Zum Teil wird die fehlende Abgabe von Betreuungen durch Berufsbetreuer aber auch mit der Pauschalierung der Vergütung begründet

Das Fehlen ehrenamtlicher Betreuer wird eindeutig in Großstädten, teilweise aber auch in ländlichen Gebieten beklagt. Teilweise wird es darauf zurückgeführt, dass es keine vernetzende Institution gebe, die dem Vormundschaftsgericht familienfremde ehrenamtliche Betreuer vermitteln kann.

Zum Teil wird die fehlende Abgabe von Betreuungen durch Berufsbetreuer aber auch mit der Pauschalierung der Vergütung begründet. Die Betreuer seien auf eine Mischkalkulation (arbeitsintensive und arbeitsarme Betreuungen) angewiesen. Bei Abgabe der leichten Fälle an ehrenamtliche Betreuer würde sich die Tätigkeit eines Berufsbetreuers - ungeachtet des § 5 Abs. 5 VBVG - nicht mehr tragen.

Am häufigsten findet das "Tandem-Modell" bei Betreuungen Anwendung, in denen zunächst die Organisation und Finanzierung eines Heimaufenthaltes eines Betroffenen während der arbeitsintensiven Anfangsphase durch einen Berufsbetreuer geleistet wird und später die Betreuung von einem Angehörigen übernommen wird, wenn alle schwierigen Fragen geklärt sind.

21. Inwieweit gibt es eine Selbstkontrolle der Berufsbetreuer durch berufsständische Organisationen?

Für Berufsbetreuer gibt es den "Bundesverband der Berufsbetreuer" (www.bdb.de) und den "Verband freiberuflicher Betreuer" (www.vfbev.de) als berufsständische Vertretungen. Soweit der Landesregierung bekannt ist, haben sich diese Organisationen mit dem Entwurf eines Berufsbildes des Berufsbetreuers befasst (siehe dazu Antwort zu III (Stellung der Betreuer) Nr. 1). Der Bundesverband der Berufsbetreuer sieht auf seiner Homepage ein "BdBQualitätsregister" vor. Danach kann in das freiwillige Register nur eingetragen werden, wer bestimmte allgemeine und Qualifikationsvoraussetzungen aufweist. Einzelheiten finden sich auf der jeweiligen Homepage der Organisationen. Inwieweit darüber hinaus eine Selbstkontrolle der Berufsbetreuer erfolgt, ist der Landesregierung nicht bekannt.

22. Existieren in allen Gebietskörperschaften örtliche Arbeitsgemeinschaften zwischen Gericht, Betreuungsbehörde und Betreuern (Betreuungsvereine und Berufsbetreuer) gem. § 4 Landesbetreuungsgesetz NRW?

a. In wie vielen Gebietskörperschaften sind alle drei Akteure beteiligt, in wie vielen nicht? Welche Akteure fehlen?

b. Wie oft tagen diese örtlichen Arbeitsgemeinschaften?

Zu dieser Frage liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

23. Ist es aus Sicht der Landesregierung sinnvoll, eine über die bisher erfolgte Kontrolle des Betreuers hinausgehende kontinuierliche und nicht nur reaktive Kontrolle der Betreuung einzuführen, bei der Betreuungsbehörden oder eine dritte neutrale Instanz die Vormundschaftsgerichte aktiver als bisher unterstützen?

Die Aufgaben der Betreuungsbehörde sind im BGB und im Betreuungsbehördengesetz (BtBG) geregelt. Die Betreuungsbehörde hat nach der geltender Rechtslage das Vormundschaftsgericht (ab 01.09.2009 das Betreuungsgericht) bei der Betreuungsanregung und im Betreuungsverfahren zu unterstützen, § 8 Satz 1 BtBG.

Die Betreuungsbehörde ist in die allgemeine Auswahl und Überwachung der Berufsbetreuer eingeschaltet. Nach § 1897 Abs. 7 BGB soll das Gericht die zuständige Behörde zur Eignung des ausgewählten Berufsbetreuers anhören, wenn der Berufsbetreuer in dem Bezirk des Vormundschafsgerichts erstmalig bestellt werden soll. Weiterhin soll die Betreuungsbehörde zur Feststellung der Berufsmäßigkeit des Betreuers i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes angehört werden. Die Betreuungsbehörde soll zudem die Person auffordern, ein Prüfungszeugnis und eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis vorzulegen.

Darüber hinaus hat die Betreuungsbehörde die gesetzliche Verpflichtung, das Gericht bei der Gewinnung geeigneter Betreuer zu unterstützen. Wenn die Behörde vom Vormundschaftsgericht dazu aufgefordert wird, schlägt sie eine Person vor, die sich im Einzelfall zum Betreuer eignet, § 8 Satz 3 BtBG. Der Umfang der berufsmäßig geführten Betreuung ist von der Behörde dem Gericht mitzuteilen, § 8 Satz 4 BtBG.

Während des laufenden Betreuungsverfahrens erfolgt die Kontrolle jedes Betreuers allein durch das Gericht. Es handelt sich dabei um eine kontinuierliche Kontrolle. Es ist nach der geltenden Ausgestaltung des Betreuungsverfahrens, bei der die Betreuungsanordnung durch Gerichte erfolgt, nicht möglich, der Betreuungsbehörde weitere Aufgaben der Überwachung von Betreuern während des Betreuungsverfahrens aufzuerlegen. Im Hinblick auf die Überwachungs- und Kontrolltätigkeit des Vormundschaftsgerichts ist ein Bedarf für eine "dritte neutrale Instanz" nicht erkennbar.

