Jetzt steht der erste Bewohnerwechsel an das ist gerade schwierig

Gruppenwohnungen Köln „Marion Wölk, Petra Buhs-Schmalt, Mütter

Die Jungs haben lange gebraucht, um sich einzuleben. Aber nach der Anfangszeit war es klasse. Jeder hilft jedem. Sie sind sehr viel eigenständiger in der ganzen Zeit geworden. Wenn einer verschlafen hat, weckt ihn ein anderer und sagt: Hey, du musst arbeiten gehen, steh auf!

Wir hatten große Schwierigkeiten beim Finden eines geeigneten Mietobjektes. Zahlen fünf Mieter regelmäßig Miete? Der Vermieter wollte Sicherheit haben. Unser Betreuungsanbieter hat eine Lanze für das Projekt gebrochen und gesagt, wir stehen dahinter ­ und dann haben wir das gemeinsam hingekriegt und die Eltern haben die GbR gegründet. Zusätzlich besitzen wir auch einen Förderverein. Von den Beiträgen und Spenden bezahlen wir besondere Ausgaben: Das Sommerfest für die Freunde, einen gemeinsamen Ausflug oder eine besondere Anschaffung, die für alle nötig ist.

Jetzt steht der erste Bewohnerwechsel an, das ist gerade schwierig. Die Jungs müssen da durch, und die Eltern auch. Es ist nicht immer einfach mit fünf Eltern. Da gibt es auch mal Disharmonien. Aber das kriegen wir wieder hin! „ GbR-Gründung für eine ambulant betreute Wohngemeinschaft Freunde fürs Wohnen „Eine richtige Männer-WG, die wollen wir gründen.

Und dann zusammen wohnen!" Das überlegten sich die drei Freunde Alexander, Hendrik und Manuel. Ungewöhnlich daran ist, dass die drei Jugendlichen geistig behindert sind und noch zur Schule gehen. Ihre Eltern ­ und hier besonders die Mütter ­ unterstützen die Idee von Anfang an und suchen nach Wohnmöglichkeiten im stationären und ambulanten Bereich.

Von den Jugendlichen ist niemand körperbehindert.

Damit entfällt auch die Notwenigkeit für eine barrierefreie Wohnung. Aber es ist nicht einfach, Platz für drei Jugendliche in einer Wohngruppe zu finden. Daher suchen sie nach einer geeigneten Wohnung zur Miete.

Darlehen für die soziale Wohnraumförderung wurden bei diesem Projekt nicht eingesetzt. Es wird dennoch in dieser Broschüre vorgestellt, weil es eine nachahmenswerte Form der Eigeninitiative und der Selbstorganisation einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft aufzeigt.

Heute haben sie es geschafft Sie leben zu fünft in einem Einfamilienhaus im Kölner Norden. Ihre Wohngemeinschaft mit gemeinsamer ambulanter Betreuung ist nur möglich geworden, weil die fünf Bewohner mit ihren Eltern eine eigene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet haben.

Wichtig in solch einem Projekt ist, dass die Eltern mitziehen. Die Organisationsform einer GbR ist nur geeignet für Eltern und eine Betreuung, die sich langfristig binden wollen. „Es muss schon ein Stück zusammenpassen, das ist eine Voraussetzung. Von den Müttern wird viel Engagement verlangt" fasst eine der Mütter zusammen. Ein zusätzlicher Aspekt bei der Auswahl der Bewohner im Projekt. Alle finden heute, dass die Wohnform für die jungen Männer und auch ihre Eltern gut passt. Sie sind froh, dass sie gemeinsam bezahlbaren Wohnraum und einen engagierten Vermieter gefunden haben.

Eine GbR als sichere Organisationsform

Bis zum guten Anfang mussten sie einige Hürden überwinden: Durch ein Kontakt- und Beratungsangebot für geistig behinderte Menschen (KoKoBe) erfahren die Mütter, dass es ein altes Pfarrhaus zu mieten gibt und ein solches Projekt von der KoKoBe begleitet würde. Daher suchen die Eltern nach einer geeigneten Organisationsform, gemeinsam Wohnraum anzumieten. Zudem erfordert die ambulante Wohnform die Wahlfreiheit aller Bewohner hinsichtlich der Betreuungsanbieter und die strikte Trennung zwischen Mietvertrag und Betreuungsvertrag. Die gesuchte Rechtsform soll die Entscheidungen innerhalb der Wohngruppe regeln, die Einigung auf einen Betreuungsdienst ermöglichen und vor allem für die Bewohner und ihre Eltern viel Gestaltungsraum bieten. Monika Schneider von der Agentur für Wohnkonzepte wird hinzugezogen und rät den Eltern, eine GbR zu gründen. Mit dieser Rechtsform können Absprachen in der Gruppe verbindlich festgelegt und Verträge mit anderen abgeschlossen werden.

