Vorsorge

Die Landesregierung stellt heute fest, dass angesichts der zunehmenden Betreuungen und der kontinuierlichen Kostensteigerungen weiterhin Reformbedarf im Betreuungsrecht besteht. Mit der Vorlage des Endberichts des ISG zur Evaluierung des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes - im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz) (Köller/Engels, Rechtliche Betreuung in Deutschland, Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, 2009) ist ein vorläufiges Ergebnis erzielt. Der Bericht wird nun durch eine BundLänder-Arbeitsgruppe ausgewertet.

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Strukturreform im Betreuungsrecht umgesetzt werden kann. Dies entspricht dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur "Beobachtung der Kostenentwicklung im Betreuungsrecht und Handlungsempfehlungen zur Optimierung des Betreuungsrechts" Justizverwaltungen vom Mai 2009. Dieser Abschlussbericht war zuletzt Gegenstand der 80. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 24. und 25. Juni 2009 in Dresden. Die Justizministerinnen und Justizminister haben dort beschlossen, an den auf ihrer 76. Konferenz am 29. und 30. Juni 2005 getroffenen Beschluss zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine strukturelle Reform des Betreuungsrechts zu erinnern. In ihrem damaligen Beschluss heißt es, Aufgabe der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" soll sein, zu prüfen, ob für die rechtliche Betreuung Erwachsener künftig die originäre Zuständigkeit der Betreuungsbehörden vorgesehen werden sollte, die anstelle der Justiz mit den dafür erforderlichen Mitteln auszustatten sind.

Aus Sicht der Landesregierung sollte Ziel einer Strukturreform die Qualitätssteigerung und die Schaffung eines effizienteren Verfahrens zur Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit und des Betreuungsbedarfs sein. Auf der Grundlage des o. g. Abschlussberichts der BundLänder-Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" vom Juni 2003 ist zu entscheiden, inwieweit eine vollständige oder nur teilweise Verlagerung richterlicher Tätigkeit im Betreuungsverfahren auf die Betreuungsbehörde möglich und zielführend ist.

Die Arbeitsgruppe hatte zwei Modelle erarbeitet, bei denen eine teilweise bzw. fast vollständige Verlagerung von Aufgaben von den Vormundschaftsgerichten auf die Betreuungsbehörden vorgesehen war.

Bei dem ersten Modell wird die Betreuungsbehörde als Eingangsinstanz dem Vormundschaftsgericht vorgeschaltet und hat gegenüber dem Gericht das alleinige Antragsrecht auf Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin für einen Betroffenen. Die Prüfungen einer Betreuerbestellung auf Anregung oder von Amts wegen erfolgen somit zunächst von der fachlich hierfür kompetenten Betreuungsbehörde und entlasten somit die Gerichte. Die Entscheidungskompetenz in Betreuungssachen verbleibt allerdings bei den Gerichten.

Bei dem zweiten Modell werden die Aufgaben des Vormundschaftsgerichts weitgehend auf die fachlich kompetenten Betreuungsbehörden übertragen. Lediglich Entscheidungen, die dem Richtervorbehalt unterliegen, sind noch von den Gerichten zu treffen.

Die Landesregierung prüft auf der Grundlage dieser Überlegungen eine Strukturreform.

2. In welchen Punkten sieht die Landesregierung Nachbesserungsbedarf hinsichtlich der

a. Vergütung von Betreuern,

b. Aufgabenverteilung,

c. Einbeziehung und Unterstützung des Ehrenamtes und wie soll die Veränderung konkret aussehen?

a) und b)

Die Landesregierung sieht derzeit keinen Nachbesserungsbedarf hinsichtlich der Vergütung der Berufsbetreuer. Entsprechendes gilt für die Aufgabenverteilung aller Betreuer.

Das Vergütungssystem für Berufsbetreuer war auch Gegenstand des Endberichts des ISG zur Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (Köller/Engels, Rechtliche Betreuung in Deutschland, Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes, 2009). Die Landesregierung sieht - vorbehaltlich einer Auswertung des Endberichts durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe - auch aufgrund dieses Berichts keinen Nachbesserungsbedarf für die Vergütung der Berufsbetreuer.

Ehrenamtliche Betreuer erhalten nach § 1835a BGB eine pauschale Aufwandsentschädigung. Auch insoweit besteht kein Nachbesserungsbedarf. Die Landesregierung wird aber weiterhin eine Optimierung der steuerlichen Behandlung der Aufwandsentschädigung prüfen und unterstützen, um das Ehrenamt im Betreuungsrecht zu stärken.

Durch die seit 2004 festgelegten Förderrichtlinien können Betreuungsvereine Prämien zum einen dafür erhalten, dass sie ehrenamtliche Betreuer aus dem nichtfamiliären Umfeld gewinnen, und zum anderen für die Begleitung und Beratung der ehrenamtlichen Betreuer, die dem Verein angeschlossen sind. Diese Richtlinien, die auf konkret nachweisbare Leistungserfolge der Betreuungsvereine abstellen, haben sich aus Sicht der Landesregierung bewährt.

Die Zahl der Prämien hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht (siehe Antwort zu Frage I (Betreuer in Nordrhein-Westfalen) Nr. 4).

3. Inwieweit ist es aus Sicht der Landesregierung notwendig, künftig von einer justizorientierten zu einer integrierten, sozialen Betreuung zu kommen?

Die Justizministerinnen und Justizminister haben auf ihrer 80. Konferenz am 24. und 25. Juni 2009 festgestellt, dass die Ursachen der Kostensteigerung ebenso wie mögliche Gegenmaßnahmen teilweise außerhalb der Zuständigkeit der Justizressorts liegen. Deshalb soll der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Betreuungskosten" vom Mai 2009 dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, der Vorsitzenden der Arbeits- und Sozialministerkonferenz und den kommunalen Spitzenverbänden zur Kenntnis gegeben werden.