24. Hält die Landesregierung die Schaffung einer Landesarbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen für wichtig, um die Zusammenarbeit von Gerichten, Betreuungsbehörden, Betreuungsvereinen und den Berufsorganisationen der Berufsbetreuer zu fördern?

a. Soll eine solche Landesarbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen im Landesbetreuungsgesetz NRW verankert werden?

b. Wenn nein, warum nicht?

Zu unterscheiden sind Landesarbeitsgemeinschaften und örtliche Arbeitsgemeinschaften.

Die Landesregierung prüft derzeit, ob die Schaffung einer Landesarbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen sinnvoll und ob eine gesetzliche Verankerung im Landesbetreuungsgesetz NRW möglich ist.

Nach § 6 LBtG wird die Landesregierung zum 31. Dezember 2009 dem Landtag über die Erfahrungen mit diesem Gesetz berichten. Die Frage einer Landesarbeitsgemeinschaft wird in diesem Zusammenhang in die Evaluierung mit einbezogen.

Mit den örtlichen Arbeitsgemeinschaften hat sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht beschäftigt, die im Mai 2009 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. In diesem Abschlussbericht wird eine Stärkung der örtlichen und überörtlichen Betreuungsarbeitsgemeinschaften gefordert. Es heißt hierzu in den Empfehlungen des Berichts unter "Maßnahmen im Bereich der örtlichen Betreuungsbehörden": "Es sollte eine Erhebung über die Einrichtung örtlicher Arbeitsgemeinschaft in den Ländern erfolgen, um die bestehenden Defizite in diesem Bereich aufzuspüren. Weiter ist nach geeigneten Anstoß-Maßnahmen zur Bildung örtlicher Arbeitsgemeinschaften im Betreuungsrecht zu suchen, wo sie noch fehlen. Ein gutes Vorbild liefern die "Regionalen Fachkreise

Betreuungsrecht" in Hessen, die zu einer erfolgreichen Stärkung der betreuungsrechtlichen Netzwerke geführt haben.

Die Landesjustizverwaltungen sollten im Rahmen von Aufklärungskampagnen über die Aufgabenverteilung im Betreuungsrecht auch die Bedeutung der örtlichen Arbeitsgemeinschaften herausstreichen."

Die Landesregierung wird daher in naher Zukunft prüfen, inwieweit bereits Netzwerkarbeit im Betreuungsrecht durch bestehende örtliche Arbeitsgemeinschaften erfolgt, wie diese Arbeit gestärkt werden kann und inwieweit hierzu die gesetzliche Verpflichtung einer Landesarbeitsgemeinschaft sinnvoll ist.

IV. Veränderungen durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz

1. Teilt die Landesregierung die zum Inkrafttreten des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes geäußerte Kritik, dass statt einer Strukturreform mit einem Systemwechsel, wie ursprünglich gefordert, lediglich eine Neuordnung der Vergütungsvorschriften erfolgt sei?

a. Falls ja, inwieweit sind Änderungen und Initiativen von Seiten der Landesregierung geplant?

b. Falls nein, warum nicht?

Dem zum 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz ist der Abschlussbericht zur 74. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2003 vorausgegangen. Dieser Abschlussbericht, der von der 2001 eingesetzten Bund-LänderArbeitsgruppe "Betreuungsrecht" erarbeitet wurde, enthielt eine Vielzahl von Vorschlägen und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des Betreuungsrechts. Der Abschlussbericht sah neben der Einführung eines pauschalen Vergütungssystems Regelungen zur Stärkungen des Selbstbestimmungsrechts vor.

Die Vorschläge wurden Gegenstand einer von der Landesregierung mitgetragenen Bundesratsinitiative (Bundesratsdrucksache 865/03, Bundestagsdrucksache 15/2494). Das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz hat einen Großteil der von der Arbeitsgruppe angeregten und im Bundesratsentwurf vorgesehenen Neuregelungen umgesetzt.

Neben der Einführung eines pauschalen Vergütungssystems ist die Vorsorgevollmacht gestärkt worden. Es wurden zudem Regelungen zur Auslastung der Betreuer sowie die Möglichkeit der Anforderung eines Betreuungsplans sowie verfahrensrechtliche Änderungen etwa zur Vermeidung unnötiger Begutachtungen - eingeführt. Der Vorrang des Selbstbestimmungsrechts ist festgeschrieben worden. Hingegen sind die Vorschläge zur Einführung einer gesetzlichen Vertretungsmacht der Ehegatten in Angelegenheiten der Vermögens- und Gesundheitssorge sowie der Vertretungsmacht im Bereich der Gesundheitssorge im Verhältnis von Eltern und volljährigen Kindern vom Bundestag im Rahmen der Novellierung des Betreuungsrechts nicht aufgegriffen worden.

Obwohl die o. g. Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" in ihrem Abschlussbericht Möglichkeiten einer grundsätzlichen Reform der Betreuungsstruktur aufgezeigt hat, hat das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz nicht zu einer Strukturreform im Betreuungsrecht geführt.