Geruchsbelästigungen

In der Umwelt können Geruchsbelästigungen vor allem durch Luftverunreinigungen aus Lebensmittelfabriken, Tierhaltungsanlagen, Abfallbehandlungsanlagen, Chemieanlagen oder aus dem Kraftfahrzeugverkehr verursacht werden. Da Geruchsbelästigungen meist schon bei sehr niedrigen Stoffkonzentrationen und im Übrigen durch das Zusammenwirken verschiedener Substanzen hervorgerufen werden, ist ein Nachweis mittels physikalisch-chemischer Messverfahren in der Regel nicht möglich. Das geeignete „Messinstrument" für Gerüche ist die menschliche Nase, und die Frage, ob derartige Belästigungen als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, hängt nicht nur von der jeweiligen Immissionskonzentration, sondern auch von der Geruchsqualität (es riecht nach...), der Geruchsintensität, der Hedonik (es riecht angenehm, unangenehm, neutral), der tagesund jahreszeitlichen Verteilung der Einwirkungen u. a. ab. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass mit der Geruchshäufigkeit eine sachgerechte Beschreibung des Belästigungsgrades möglich ist. Sie lässt sich auch über eine Ausbreitungsrechnung ermitteln. In mehreren Schritten wurde zur Bewertung von Gerüchen seit den 1980er-Jahren die Geruchsimmissions-Richtlinie erarbeitet.

Auch Geruchsstoffe zählen zu den Luftverunreinigungen, vor denen das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) die Bürger schützt. Die Quellen von Geruchsbelästigungen sind vielfältig. Von Chemieanlagen, Mineralölraffinerien, Lebensmittelfabriken oder Tierhaltungsanlagen können ebenso belästigende Gerüche ausgehen wie vom Kraftfahrzeugverkehr, von Hausbrand und von landwirtschaftlichen Betrieben.

Die Geruchsimmissionsrichtlinie:

Die Beurteilung, ob eine Geruchsbelästigung im Sinne des BImSchG vorliegt und ob diese als erheblich anzusehen ist, erfolgt auf Grundlage der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL).

Diese Verwaltungsvorschrift wurde im Jahr 1993 vom damaligen Länderausschuss für Immissionsschutz (heute Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz [LAI]) verabschiedet und 1995 in Nordrhein-Westfalen für zwei Jahre zur Probe eingeführt. Ihr lagen Untersuchungen zugrunde, in denen erstmalig für Deutschland der Zusammenhang zwischen der Geruchsbelastung (Exposition), verursacht durch industrielle Quellen, und dem Belästigungsgrad von Anwohnern systematisch untersucht wurde. Es wurde ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen den beiden Größen Exposition und Belästigung gefunden, der zur Festlegung von Grenzwerten (Immissionswerten) geführt hat. Wesentlicher Parameter war die Geruchshäufigkeit, also die Häufigkeit des Auftretens erkennbarer Gerüche. So wurde für Wohn-/Mischgebiete eine zulässige Belastung von 0,10 entsprechend zehn Prozent der Stunden eines Jahres mit Geruch festgelegt. Für Industriegebiete wurde wegen des dort geringeren Schutzanspruches der Bevölkerung ein Wert von 0,15 entsprechend 15 Prozent der Jahresstunden mit Geruch festgelegt.

In den Jahren 1998 und 1999 wurde die GIRL aufgrund der bis dahin gemachten Praxiserfahrungen ergänzt und mit umfangreichen Auslegungshinweisen versehen, die die einzelnen Punkte der GIRL erläutern und auf mögliche Interpretationen hinweisen.

Da es aber immer wieder zu Diskussionen darüber kam, inwieweit die Geruchsintensität und die Hedonik (die Angenehm-Unangenehm-Charakteristik eines Geruches) die Belästigungsreaktion von Anwohnern beeinflussen, wurden in den Jahren 1998 bis 2001 umfangreiche Untersuchungen im Umfeld von ausgesuchten, Geruchsstoff emittierenden Industrieanlagen durchgeführt. Der Untersuchungsbericht wurde im Februar 2003 fertiggestellt. Es konnte gezeigt werden, dass eindeutig angenehme Gerüche ein deutlich geringeres Belästigungspotenzial aufweisen als neutrale/unangenehme Gerüche. Dagegen war die Geruchsintensität für die Belästigungswirkung weniger relevant: Gerüche können belästigend wirken, sobald sie erkannt werden können, d. h. ihre Qualität beschrieben werden kann, und/oder sie einem Verursacher zugeordnet werden können.

In die erste ergänzte und aktualisierte Fassung der GIRL vom 21. September 2004 wurde daher nur eine besondere Regelung für eindeutig angenehme Gerüche eingeführt, die deren geringeres Belästigungspotenzial berücksichtigt. Weitere Ergänzungen und Erläuterungen betrafen insbesondere die Einführung des TA-LuftAusbreitungsmodells AUSTAL2000 auch für die Geruchsausbreitung und die Berücksichtigung der europäischen Norm DIN EN 13725 „Luftbeschaffenheit

­ Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie".

