Situation der Bewährungshilfe

Die Bewährungshilfe in Hessen erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben zur Betreuung, Kontrolle und Integration der Straftäter sowie einen wichtigen Beitrag zur Wahrnehmung der inneren Sicherheit und Prävention.

Mit der Fülle von Aufgaben und steigenden Fallzahlen haben sich die Arbeitsbedingungen der Bewährungshilfe drastisch verschlechtert.

Vorbemerkung des Ministers der Justiz:

Es ist zutreffend, dass die Bewährungshilfe in Hessen wichtige Aufgaben wahrnimmt. Durch gesetzlichen Auftrag sind den Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfern Betreuungsaufgaben der ihnen Unterstellten zugewiesen. Daneben haben die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer auch eine Funktion der Strafrechtspflege inne: Sie müssen darauf achten, dass der Unterstellte die ihm vom Gericht erteilten Auflagen und Weisungen erfüllt.

Es ist nicht zu bestreiten, dass die Bewährungshilfe es mit einer schwierigen Klientel zu tun hat. Gerade aufgrund der oben geschilderten Doppelfunktion müssen die Bewährungshelferinnen und -helfer über großes Verantwortungsbewusstsein verfügen.

Der Bewährungshilfe gebührt daher für ihre schwierige Tätigkeit große Anerkennung.

Es ist noch nicht absehbar, ob die Anwendung der Elektronischen Fußfessel die Bewährungshilfe be- oder entlastet. Hierzu sind die Ergebnisse des Modellversuchs und insbesondere die Befunde der hierzu durchgeführten Begleitforschung abzuwarten.

Einerseits müssen die im Projekt tätigen Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer während der elektronischen Überwachung erheblich häufiger Betreuungsaufgaben (z.B. Hilfe bei Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche) in kürzeren Zeitabständen wahrnehmen. Hierneben haben sie auch die Einhaltung der durch das Gericht vorgegebenen Zeiten innerhalb eines Wochenplans zu kontrollieren und gegebenenfalls auf dessen Verletzungen zu reagieren.

Andererseits kann ein Ergebnis des Modellversuchs sein, dass die Selbsthilferessourcen des Probanden aktiviert werden, dieser eher eigene Initiativen ergreift und damit die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer von ansonsten notwendigen Unterstützungstätigkeiten entlastet.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie bewertet die Hessische Landesregierung die Situation der Bewährungshilfe?

In der Zeit von 1986 bis 1999 wurde die Anzahl der Planstellen der Bewährungshilfe im Rahmen der Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen von 173 auf 164 um neun Stellen abgebaut. Es ist nicht zu verkennen, dass die durchschnittliche Arbeitsbelastung der einzelnen Bewährungshelferinnen oder Bewährungshelfer einen hohen Grad erreicht hat. So bleiben bei einer Belastung mit 60 Probanden knapp drei Stunden Arbeitszeit pro Proband. Allerdings ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass in der Regel die notwendige Betreuungsintensität zu Beginn einer Bewährungszeit hoch ist, im Laufe der Betreuungsdauer aber abnimmt. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Hessen im Ländervergleich (Erhebung zum 31. Dezember 1999) mit einer Belastung von durchschnittlich 68,9 unterstellten Personen im Mittelfeld (81,2 in Baden-Württemberg und 58,2 in Brandenburg; Bundesdurchschnitt: 70,4) liegt, wird derzeit kein zwingender Handlungsbedarf gesehen.

Zur administrativen Erleichterung der Arbeit der Bewährungshilfe soll sie im Rahmen der beabsichtigen Modernisierungsmaßnahmen der hessischen Justizbehörden flächendeckend mit EDV-Anlagen ausgestattet werden, was auch dem Wunsch einer Vielzahl von Bediensteten entspricht.

Frage 2. Wie hoch ist die durchschnittliche Belastung pro Bewährungshelfer?

Nach den Erhebungen des Statistischen Landesamtes für das Jahr 1999 waren am 31. Dezember 1999 11.293 Personen der Bewährungshilfe unterstellt.

Bei 164 der Bewährungshilfe zugewiesenen Planstellen ergibt sich eine durchschnittliche Belastung von 68,9 Probanden pro Bewährungshelfer.

Frage 3. Wie hoch ist die Anzahl der Bestellungen?

Nach den Erhebungen des Statistischen Landesamtes für das Jahr 1999 wurden am 31. Dezember 1999 13.871 Unterstellungen gezählt. Bei 164 der Bewährungshilfe zugewiesenen Planstellen ergibt sich eine durchschnittliche Belastung von 84,6 Unterstellungen pro Bewährungshelfer. (Ein Proband kann in mehreren Verfahren einem Bewährungshelfer unterstellt sein.)

Frage 4. Wie hat sich die Zahl der Bestellungen bzw. die durchschnittliche Belastung pro Bewährungshelfer in den letzten Jahrzehnten seit Einführung der Bewährungshilfe entwickelt?

Die Zahlen der Tabelle sind auch in der anliegenden Grafik dargestellt (siehe Anlage 1).

