Mit Vorverlegung des Brutbeginns werden Mehrfachund Ersatzbruten häufiger
Einige Kurzstreckenzieher wie Hausrotschwanz, Bachstelze und Zilpzalp bleiben in milderen Wintern vermehrt in Nordrhein-Westfalen.
Mit Vorverlegung des Brutbeginns werden Mehrfachund Ersatzbruten häufiger. Auch Amphibien, zum Beispiel Grasfrosch und Erdkröte, laichen mit zeitigerer Erwärmung von Luft und Laichgewässer früher im Jahr ab.
In den letzten drei Jahrzehnten ist bereits eine deutliche Ausbreitung von mediterranen und submediterranen, Wärme liebenden Arten zu verzeichnen. Zahlreiche Beispiele gibt es bei Vögeln (z. B. Bienenfresser), Libellen (z. B. Feuerlibelle), Heuschrecken (z. B. Weinhähnchen) und Spinnen (z. B. Wespenspinne). Beginnend im Tiefland entlang der großen Flusstäler von Rhein, Sieg und Lippe ist die Ausbreitung einiger Wärme liebender Heuschreckenarten im Mittelgebirgsraum zu beobachten.
Von den 100 häufigsten Brutvögeln Nordrhein-Westfalens wird nach derzeitigem Kenntnisstand bei 20 Arten davon ausgegangen, dass Klimafaktoren einen größeren Einfluss auf Verbreitung (Areal) und Bestandsentwicklung haben als andere Umweltfaktoren (z. B. Nutzungsintensität). Abb. 7.2-6 zeigt als Ergebnis der Ökologischen Flächenstichprobe (ÖFS) die Bestandsentwicklung von 20 Wärme liebenden Brutvögeln im Vergleich zur Bestandsentwicklung der 100 häufigsten Brutvogelarten. Zwar weisen beide Kurven seit 2002 einen positiven Verlauf auf, jedoch steigt die Kurve der Wärme liebenden Arten bis 2008 deutlich stärker an. Bei den mit positiver Bestandsentwicklung auf die globale Klimaerwärmung reagierenden Vogelarten werden vor allem mildere Winter sowie höhere mittlere Durchschnittstemperaturen in den letzten Jahren als Ursache vermutet. Für einige Spätbrüter wie z. B. die Mehlschwalbe führen möglicherweise wärmere, trockenere und länger andauernde Sommer zu höherem Bruterfolg und damit zu positiven Brutbestandsentwicklungen.
Wärme liebende, gebietsfremde Arten (Neobiota) können sich z. T. erst durch die Temperaturerhöhung oder die Verlängerung der Vegetationsperiode etablieren, wie am Beispiel neophytischer Amarant- und Springkraut-Arten in der Rheinaue durch die GlobalChange-Arbeitsgruppe der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gezeigt wurde. Einige der neu etablierten Arten expandieren allerdings so stark, dass sie die einheimischen Lebensgemeinschaften nachhaltig verändern. Diese sogenannten invasiven Neobiota gefährden damit die heimische Biodiversität.
Biologische Vielfalt 7.2
Bestandsrückgänge von nordisch und montan verbreiteten Arten können bisher nicht eindeutig dem Klimawandel zugeordnet werden. Hier überlagern sich verschiedene Faktoren, neben den Klimawandelfolgen etwa Stickstoffeinträge, Versiegelung, Landnutzungsänderungen oder Verfolgung in den Überwinterungsgebieten (bei Zugvögeln). Mittel- bis langfristig hat der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften und es wird mit einer Veränderung der Biodiversität gerechnet. Das Biodiversitätsmonitoring NRW wird zukünftig die Auswirkungen der tatsächlich eintretenden Veränderungen dokumentieren. Die Ergebnisse liefern die Grundlage für Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen.
Wichtigste Instrumente der Anpassung und Kompensation der Klimawandelfolgen sind der Grünlanderhalt und die Wiedervernässung von Mooren, die die Entstehung klimaschädlicher Gase verhindern, sowie die Stärkung des überregionalen Biotopverbundes auf Basis des Netzes NATURA 2000. Der Biotopverbund berücksichtigt sowohl die Verbundachsen entlang der Flüsse als auch die bewaldeten Gebirgsregionen.
Das Schutzgebietsnetz ist im Hinblick auf die funktionale Vernetzung für die Bewohner der Wälder und des Offenlandes zu optimieren und auszubauen. Von MUNLV und LANUV werden die fachlichen Grundlagen erarbeitet.
Abbildung 7. Brachvogel, Braunkehlchen, Trollblume, gelbe Narzisse und viele andere Arten benötigen eine dauerhafte extensive Wiesen- oder Weidenutzung. Die Tier- und Pflanzenwelt der offenen Landschaften ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend verarmt. Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde es überdeutlich, dass der technische Fortschritt und der Strukturwandel in der Landwirtschaft diesen gravierenden Artenverlust verursachen.
