Theaterlandschaft

In dieser Form die erste theatrale Auseinandersetzung zum Thema Demenz unter Mitwirkung von Betroffenen. Für Bühnenprofis wie Roland Silbernagl eine echte Herausforderung, denn Antworten und Wahrnehmung der Seniorenschauspieler variierten ständig. „Man muss noch stärker als mit Schauspielkollegen jederzeit wach für den Moment sein und unmittelbar reagieren", berichtet er. Aber genau das machte die Spannung des Theaterexperimentes aus. Und für die Zuschauer?

Sie kamen seit der Premiere im Jahr 2005 in Scharen, um sich auf die künstlerische Auseinandersetzung mit einem Thema einzulassen, das gleichermaßen schwierig wie lebensnah ist. Übrigens nicht nur in Moers.

Auch die Theater in Mülheim und Krefeld/ Mönchengladbach beteiligten sich an dem Projekt und zeigten das Stück auf ihren Bühnen.

Wertvolle Preise, haufenweise Lob und Einladungen von Schauspielhäusern aus der ganzen Republik heimste das innovative Theater-Experiment ein. Ob sich Erika Fiedler und Franszika Pia heute noch daran erinnern werden, ist nicht sicher. Wohl aber, dass die Arbeit ihr Leben ein Stück bunter und fröhlicher gemacht hat.

Voll im Leben Erika Fiedler ist eine mutige Frau. Weil sie sich mit knapp 90 Jahren und fortschreitender Demenz dennoch auf eine Theaterbühne stellte, um gegen das Vorurteil anzuspielen, altersverwirrten Menschen sei das Leben abhanden gekommen. Statt die Betroffenen über ihre Defizite zu definieren, will die Kampagne des Schlosstheaters deren Möglichkeiten aufzeigen. Das schließt scheinbar heikle Themen ein: „Hast du Angst vorm Sterben", fragte Frau Fiedler am Ende einer Vorstellung ihre Mitspielerin Franziska Pia. „Ach nee", winkte die ebenfalls Hochbetagte ab, „die anderen müssen ja auch mal gehen." 2005 begann das Schlosstheater Moers, sich dem Tabuthema Demenz auf ganz neue Weise zu nähern. „Erinnern ­ Vergessen: Kunststücke Demenz" heißt das Projekt, das zum Auftakt das Wagnis einging, demenziell veränderte alte Menschen und Profischauspieler gemeinsam auf eine Bühne zu stellen. Das Stück „Erinnern ­ Vergessen: Kunststücke Demenz" stärker in das Bewusstsein rücken. „Ich suchte finanzielle Unterstützung für ein Stück zum Thema Alter", erinnert sich Intendant Ulrich Greb an die Anfänge.

Mit der GSP ­ Gemeinnützige Gesellschaft für soziale Projekte mbH und dem Verein Lebens-Kunst e.V. fand er tatkräftige Partner für ein Kultur-Projekt, das weit über die Theaterbühne hinausgeht. Die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW, die Kulturstiftung des Landschaftsverbandes Rheinland und die Stiftung Altenhilfe der Stadt Moers unterstützen die Arbeit finanziell.

Voll im Leben Idee und Partner „Ich muss gucken, ob ich da bin" war der Startschuss zu einer bundesweit einzigartigen Kampagne, die künstlerische und soziale Initiativen mit dem Thema Demenz zusammenführte. Weitere Theaterprojekte mit Dementen, Ausstellungen, Lesungen und eine Filmreihe zum Thema folgten. Zwei eigens produzierte Dokumentarfilme beschreiben die Kampagne aus jeweils spezifischer Sicht. 2006 erhielt das Schlosstheater Moers, Deutschlands kleinstes Stadttheater, für sein Projekt „Erinnern

­ Vergessen: Kunststücke Demenz" den mit 10.000 Euro dotierten ersten Kulturpreis „NRW Ticket" für innovative Veranstalter aus den Bereichen Musik, Theater, Tanz und Kleinkunst. „Wenn die Leute nicht laufen gehen, bin ich ja schon froh. Ich bin ja nicht so was Dolles." Hildegard Schneider, demente Senioren-Schauspielerin im Stück „Ich muss gucken, ob ich noch da bin" „Aus dem Umfeld haben wir gehört, dass die Schauspieler viel fröhlicher sind und wieder mehr am Leben teilhaben." Regisseurin Barbara Wachendorf über die therapeutische Bedeutung der Theaterarbeit mit dementen alten Menschen „Das ist angewandter Technikunterricht", lobt Schulleiter Niklas Rahn.

Weitere Themen sind Yoga, Ernährungsberatung oder der richtige Umgang mit Taschengeld. Vermittelt werden die engagierten Freiwilligen im Alter von 20 bis 80 vom Centrum für bürgerschaftliches Engagement, kurz CBE.

Wir möchten Schüler motivieren, denen es oft an Selbstvertrauen fehlt", schildert Josef Godde sein Anliegen. Der pensionierte Personalleiter trainiert in den Nachmittagsstunden Bewerbungsgespräche und spornt die Jugendlichen immer wieder an. Für die 400 Schüler ist dieses ehrenamtliche Engagement eine ganz neue Erfahrung. „Sie erleben, dass andere Menschen etwas für sie tun. So lernen sie sehr früh soziale Kompetenz", erklärt Lothar Fink, Vorsitzender des CBE. „Den Schülern wird vermittelt: Hier geht es um dich." Und das ist für die jungen Menschen vielleicht ein Anstoß, in Zukunft ebenfalls etwas für andere zu tun und etwas von dem zurückzugeben, was sie bekommen haben. „Hier geht es um Dich" Wenn die Künstlerin Gisela Lentz die Hauptschule Bruchstraße in Mülheim besucht, hat sie immer Früchte dabei. Das Obst dient eigentlich als Motiv für Stillleben. Doch wenn die Schüler unruhig werden, dann spendiert sie schon einmal einen Apfel.

Was übrig bleibt, reicht allemal, um den Jugendlichen die Regeln der Malerei beizubringen. Ältere geben ihr Wissen an Hauptschüler weiter

­ dieser Aufgabe stellen sich neben der ehemaligen Folkwang-Schülerin mehr als fünfzehn weitere Freiwillige in der Ruhrgebietsstadt. „Ziel" heißt das Modellprojekt, das den jungen Menschen bessere Startchancen in ihr berufliches Leben bieten soll. Die „Lehrer", die ehrenamtlich an den Nachmittagen ihre Kurse leiten, greifen dabei auf ihre lange Lebens- und Berufserfahrung zurück: Die Künstlerin Gisela Lentz unterrichtet Malerei, die ehemalige Fremdsprachen-Korrespondentin Christa Held bessert die Englischkenntnisse ihrer Schützlinge auf und der Rentner Hans-Günter Schulz baut mit Sechstklässlern Modellflieger.

Das Projekt: „Ziel" - Senioren unterrichten Hauptschüler Kontakt Centrum für bürgerschaftliches Engagement CBE e.V.