Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen

Der Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen hat eine lange, traditionsreiche Geschichte.

Das älteste Kohlerevier in NRW ist das Aachener Revier. Es wurde urkundlich erstmals in den Annales Rodenses des Klosters Rolduc für das heutige Herzogenrath im Jahr 1113 erwähnt. Erst im 14. Jahrhundert folgte die erste bekannte Steinkohlengewinnung an der Ruhr.

In der Hochphase des Bergbaus förderten im Jahr 1957 über 600.000 Bergleute auf rund 170 Zechen 149 Millionen Tonnen Steinkohle. Durch den aufkommenden und ständig wachsenden Einsatz von Heizöl verlor die Kohle ihre führende Position im Wärmemarkt. Dies führte zu zahlreichen Zechenstilllegungen und zu massiven sozialen Protesten. Vor diesem Hintergrund schlossen sich 1968 insgesamt 19 Bergwerksunternehmen zur weiteren Steuerung des Anpassungsprozesses zu einer Einheitsgesellschaft, der Ruhrkohle AG (RAG), zusammen. Bereits ein Jahr später wurde der "Hüttenvertrag" abgeschlossen, mit dem sich die deutsche Stahlindustrie verpflichtete, die von ihr benötigte Steinkohle über die RAG zu beziehen. Dabei wurde die Differenz zwischen Weltmarktpreis und RAG-Kostendeckungspreis vom Staat getragen. Nach gleichem Muster band sich über den "Jahrhundertvertrag" im Jahr 1980 auch die deutsche Elektrizitätswirtschaft an die heimische Steinkohle.

Zur Finanzierung der Steinkohlebeihilfen wurde von 1974 bis 1995 ein sog. "Kohlepfennig" erhoben. Der Kohlepfennig war ein in den alten Bundesländern erhobener Aufschlag auf die Stromrechnung, der schließlich im Oktober 1994 durch das Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt wurde. Fortan mussten die Steinkohlebeihilfen ausschließlich aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden.

Im Jahr 1997 verständigte sich die damalige CDU/FDP-Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl mit den Bergbauunternehmen und der Gewerkschaft auf eine Neuregelung der Steinkohlebeihilfen. Diese Neuregelung umfasste den Zeitraum bis 2005 und wurde im Zuge einer Novellierung des Steinkohlebeihilfengesetzes mit Zustimmung aller Fraktionen vom Deutschen Bundestag beschlossen. Auf der Grundlage des Steinkohlebeihilfegesetzes wurde die Zahl der Bergleute von 1997 bis 2005 von etwa 78.000 Beschäftigten auf rund 38.000 Beschäftigte zurückgeführt. Parallel dazu verminderte sich die Zahl der fördernden

Bergwerke von 17 im Jahr 1997 auf noch 9 im Jahr 2005 (Ibbenbüren, Ost, Auguste-Viktoria, Prosper, Lippe, Walsum, West, Ensdorf und Warndt/Luisenthal [später zusammengelegt zum Bergwerk Saar]). Bereits im Jahr 1997 war mit der Schließung der Zeche Sophia-Jacoba in Hückelhoven die fast 900-jährige Bergbaugeschichte im Aachener Revier zu Ende gegangen.

Seit Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts hat die gesellschaftliche Unterstützung des Bergbaus deutlich abgenommen. Selbst im Ruhrgebiet ist die einstmals vorbehaltlose Zustimmung einer zunehmend kritischen Haltung gewichen. Ursache hierfür war der Konflikt um das unter dem Rhein fördernde Bergwerk Walsum. Erstmals organisierten sich in Bürgerinitiativen Zehntausende von Bürgerinnen und Bürgern gegen den Kohleabbau unter den Rheindeichen, da durch diesen die Gefahr einer Jahrhundertkatastrophe mit riesigen Überschwemmungen heraufbeschworen wurde. Der Bergbau reagierte, obwohl er wusste, dass weitere Schließungen anstanden, in diesem Konflikt wenig sensibel.

Diese veränderte Stimmungslage schlug sich auch in den Verhandlungen über die Anschlussfinanzierung der Steinkohlesubventionen ab 2006 nieder, bei denen es den GRÜNEN gelang, die Schließung des Bergwerks Walsum für 2008 durchzusetzen, obwohl dieses über einen genehmigten Rahmenbetriebsplan bis zum Jahr 2018 verfügte.

Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführte Bundesregierung verzichtete auf eine gesetzliche Anschlussregelung an das Steinkohlebeihilfengesetz. Deswegen konnten nur für maximal drei Jahre, 2006 - 2008 Zuwendungsbescheide ausgestellt werden. Trotzdem versuchte Gerhard Schröder, den Eindruck zu erwecken, als ob es klare Finanzierungsregelungen für die Steinkohle bis 2012 gäbe:

Aus der Rede von Bundeskanzlers Gerhard Schröder vom 11.11.2003 auf dem Steinkohlentag in Essen: "Wir haben uns für die Zeit nach Auslaufen des Kohlekompromisses auf einen Finanzrahmen verbindlich geeinigt. Dabei haben wir bewusst einen längeren Zeitraum, nämlich von 2006 bis 2012, gewählt, weil die Menschen in dieser Region eine mittelfristige Planungssicherheit haben wollen und diese auch brauchen. (...) Für diesen Zeitraum haben wir den Finanzrahmen auf insgesamt 17 Mrd. Euro abgesteckt. Das klingt gewaltig. Aber wenn man weiß, was damit abgedeckt ist, relativiert sich diese Summe. Ich denke, das ist im Übrigen gut angelegtes Geld. Die öffentliche Hand wird davon knapp 16 Mrd. Euro, exakt 15,87 Mrd. Euro, tragen. Die RAG wird einen Eigenbeitrag von über 1 Mrd. Euro, exakt 1,13 Mrd. Euro, zu erbringen haben. Die Zuwendungsbescheide für die erste Periode bis 2008 sind bereits in Vorbereitung. Ich gehe davon aus, dass die Vorbereitungszeit nicht allzu lange dauert. (...)

