Meine Philosophie ist dass gerade junge behinderte Menschen gute Möglichkeiten

Milan Kadlec, isb Ambulante Dienste gGmbH Eines unserer Ziele sind konsequent bessere Lebensbedingungen für behinderte und chronisch kranke Menschen. In Düsseldorf haben wir unsere Vision der Selbstbestimmung in die Tat umgesetzt. Das Besondere: Junge Menschen haben sich selber entschieden, hier zu leben, sie sind nicht vom Sozialamt geschickt worden. Und sie haben konkrete Vorstellungen davon, wie sie leben wollen und wie nicht.

Meine Philosophie ist, dass gerade junge behinderte Menschen gute Möglichkeiten brauchen.

Dann sind sie in der Lage, beim Wohnen, beim Einkaufen oder beim Arbeiten fast das Gleiche zu schaffen wie nicht behinderte Menschen. Wir befolgen das System „Beratung von Betroffenen für Betroffene". Anstelle des Wo kann ich dir helfen? lernen die Leute damit zu sagen Hilf mir mal.

Als behinderter Mensch muss man sehr oft warten, und das wollte ich in der Wohngemeinschaft ändern. Ich sitze selber im Rollstuhl und weiß, wie das ist. Dies ist der Wunsch des Initiators Milan Kadlec, Geschäftsführer der isb Ambulante Dienste gGmbH und seit einem Unfall selbst im Rollstuhl.

isb, die Abkürzung steht für Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung, und der Name ist seit 20 Jahren Programm. 2004 entdeckte Milan Kadlec das alte Autohaus im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk und fand es ideal für seine Ideen: groß und zentral gelegen. Wo ehemals Limousinen standen, befinden sich nun in vier Etagen helle und geräumige Mietwohnungen mit Gemeinschaftsbereichen, individuellen Zimmern mit ungewöhnlichen Schnitten und großen Loggien. Dank zinsgünstiger Darlehen des Landes für Gruppenwohnungen liegt die Miete weit unterhalb der Marktmiete.

Jung, aktiv und selbständig

Im Haus, bestehend aus vier großen Wohnungen, wohnen derzeit 15 Menschen mit erworbener oder angeborener körperlicher Behinderung oder chronischer Krankheit zur Miete. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind überwiegend jung und im Alter zwischen 20 und 34 Jahren, zwei auch älter. Neben einer reinen Männer-WG gibt es drei gemischte Wohngruppen. Die älteste WG lebt nun schon seit drei Jahren unverändert zusammen, die jüngste Gruppe seit einem Jahr. Das Angebot richtet sich an Menschen, die sich alleine im Rollstuhl bewegen können ebenso wie an dauerhaft Beatmete mit Assistenz ­ alle finden in der Wohngruppe die Möglichkeit zum selbstbestimmten Leben.Jeder und jede trägt zum Haushalt bei, was individuell möglich ist. Einkaufen, Kochen, Waschen, Putzen ­ all das gehört zu den Aufgaben, die alle mit oder ohne Assistenz bewältigen müssen. Hier wohnen Menschen, die sich ein Leben mit Gleichgesinnten gewünscht und genau das im familienähnlichen Zusammenleben einer Wohngemeinschaft gefunden haben.

Drum prüfe, wer sich lange bindet...

Damit das Zusammenleben gut klappt, ist es wichtig auszuloten, wer zusammen passt. Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieses Wohnprojektes leistet die isb durch ihre intensive Vorarbeit vor Abschluss eines Mietvertrages: Bevor die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner sich kennen lernen, haben die Verantwortlichen alle Bewerbungen gesichtet, mit allen Interessierten Kontakt aufgenommen und daraus eine erste Vorauswahl getroffen. Bei einem Tagesbesuch danach lernen sich die Interessierten untereinander kennen. Bevor ein Mietvertrag abgeschlossen wird, prüfen alle Beteiligten bei einem 14-tägigen Probewohnen, ob sie zusammenpassen. Erst danach entscheiden Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrer Assistenz und dem Träger isb gemeinsam, wer einziehen soll. Und auch die Bewerberinnen und Bewerber können noch einmal prüfen, ob das Leben in der Wohngruppe ihren Vorstellungen entspricht. Das Leben im ehemaligen Autohaus Düsseldorf zeigt: Wo Bewohnerinnen und Bewohner sich gut ergänzen, schaffen es Menschen mit unterschiedlicher körperlicher Behinderung, selbstbestimmt in einer Wohngemeinschaft miteinander zu leben.