Die Entwicklung der Unterstellungen von 1963 bis 1976 und von 1996 bis 1999 ist aus der beiliegenden Grafik (Anlage 3) ersichtlich, wie auch die Entwicklung der Zahl der unterstellten Personen seit 1977 (Anlage 2). Warum die Zahlen zwischen 1976 und 1992 nicht erfasst wurden, entzieht sich hiesiger Kenntnis. Zahlen und Daten aus den Jahren vor 1963 (Anzahl der

Unterstellungen in Hessen) bzw. 1977 (Zahl der Unterstellten) liegen nicht vor.

Frage 5. In welchem Umfang hat sich das Aufgabenspektrum der Bewährungshelfer in den letzten Jahren durch zusätzliche Aufgaben verändert?

Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer ist zuständig für die Betreuung und Überwachung der unterstellten Einzelpersonen.

Gemäß den Ausführungsbestimmungen (Runderlass des Ministeriums der Justiz vom 25. April 1996, JMBl. S. 216) zum Gesetz über die Organisation der Bewährungshilfe, der Gerichtshilfe und der Führungsaufsicht vom 25. September 1990, geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1994, hat die Bewährungshilfe folgende Aufgaben: "1.1 Die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer stehen den ihrer Aufsicht und Leitung unterstellten Verurteilten helfend und betreuend zur Seite. Sie überwachen im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen der Verurteilten. Sie berichten über deren Lebensführung in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. Gröbliche und beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen teilen sie dem Gericht mit. Das Gericht kann den Bewährungshelferinnen oder Bewährungshelfern für ihre Tätigkeiten Anweisungen erteilen (§§ 56 d, 68 a StGB; § 24 Abs. 3, § 25 JGG). Sofern die Vollstreckungsbehörden im Rahmen von Tilgungen uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit durch unterstellte Personen Bewährungshelferinnen oder Bewährungshelfer beteiligen (§ 9 der Verordnung über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit vom 20.8.91, GVGl. I S. 298), so erledigen diese die insoweit anfallenden Tätigkeiten nach Abstimmung mit der Vollstreckungsbehörde.

Werden die Bewährungshelferinnen oder Bewährungshelfer im Rahmen von gnadenweisen Strafaussetzungen bestellt, so gilt Nr. 1.1 entsprechend.

An die Stelle des Gerichts tritt die Gnadenbehörde.

Die Bewährungshelferinnen oder Bewährungshelfer können weitere sozialarbeiterische und sozialpädagogische Aufgaben übernehmen." Einzig die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit für unterstellte Personen wurde als zusätzliche Aufgabe in die Ausführungsbestimmungen aufgenommen. Dies war sachgerecht, um mögliche Doppelbetreuungen (Gerichtshilfe und Bewährungshilfe) zu vermeiden.

Im Übrigen ist das eigentliche Aufgabengebiet der Bewährungshilfe gleich geblieben. Verändert haben sich allerdings - analog zu den gesellschaftlichen Veränderungen - die Rahmenbedingungen. So ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für das in der Regel sozialschwache Klientel der Bewährungshilfe heute erheblich schwerer als noch vor 30 Jahren. Faktoren wie niedrige Schulbildung, mangelhafte Berufsausbildung, Langzeitarbeitslosigkeit, Suchtprobleme und Verschuldung reduzieren die Chancen auf dem heutigen Arbeitsmarkt.

Die Arbeit der Bewährungshilfe ist keine eng gefasste spezialisierte Tätigkeit. Sie setzt theoretisches und praktisches Wissen in zahlreichen Arbeitsgebieten und Lebensbereichen voraus. Als Beispiele seien hier nur die Schuldnerberatung, Drogenberatung, Kenntnisse der Rechtsgrundlagen, professioneller Umgang mit Menschen mit verschiedensten Problemen genannt. In einer sich stetig verändernden Gesellschaft steigt auch die Komplexität des Arbeitsbereiches.

Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten, das seit April 1998 in Kraft ist, ist der Kreis derjenigen Personen, der unter Führungsaufsicht gestellt wird, deutlich erweitert worden. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre kommen auf die Bewährungshilfe zumeist im Rahmen der Führungsaufsicht verstärkt Probleme im Umgang mit Sexualstraftätern und anderen Verurteilten zu, bei denen therapeutische Behandlungen durch die erkennenden Gerichte angeordnet wurden. In der Praxis kommt es bei der Umsetzung dieser gerichtlichen Beschlüsse zu teilweise erheblichen Schwierigkeiten, wenn die in diesem "Prozess" entscheidenden Faktoren, wie etwa die Einsicht des Verurteilten, versicherungsrechtliche bzw. sozialhilferechtliche Probleme oder die Bereitschaft eines niedergelassenen Therapeuten, den Verurteilten zu behandeln, auf einen Nenner gebracht werden müssen, was meist durch den Bewährungshelfer zu moderieren ist. Hierzu erhielten die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer unter anderem Hilfestellungen durch Erlasse, die die straf- und vollsteckungsrechtlichen Verfahrensweisen klarstellen.