Die Antwort darauf war und ist der Vertragsnaturschutz mit seinen Angeboten, extensivere und naturschutzangepasste Bewirtschaftungsweisen gegen finanziellen Ausgleich zu praktizieren und landwirtschaftliche Flächen zu pflegen. Mit den Bewirtschaftungsauflagen sollen die Standorte für gefährdete Pflanzen- und Tierarten sowie für schutzwürdige Biotope erhalten, verbessert oder geschaffen werden.
Schon im Jahr 1985 wurden das Ackerrandstreifenprogramm und das Feuchtwiesenschutzprogramm aufgelegt. Es folgten 1986 das Mittelgebirgsprogramm sowie 1990 das Streuobstwiesenprogramm. Diese Einzelprogramme wurden im Jahr 2000 in den „Rahmenrichtlinien Vertragsnaturschutz" zusammengefasst. Die Förderangebote wurden so durchschaubarer für Interessenten und Behörden und gleichzeitig wurde eine größere Flexibilität bei den Bewirtschaftungsauflagen eingeführt.
Seit Mitte der 1990er-Jahre werden zudem Agrarumweltmaßnahmen gefördert. Hierzu gehören beispielsweise der Ökologische Landbau, die betriebszweigbezogene Grünlandextensivierung, der Anbau einer vielfältigen Fruchtfolge auf der gesamten Ackerfläche, die Anlage von Blühstreifen oder von Uferrandstreifen.
Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, leisten auch diese Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität in den Agrarlandschaften.
Das Freiwilligkeitsprinzip und eine langjährige Zusammenarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft haben eine wachsende Akzeptanz für den Vertragsnaturschutz geschaffen. Dies und flexiblere Vertragsbedingungen sowie angepasste Fördersätze ließen die Förderfläche zwischen 2000 und 2006 um 98 Prozent auf knapp 25.000 Hektar anwachsen.
Die notwendige Konsolidierung des Landeshaushalts und das starke Engagement der Vorjahre bedingen seit 2007 eine Konzentration der Fördermittel auf naturschutzfachlich hochwertige Flächen und führen damit zu einem leicht rückläufigen Vertragsflächenumfang (Tabelle 7.2-4). Ein Teil der aus dem Vertragsnaturschutz ausscheidenden Flächen wie z. B. Streuobstwiesen und Hecken können seit 2007 über neue Förderinstrumente (Art. 57 der ELER-Verordnung) weiter finanziell unterstützt werden. Die Kriterien für die Mittelverteilung stellen sicher, dass biologisch hochwertige Flächen weiter gefördert werden können. Es scheiden vor allem Grünlandflächen aus der Förderung aus, die sich außerhalb von Schutzgebieten befinden und keine spezielle Bedeutung für den Schutz gefährdeter Arten aufweisen.
Die Fortsetzung der Verträge wird mehr als bisher auf die Kernbereiche des Naturschutzes, das NATURA2000-Netz, Naturschutzgebiete sowie gesetzlich geschützte Gebiete oder Vorkommen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten konzentriert. Neue Verträge werden in erster Linie zur Erfüllung der internationalen Verpflichtungen gemäß FFH-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie eingesetzt.
Der Vertragsnaturschutz und die Agrarumweltmaßnahmen werden im Rahmen des NRW-Programms „Ländlicher Raum" gefördert. Etwa 15.000 Landwirte in Nordrhein-Westfalen sind daran beteiligt. Der derzeitige Förderumfang beträgt rund 270.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Im Jahr 2008 wurden für diese Maßnahmen rund 57 Millionen Euro (EU-, Bundes- und Landesmittel und auch in geringem Umfang kommunale Mittel) ausgezahlt.
Biologische Vielfalt 7.2 auf eine nachhaltige und umweltgerechte Landwirtschaft, eine artenreiche Kulturlandschaft und die Produktion gesunder Lebensmittel ab.
Auch in der Waldwirtschaft gibt es Vertragsnaturschutzangebote. Im Rahmen des Waldbiotopschutzprogramms (seit 1994 „Warburger Vereinbarungen") werden Wert bestimmende Strukturen wie Alt- und Totholz oder eine standortgerechte Laubholzbestockung in besonders schutzwürdigen Waldnaturschutzgebieten gefördert. Die Förderung des Waldbiotopschutzprogramms bezieht NATURA-2000-Gebiete ein. Alternativ zur Förderung von Einzelmaßnahmen wird für die naturschutzgerechte Bewirtschaftung von Wäldern seit 2007 auch eine flächenbezogene Ausgleichszahlung angeboten. Zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen gemäß FFH- und Vogelschutzrichtlinie wurde der Vertragsnaturschutz im Wald dem Offenlandschutz gleichgestellt.