Gerüche:

Auch nach Ergänzung und Aktualisierung der GIRL 2004 stellte die Beurteilung von Geruchsimmissionen, verursacht durch landwirtschaftliche Anlagen, in der Genehmigungs- und Überwachungspraxis immer noch ein besonderes Problem dar. Im Außenbereich ­ in dem die Landwirtschaft privilegiert ist ­ und in Dorfgebieten bestehen aufgrund der Vielzahl der landwirtschaftlichen Betriebe und steigender Betriebsgrößen kaum noch Entwicklungsmöglichkeiten. Selbst Erweiterungen bereits vorhandener Stallanlagen stoßen auf Widerstand. Erforderliche Abstände zu Wohnbebauungen können nicht eingehalten werden.

Genau an dieser Stelle setzte das Forschungsprojekt „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft" an. Das Ziel des Projektes bestand darin, die Grundlagen für ein spezifisches Beurteilungssystem für Geruchsimmissionen im Umfeld von Tierhaltungsanlagen auf der Basis von Belastungs- und Belästigungsuntersuchungen zu entwickeln. Die ermittelte Expositions-WirkungsBeziehung sollte auch hier Grundlage sein, um ggf. festzulegen, ab wann in Ergänzung zur GIRL aus dem Jahre 2004 mit einer „erheblichen" Belästigung durch Tierhaltungsgerüche im Sinne des BImSchG zu rechnen ist. Neben der Geruchshäufigkeit wurden erneut die Parameter Geruchsintensität und Hedonik mit erfasst.

Das auf drei Jahre ausgelegte Verbundprojekt der Länder Niedersachsen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen wurde vom LANUV koordiniert. Eine wichtige Grundlage bildete das badenwürttembergische Projekt „Wissenschaftliche Untersuchungen zur GIRL-Anwendung unter den speziellen Bedingungen der baden-württembergischen Schweineproduktion („GIRL-Projekt BW")". Die dort erhobenen Daten wurden in die Auswertung der Gesamtergebnisse einbezogen. In insgesamt elf Untersuchungsgebieten wurden die Geruchsbelastung und die empfundene Geruchsbelästigung, verursacht durch Hofstellen mit den Tierarten Rinder, Schweine und Mastgeflügel, erfasst.

Die Konzeption und Zielsetzung des Projektes war so ausgerichtet, dass nach Auswertung der Ergebnisse eine wissenschaftlich abgesicherte Beurteilung der Erheblichkeit der durch die typischen Tierhaltungsgerüche verursachten Belästigung von Anwohnern und Anwohnerinnen möglich ist.

Es ergaben sich folgende Schlussfolgerungen:

Mit steigender Geruchsbelastung durch landwirtschaftliche Gerüche (Geruchshäufigkeit in Prozent der Jahresstunden) nimmt auch der Belästigungsgrad der Anwohner zu. Dieser Expositions-Wirkungs-Zusammenhang ist statistisch signifikant.

Die nach Tierarten (Geflügel, Schwein, Rind) differenzierte Geruchsqualität ist immissionsseitig eindeutig wirkungsrelevant und sollte bei der Beurteilung der „Erheblichkeit" der Belästigung durch Geruchsimmissionen aus der Landwirtschaft berücksichtigt werden. Es ergeben sich signifikante Wirkungsunterschiede zwischen den untersuchten Tierarten. Die Geruchsqualität „Rind" wirkt kaum belästigend, gefolgt von der Geruchsqualität „Schwein" mit einer deutlich größeren Belästigungswirkung und der Geruchsqualität „Mastgeflügel" mit der stärksten Belästigungswirkung.

Zum Einfluss einer möglicherweise vorhandenen Ortsüblichkeit und/oder größeren Akzeptanz landwirtschaftlicher Gerüche, die nicht direkt messbar sind, konnten Anhaltspunkte ermittelt werden. So ist damit zu rechnen, dass „Zugezogene" stärker auf Änderungen der Geruchshäufigkeit reagieren als „Alteingesessene".

Aufgrund der einheitlichen hedonischen Klassifikation der Tierhaltungsgerüche (Geflügel, Schwein, Rind) als unangenehm hat sich der Parameter Hedonik im Rahmen des untersuchten Anlagenspektrums als nicht wirkungsrelevant erwiesen. Gleiches gilt für die Geruchsintensität.

Die Ergebnisse des Projektes „Geruchsbeurteilung in der Landwirtschaft" waren so eindeutig, dass die GIRL erneut überarbeitet und eine zweite ergänzte und aktualisierte Fassung vom 29. Februar 2008 mit einer Ergänzung vom 10. September 2008 herausgegeben wurde. Dabei stellte sich die Frage, wie das unterschiedliche Belästigungspotenzial der verschiedenen Tierarten in der GIRL berücksichtigt werden sollte. Wie bereits bei den angenehmen Gerüchen hat man sich entschlossen, mit Faktoren zu arbeiten, mit denen man die ermittelten Geruchshäufigkeiten multipliziert, bevor man sie mit dem Immissionswert vergleicht. Für die Tierarten Mastgeflügel, Schweine und Rinder wurden die in Tabelle 1.5-1 genannten Gewichtungsfaktoren festgelegt.