Großzügig und barrierefrei bis ins Detail

Auf jeder der vier oberen Etagen findet sich eine Gruppenwohnung mit je vier Zimmern, zwei Bädern und einem Gemeinschaftsbereich zum Kochen und Zusammensein. Dazu gehört eine großzügige Loggia. Drei der geförderten Gruppenwohnungen sind 220 qm groß, eine mit 160 qm etwas kleiner. Alle Wohnungen sind barrierefrei. Behindertengerecht eingerichtet sind Badezimmer, Essbereich und Küche, z. B. mit einer elektrisch verstellbaren Küchenarbeitsplatte, gut erreichbaren Geräten und viel Bewegungsraum dazwischen.Jede Bewohnerin und jeder Bewohner stellt die Möbel für die 20-30 qm großen Zimmer mit individuellen Grundrissen persönlich zusammen. Wer aufgrund seiner Behinderung mehr Hilfsmittel braucht, wählt für sich eher ein größeres Zimmer. Die Mietkosten betragen ­ je nach Zimmergröße ­ etwa 380 warm. Dass sich immer zwei Bewohnerinnen und Bewohner ein geräumiges Badezimmer teilen, wird von vielen als positiv und hilfreich empfunden, da sie sich gegenseitig Hilfestellung geben können.

Auch der Keller ist durchgehend barrierefrei mit einer Rampe erschlossen. In den Wirtschaftsräumen stehen die Waschmaschinen und Trockner gut erreichbar auf Sockeln. Hier befinden sich ein Atelier und Sportgeräte für alle. Zur bedienungsfreundlichen technischen Ausstattung gehört ein Kartenschließsystem, das ein automatisches Öffnen und Abschließen der Eingangstüren ermöglicht.

Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich die Düsseldorfer Geschäftsstelle der isb Ambulante Dienste gGmbH, die auf Wunsch die Betreuung der Mieterinnen und Mieter übernimmt.

Überzeugtes Netzwerk

Ein Autohaus zu einem Mietwohnhaus für Menschen mit Behinderung umbauen: Diese innovativen Umnutzungspläne waren für die zu beteiligenden Behörden eine Herausforderung. Bauordnungsamt, die Bewilligungsbehörde für die soziale Wohnraumförderung und die Heimaufsicht haben nach anfänglicher Skepsis mit dem Träger an einem Strang gezogen.

Mit Engagement und Überzeugungsleistung ist es den Initiatoren gelungen nachzuweisen, dass der Umbau wirtschaftlich vertretbar und baurechtlich realisierbar ist und die in der sozialen Wohnraumförderung vorgeschriebenen Wohnflächen von maximal 50 qm pro Person in einer Gruppenwohnung eingehalten werden. Die Heimaufsicht war schließlich überzeugt von der Freiheit der Bewohnerinnen und Bewohner bei der Wahl ihres Dienstleisters.

Und so ist mitten im Zentrum von Düsseldorf das Leben barrierefrei anzutreffen. Mit dem gesamten Angebot, das eine Stadt zu bieten hat. Eine Fortsetzung des Projektes ist schon in Planung. Ein interkulturelles Haus für insgesamt 16 behinderte Menschen mit Migrationshintergrund ist im Düsseldorfer Stadtteil Wersten im Bau und soll 2010 bezogen werden.

Zahlen ­ Daten ­ Fakten Projekt Düsseldorf Wohngruppe, Linienstraße 70, 40227 Düsseldorf Projektart: Umbau zu barrierefreien Gruppenwohnungen im Geschossmietwohnungsbau Projektgröße und -ausstattung: 4 Gruppenwohnungen, davon 3 Wohnungen 220 qm und 1 mit 160 qm Sondereinrichtungen: Zentrale Wohnbereiche mit behindertengerechter Küche, Barrierefreiheit und rollstuhlgerechte Ausstattung auch im Untergeschoss, großzügige Loggien Besonderheiten: Höhenverstellbare Arbeitsflächen im Küchenbereich, höhenverstellbare Waschbecken in Badezimmern, Kartenschließsystem Bewohnerinnen und Bewohner: 15 behinderte, chronisch kranke und nicht behinderte Menschen Investor: isb Ambulante Dienste gGmbH, Wuppertal Architektur: k2 architekten Jürgen Kleid & Wolfgang Koehler, Wuppertal Jahr der Fertigstellung: 2007

Förderung: Darlehen der sozialen Wohnraum förderung Fördereffekt: Verringerung der Zinsbelastung, Miethöhe bei Erstbezug: 4,80 kalt/qm Sonstige Zuwendungen: Aktion Mensch