Im Gesellschaftervertrag legen sie in § 2 den Gesellschaftszweck fest: „Der Zweck der GbR besteht in der Aufnahme einerWohngemeinschaft für Menschen mit Behinderung und der gemeinschaftlichen Organisation von Unterstützungsleistungen. Die Gesellschafter verpflichten sich, alles zu diesem Zweck Notwendige zu unternehmen und sich hierzu wechselseitig nach Kräften zu unterstützen." Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, bei Stimmengleichheit entscheidet der geschäftsführende Gesellschafter.

Gemeinsam beschließen sie über die Auswahl eines Betreuungsdienstes, die Auswahl der gemeinsamen Wohnung, die Aufteilung der Räume und die Aufnahme und den Ausschluss von Gesellschaftern. Dieser Vertrag gibt die Sicherheit, dass das Wohnprojekt auch bei Bewohnerwechsel weiterhin Bestand hat.

Der entscheidende Schritt zur Gründung der GbR Villa WiV „Wohnen im Veedel" wird im Januar 2007 getan. Mittlerweile sind Philipp und Christian hinzugekommen. Da keine aufwendigen Umbauarbeiten am Gebäude nötig sind, steht dem Einzug der MännerWG im März 2007 nichts mehr im Wege.

Selbständig werden mit ambulanter Begleitung Jeder der fünf Bewohner hat ein eigenes Zimmer, das er selbst einrichtet. Die restlichen Räume werden als Gemeinschaftsräume genutzt. Im großen Wohnzimmer, das nach hinten zum Garten liegt, stehen ein Flipper, ein Kicker und Philipps Vogelkäfig. Wenn sich mal einer ärgert, dann kann er in den Keller gehen, wo ein Boxsack zum Abreagieren hängt. In der Küche und im Esszimmer hängen verschiedene Pläne, Zettel und Tafeln an den Wänden. Darauf wird festgehalten, wer welche Aufgabe übernimmt und wer wann dran ist mit dem Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen. In kleinen Zweier- oder Dreier-Teams erledigen sie ihre Arbeit.

Ein strukturierter Tages- und Wochenablauf erleichtert ihnen Vieles und verringert die Konflikte untereinander. Und die gibts wie in jeder Gemeinschaft von Zeit zu Zeit.

Den aktuellen Plan erarbeiten alle fünf Bewohner mit ihrem gemeinsamen Assistenten. Denn weil die individuelle Wahlfreiheit durch ein gemeinsam ausgeübtes Wahlrecht ergänzt wird, können sie als GbR einen Betreuungsvertrag für alle Bewohner abschließen. Diese Einigung auf einen ambulanten Dienst und einen Betreuer finden alle Beteiligten positiv. In ihrer Behinderung sind alle fünf sehr selbständig und nutzen unterschiedlich fixierte Fachleistungsstunden über die individuellen Heil- und Hilfepläne. Jeden Tag kommt ein Assistent und trainiert mit den Männern. Jeder erhält unterschiedliche Anleitungen zur Bewältigung des Alltags. Neben Kochen und Putzen geht es zum Beispiel um Hilfe beim Umgang mit Behörden, Begleitung bei Außenaktivitäten wie Einkaufen oder Bahnfahren oder bei der Bewältigung von Krisensituationen. „Praktisch dabei ist, dass sich jeder von den fünf Jungs mal dazu setzen kann, auch wenn es nicht seine eigene Trainingsstunde ist. So profitieren sie alle von den Inhalten des Einzelnen." Die Betreuungsstunden haben sie seit dem gemeinsamen Einzug schon reduziert. „Ich geh mal eben Parmesankäse kaufen". Und damit macht Alexander sich ganz selbstverständlich alleine auf den Weg zum Supermarkt.