mit einem lapidaren Verweis auf die Empfehlung durch irgendwelche Freunde beantwortet, was bei vielen Betroffenen den Verdacht nährt, dass die Unternehmen eine vermeintlich unzulässige Datenquelle verschleiern möchten. Wo genau die Daten herstammten, war auch für die eingeschaltete Datenschutzaufsichtsbehörde in den seltensten Fällen nachvollziehbar.
Die Unternehmen wurden aufgefordert, künftig die Herkunft der werblich genutzten Adressdaten nachvollziehbar zu dokumentieren. Dazu gehört bei der Nutzung von neuen Empfehlungsadressen auch der Name und die Anschrift des Kunden, der die Daten seiner Bekannten, Verwandten oder Freunde weitergibt. Nur so ist es möglich, dass das unabdingbare Recht von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auf Auskunft über Art und insbesondere Herkunft der gespeicherten Daten nach § 34 BDSG realisiert werden kann und dass überprüft werden kann, ob die Datenerhebung gegen Treu und Glauben verstieß.
Ein Dauerbrenner: Die Nichtbeachtung von Werbewidersprüchen und Auskunftsersuchen
In jedem Berichtsjahr ist es im Bereich der Massenwerbung leider immer wieder notwendig, dass den Forderungen von Bürgerinnen und Bürgern nach Beachtung ihrer datenschutzrechtlichen Rechte durch die Datenschutzaufsichtsbehörde Nachdruck verliehen werden muss. Regelmäßig werden Anfragen von Betroffenen nach der Herkunft ihrer zur Werbung genutzten Daten (§ 34 Abs. 1 BDSG) und Widersprüche gegen die werbliche Nutzung der Adressdaten (§ 28 Abs. 3 BDSG) von Unternehmen nicht beachtet. Wie schon so oft wurde gegenüber der Behörde behauptet, die Schreiben der Petenten wären in den Firmen nie angekommen oder auch nur versehentlich nicht beantwortet worden. Einige Unternehmen wurden aufgefordert, die Werbedaten nicht zu löschen, sondern i.S.d. § 35 Abs. 3 BDSG in Sperrlisten zu speichern. Mit den Sperrvermerken sollen in der Zukunft die zumeist angemieteten Adresslisten der Unternehmen abgeglichen werden, sodass die Betroffnen schon vor der Versendung von Werbebriefen ausgefiltert und deren Daten zuverlässig von der werblichen Nutzung ausgeschlossen werden können.
Die berechtigten Beschwerden der Petenten betrafen überwiegend Einzelhandelsunternehmen verschiedener Branchen (Möbel, Kraftfahrzeuge, Computer) und auch eine Bank. Alle Unternehmen haben letztlich auf die Beanstandungen der Aufsichtsbehörde reagiert, die Daten für die werbliche Nutzung gesperrt und die Anfragen der Beschwerdeführer nach der Adressherkunft hinreichend beantwortet.