Darüber hinaus soll sich die Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" mit der Prüfung von Vorschlägen für eine strukturelle Reform des Betreuungsrechts befassen. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage IV (Veränderungen durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz) Nr. 1 hingewiesen. Ziel einer Strukturreform sollte es sein, Unterstützungsmaßnahmen auf sozialrechtlichem Gebiet zugunsten der Betroffenen sicherzustellen und damit den Betreuungsbedarf zu minimieren. Der Anteil an rechtlich notwendigen Betreuungen sollte dadurch reduziert werden.

4. Welche Bedeutung kommt in diesen Zusammenhang einer Regulierung der Schnittstellen zu den verschiedenen Sozialgesetzbüchern zu?

Eine Regulierung von Schnittstellen zu den verschiedenen Sozialgesetzbüchern wird im Rahmen einer Strukturreform zu prüfen sein. Auf die Antwort zu Frage IV (Veränderungen durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz) Nr. 1 und Nr. 3 wird hingewiesen.

5. Wann und in welchem Umfang ist eine Evaluierung der Veränderungen durch das

2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz vorgesehen?

Das Otto-Blume-Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V. (ISG) ist mit der Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes im Juli 2005 vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) beauftragt worden und hat im Mai 2009 den Endbericht hierzu vorgelegt. Dieser Bericht ist, bearbeitet von Köller und Engels, im Bundesanzeiger Verlag mit dem Titel "Rechtliche Betreuung in Deutschland - Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes" erschienen.

Das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz ist auch Gegenstand einer Untersuchung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Beobachtung der Kostenentwicklung im Betreuungsrecht und Handlungsempfehlungen zur Optimierung des Betreuungsrechts gewesen. Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe war Gegenstand der 80. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 24. und 25. Juni 2009 in Dresden. Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe ausgesprochen. Diese Arbeitsgruppe soll prüfen, ob sich aus dem Endbericht des (ISG) über die Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt.

Die begonnene Evaluation des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes wird damit fortgesetzt.

V. Vorsorgevollmacht

1. Wie und durch wen wird eine individuelle Beratung bei der Einrichtung einer Vorsorgevollmacht angeboten?

Eine individuelle Beratung bei der Einrichtung einer Vorsorgevollmacht erfolgt durch die Mitarbeiter von Betreuungsbehörden und Betreuungsvereinen.

Gem. § 1908f Nr. 2a BGB gehört es zu den Aufgaben eines Betreuungsvereins, planmäßig über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen zu informieren und bei der Errichtung einer Vorsorgevollmacht zu beraten. Nach § 1908f Abs. 4 BGB können anerkannte Betreuungsvereine auch im Einzelfall Personen bei der Errichtung einer Vorsorgevollmacht beraten.

Gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 BtBG fördern die Betreuungsbehörden die Aufklärung und Beratung über Vollmachten und Betreuungsverfügungen. Die Urkundspersonen der Betreuungsbehörden sind befugt, Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen zu beglaubigen, § 6 Abs. 2 BtBG.

Daneben beraten auch die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe (Notare und Rechtsanwälte) über die Einrichtung einer Vorsorgevollmacht im Einzelfall.

Allgemein informiert das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit seiner Broschüre "Was Sie über die Vorsorgevollmacht und das Betreuungsrecht wissen sollten" und in einem monatlichen Bürger-Chat zum Betreuungsrecht.

2. Welche Qualifikation wird bei den Beratern vorausgesetzt, um eine solche umfassende Beratung gewährleisten zu können?

Eine besondere gesetzliche Regelung zur Qualifikation von Beratern über Vorsorgevollmachten existiert nicht.

Die Mitarbeiter der Betreuungsvereine, die über die Errichtung einer Vorsorgevollmacht informieren oder beraten, sind in der Regel gleichzeitig als Betreuer tätig (Vereinsbetreuer, § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB). Sie haben daher die gleiche Qualifikation wie diese (siehe insoweit die Antwort zu Frage III (Stellung der Betreuer) Nr. 1 c).

Auch Mitarbeiter von Betreuungsbehörden können Betreuer sein (Behördenbetreuer, § 1897 Abs. 2 Satz 2 BGB). Wer über eine Vorsorgevollmacht berät, sollte im Regelfall dazu geeignet sein und insoweit über die erforderlichen Kenntnisse zur Vorsorgevollmacht und zum Betreuungsrecht verfügen.

Notare und Rechtsanwälte sind aufgrund ihrer beruflichen Befähigung hinreichend zur Beratung qualifiziert.

3. Inwieweit werden anerkannte Betreuungsvereine bei der Beratung über die Einrichtung einer Vorsorgevollmacht vergütet?

Die Betreuungsvereine werden für die Beratung über die Einrichtung einer Vorsorgevollmacht aus Mitteln des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht gesondert gefördert. Eine individuelle Beratung gehört zu den gesetzlichen Aufgaben der Betreuungsvereine.

Die Vergütung des Betreuungsvereins für den Fall der Bestellung eines Vereinsbetreuers ist in § 7 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) geregelt. Danach wird den Betreuungsvereinen derselbe pauschale Stundensatz wie freiberuflichen Berufsbetreuern gewährt. Im Gegensatz zu freiberuflichen umsatzsteuerpflichtigen Berufsbetreuern unterliegen gemeinnützige Betreuungsvereine insoweit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG) bzw. können bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG diese Steuerbefreiung in Anspruch nehmen.