Wir erwarten, dass wir mit diesem Finanzrahmen im Jahr 2012 noch 16 Mio. Tonnen an deutscher Steinkohle fördern können. Gut 20.000 Beschäftigte sollen dann noch im Bergbau tätig sein."

Im Jahr 2007 stellte sich dann - was Insidern bereits längst bekannt war - auch öffentlich heraus, dass sich die für das Jahr 2012 angestrebten Zielwerte bezüglich Fördermenge und Beschäftigtenzahl mit den von Gerhard Schröder genannten Finanzvolumina nicht umsetzen ließen. Es ist zu vermuten, dass nicht zuletzt auch deswegen zuvor auf eine gesetzliche Regelung verzichtet worden war.

In einer Kohlerunde unter Einschluss der Bergbauunternehmen und der Gewerkschaft im Februar 2007 wurden in der "Anschlussregelung 2007" die Fördermengen und die dazu benötigten Finanzmittel angepasst. Die Fördermenge wurde auf 12 Mio. Jahrestonnen in 2012 reduziert, und die dafür notwendigen Finanzmittel noch einmal deutlich erhöht. Gleichzeitig wurde die Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus für das Jahr 2018 verein bart. Das Ausstiegsdatum 2018 und die bis dahin von der öffentlichen Hand aufzubringenden Finanzplafonds wurden im Steinkohlefinanzierungsgesetz festgelegt, das im Dezember 2007 in Kraft trat.

Das Gesetz enthält allerdings eine Revisionsklausel. So soll der Deutsche Bundestag im Jahr 2012 noch einmal überprüfen, ob es beim Ausstieg aus der Subventionierung des Deutschen Steinkohlenbergbaus 2018 bleibt. Falls sich der Bund für eine Fortsetzung der Subventionen für die Steinkohleförderung über 2018 hinaus entscheiden sollte, ist NRW ab 2014 von den Subventionen freigestellt. Im Falle eines planmäßigen Auslaufens im Jahr 2018 beschränkt sich der Beitrag NRWs auf die Finanzierung der Altlasten und der Stilllegungsbeihilfen.

Zur Finanzierung der sog. "Ewigkeitslasten" des Bergbaus (Grubenwasserhaltung, Dauerbergschäden und Grundwasserreinigung) wurde im Juni 2007 auf Initiative des damaligen RAG-Vorstandsvorsitzenden Dr. Werner Müller die RAG-Stiftung gegründet, der im Sinne von 100 %-igen Tochterunternehmen sowohl die RAG AG als auch deren vormaliger Beteiligungsbereich, die heutige Evonik Industries AG mit den Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien, übertragen wurde. Die hierfür erforderlichen Mittel soll die RAG-Stiftung über den Verkauf von drei Vierteln ihrer Evonik-Anteile aufbauen. Dabei wurde der ursprünglich geplante Börsengang mit Blick auf die derzeit äußerst problematische Weltwirtschaftslage aufgeschoben.

Im Juni 2008 hat die Stiftung für 2,4 Mrd. 25,01 % der Evonik Industries AG an die CVC Capital Partners veräußert. Laut Ausgangsplanung muss die Stiftung bis zum 31.12.2018 einen Kapitalstock in Höhe von 6,85 Mrd. EUR anhäufen. Mit diesem Kapitalstock und den bis zum 31.12.2018 erfolgten Rückstellungen in der RAG-Bilanz in Höhe von 1,55 Mrd. EUR sollen die im KPMG-Gutachten ausgewiesenen Ewigkeitslasten von 8,4 Mrd. EUR abgedeckt werden.

Sollte die Summe aus Rückstellungen und Stiftungsvermögen nicht ausreichen, um die Ewigkeitslasten abzudecken, müssen die ggf. fehlenden Mittel durch die öffentlichen Haushalte getragen werden. Dabei entfallen zwei Drittel auf die Bergbauländer NRW und Saarland und ein Drittel auf den Bund.

Angesichts der hohen Belastungen, die der Steinkohlenbergbau aktuell und über den Zeitpunkt seiner Beendigung hinaus für die öffentliche Hand mit sich bringt, ist es erforderlich, ein hohes Maß an Transparenz herzustellen. Dies gilt bezüglich der seitens der RAG vorgenommenen Planungen, bezüglich der hiermit verbundenen Kosten, bezüglich der jeweiligen Auswirkungen auf die Höhe der Alt- und Ewigkeitslasten sowie bezüglich der Arbeit der Stiftung und der Entwicklung ihres Kapitalstocks. Ziel der Politik muss die Minimierung der Kosten des Steinkohlenbergbaus und eine gesicherte Finanzierung der Alt- und Ewigkeitslasten sein.

I. Standortbezogene Informationen (jeweils einzeln zu den Bergwerken West, Ost, Auguste Victoria, Prosper und Ibbenbüren)

1. Wie hoch waren die Kosten je geförderter Tonne Steinkohle seit dem Jahr 2004 (bitte um Auflistung für jedes Jahr aufgeschlüsselt nach den o. g. Bergwerken)?

2. Welche Förderkosten werden für die Zukunft erwartet (aufgeschlüsselt nach den o. g. Bergwerken)?