Die positiven Wirkungen freiwilliger Maßnahmen, wie bestimmter Agrarumwelt- und insbesondere der Vertragsnaturschutzmaßnahmen auf die biologische Vielfalt, sind seit vielen Jahren bekannt. Dies zeigen vor allem die gut dokumentierten und zahlreichen Erfolgskontrollen des Vertragsnaturschutzes. Die Beschränkung der Förderung auf naturschutzwürdige Flächen sichert die Zielgenauigkeit der Maßnahmen. Neben allgemeinen ökologischen Vorteilen wirken die erzielten Nutzungseinschränkungen wie z. B. der Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutzmittel, die Festlegung von Mahdterminen oder die Beschränkung der Tierzahlen auf den Weiden positiv auf die Artenvielfalt der Grünflächen.
Die Entwicklung der Artenvielfalt wurde auf Dauerbeobachtungsflächen vegetationskundlich untersucht.
In den Vertragsflächen des Mittelgebirges ergab sich bei guter Ausgangssituation bezüglich der Artenausstattung eine deutliche Zunahme typischer Grünlandarten. Auch die Zahl der Rote-Liste-Arten nahm zu.
Ähnliche Entwicklungen gab es in verschiedenen ostmünsterländischen Tieflandgebieten, die auch vor Beginn des Vertragsnaturschutzes schon vergleichsweise extensiv genutzt worden waren. Hier liegen wie in den Mittelgebirgsflächen die Artenzahlen pro Beobachtungsfläche bei deutlich über 25.
Die meisten Grünlandgebiete im Tiefland waren aufgrund der Melioration, der relativ intensiven Nutzung zu Beginn des Vertragsnaturschutzes, entsprechend artenärmer. Hier blieben die Artenzahlen auch nach über 14 Jahren Vertragsnaturschutz auf niedrigem Niveau. Das Potenzial der Grünlandarten, über größere Entfernungen hinweg wieder in ausgemagerte, artenarme Grünlandnarben einzuwandern, ist kaum noch vorhanden. Um die Entwicklung kraut- und artenreicher Grünlandflächen auch in ehemals intensiv bewirtschafteten Flächen des Tieflandes zu beschleunigen, bedarf es einer „Nachhilfe": Mahdgut artenreicher Flächen aus derselben Region soll auf ausgemagertes Grünland aufgebracht werden, um dieses mit Samen von gut entwickelten Flächen „anzuimpfen". Seit dem Jahr 2007 wird für dieses Verfahren eine Förderung im Vertragsnaturschutz angeboten.
Im Rahmen des regelmäßigen Brutvogelmonitorings der Biologischen Stationen in Verbindung mit dem Vertragsnaturschutz zeigt sich allerdings auch im Tiefland, dass zahlreiche Wiesenvogelarten von den Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes ganz besonders in Kombination mit einer Schutzgebietsausweisung eine positive Bestandsentwicklung aufweisen (vgl. Abbildung 7.3-3 und 7.3-4 in Kapitel 7.3). Externe Gutachter, die das NRW-Programm „Ländlicher Raum 20002006" bewertet haben, gehen davon aus, dass auch von Flächen, auf denen andere Agrarumweltmaßnahmen durchgeführt werden, positive Auswirkungen auf den Natur- und Artenschutz ausgehen. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt die Verringerung und der teilweise Verzicht auf Pflanzenschutz- oder Düngemittel im Rahmen dieser Maßnahmen (z. B. im Jahr 2006 ca. 230.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche). Biologische Stationen Wesentlich für den Erfolg des Vertragsnaturschutzes ist eine naturschutzfachlich kompetente Betreuung der Landwirte. Die Auswahl der Flächen, die Beratung zur naturschutzfachlich geeigneten Bewirtschaftung und die Beobachtung der Entwicklung von Vertragsflächen (Monitoring, Erfolgskontrolle) obliegen überwiegend den Biologischen Stationen. Neben dem Aufgabenfeld Vertragsnaturschutz arbeiten zurzeit 35 Biologische Stationen auch in anderen wichtigen Bereichen des praktischen Naturschutzes vor Ort.
Fazit und Ausblick
An den Roten Listen ist abzulesen, dass viele Arten in Nordrhein-Westfalen auch heute noch gefährdet sind.
Dennoch können erste Erfolge der nordrhein-westfälischen Politik zum Erhalt der biologischen Vielfalt vermeldet werden. Dies hat die Bewertung des Erhaltungszustands der Arten ergeben, die aufgrund der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie für den nationalen FFHBericht vorzunehmen war. Zahlreiche Fledermausarten wie Zwerg- und Wasserfledermaus, der wieder angesiedelte Biber oder die Groppe befinden sich in einem günstigen Erhaltungszustand.