Leistungserbringung durch den Pflegedienst

Rahmen der Leistungserbringung durch den Pflegedienst ist regelmäßig eine Evaluation der Pflege erforderlich. Hat der Pflegedienst diese Anforderungen nachvollziehbar erfüllt, kann er für Defizite, die z. B. durch nicht in Anspruch genommene Leistungen entstanden sind, nicht verantwortlich gemacht werden.

Rahmenbedingungen der individuellen Leistungserbringung

Im Rahmen der Qualitätsprüfung bei den Pflegebedürftigen wird eine Befragung zur Zufriedenheit mit dem Pflegedienst in verschiedenen Bereichen durchgeführt. Die Fragen können durch den Pflegebedürftigen und/oder durch die Angehörigen beantwortet werden. Befragungen der Versicherten zur Zufriedenheit sind aber nur bei einem Teil der Pflegebedürftigen möglich, da ein großer Teil der Pflegebedürftigen aufgrund der vorliegenden kognitiven Einschränkungen nicht in der Lage ist, Fragen zu beantworten. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass bei Zufriedenheitsbefragungen von älteren Menschen zur pflegerischen Versorgung meist sehr hohe Zustimmungs- und Zufriedenheitswerte ermittelt werden.

Dies gilt auch für die Ergebnisse aus den Qualitätsprüfungen. Als Begründung für die hohen Zufriedenheitswerte bei der Befragung wird in der Literatur die Abhängigkeit der befragten Personen von der zu beurteilenden Institution angeführt.

Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht hat Auswirkungen auf das Maß der Kritikäußerung. Nicht zuletzt wird ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation (Kriegs- und Nachkriegsgeneration) und sehr positiven Befragungsergebnissen beschrieben.

Bei der Befragung des Pflegebedürftigen im Rahmen der Qualitätsprüfung durch den MDK stehen Aspekte der Kontaktaufnahme des Pflegedienstes mit dem Pflegebedürftigen, der Ablauforganisation sowie die professionelle Haltung der Mitarbeiter im Vordergrund.

Bei den Befragungen im 1. HJ 2006 konnten je nach Frage bis zu 1.900 Personen einbezogen werden.

Im 1. HJ 2006 wurden bei der Leistungsplanung die Wünsche und Bedürfnisse fast immer (99,3 %) berücksichtigt. Auch wurde nach den Angaben der Versicherten bei 95,7 % ein Pflegevertrag abgeschlossen. Bei 92,2 % der Pflegebedürftigen wurden die vertraglich vereinbarten Leistungen durchgeführt. Dabei handelte es sich um den einzigen Wert bei der Zufriedenheitsbefragung, bei dem ein leichter Rückgang von einem bereits hohen Ausgangswert im 1. Bericht (93,0 %) zu verzeichnen war. Auch die vereinbarten Einsatzzeiten wurden nach Angaben der Pflegebedürftigen in 98,2 % der Fälle eingehalten. Nach Angaben der befragten Pflegebedürftigen wurde in 95,7 % der Fälle ein über3

Wingenfeld K (2003): Studien zur Nutzerperspektive in der Pflege. Bielefeld.

Görres S (1999): Qualitätssicherung in Pflege und Medizin. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle.4.3 Pflegedokumentation und Umsetzung des Pflegeprozesses

Bei der Prüfung durch den MDK wird mittels einer Analyse der Pflegedokumentation untersucht, ob die Schritte des Pflegeprozesses nachvollziehbar sind.

Dabei wird das Augenmerk neben akuten auch auf potentielle Gesundheitsgefährdungen gerichtet. Assessment-, Planungs- und Kontrollschritte sind zwingend von Pflegefachkräften zu erbringen. Es geht dabei u.a. um die Frage, ob aus der Pflegedokumentation die aktuelle Pflegesituation erkennbar ist, ob alle relevanten Probleme erkannt und Fähigkeiten sowie Ressourcen der Pflegebedürftigen dargestellt werden, damit sie bei der Leistungserbringung einbezogen und gefördert werden können. Weiterhin geht es um die Frage, ob die geplanten Pflegemaßnahmen handlungsleitend formuliert sind, damit jeder Mitarbeiter anhand der Angaben der Pflegedokumentation versichertenindividuell und angemessen die Leistungen erbringen kann. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, ob die Wirksamkeit der Maßnahmen regelmäßig überprüft worden ist und bei Bedarf Maßnahmen angepasst worden sind.

Insgesamt haben die ambulanten Pflegedienste bei der Pflegeplanung und Dokumentation erhebliche Qualitätsprobleme. Es zeigen sich zwar überwiegend leichte, bei einzelnen Kriterien auch deutlich positive Entwicklungen bei der Pflegedokumentation und der Umsetzung des Pflegeprozesses im Vergleich zu den Ergebnissen des 1. Berichtes. Dennoch zeigt sich auch bei den Ergebnissen im 1. HJ 2006 weiterhin ein deutliches OptimierungsPotential, da die Ausgangswerte des ersten Berichtszeitraumes überwiegend unter 50 % lagen. Vor diesem Hintergrund hat die von der MDK-Gemeinschaft erarbeitete „Grundsatzstellungnahme Pflegeplanung und Dokumentation" nach wie vor große Aktualität. Fast alle Versicherten (98,8 %) gaben an, dass die Körperpflege nach ihren individuellen Wünschen erbracht wird. Mit den hauswirtschaftlichen Leistungen des Pflegedienstes waren 97,7 % der Befragten zufrieden. Allerdings traf diese Frage im 1. HJ 2006 nur bei 582 der Versicherten zu, da offensichtlich nur ein kleinerer Anteil der Versicherten diese Leistungen in Anspruch nimmt.

Damit sind die Ergebnisse der Befragung der Versicherten im Vergleich zum 1. Bericht weitgehend konstant geblieben oder haben sich noch minimal verbessert. Auf die Beschreibung von Trendaussagen zu den einzelnen Befragungsthemen kann daher bei den Ergebnissen der Zufriedenheitsbefragung verzichtet werden.

Pflegezustand

Der Pflegezustand des Versicherten wird durch die Gutachter des MDK durch Beobachtung und Inaugenscheinnahme festgestellt. Es geht dabei im Wesentlichen um die Qualität grundlegender Kriterien wie Hautzustand, Mundzustand, Pflegezustand von Finger- und Fußnägeln, Haare und Frisur sowie die Versorgung mit Sonden, Kathetern und Inkontinenzprodukten. Ein nicht angemessener Pflegezustand ist dann gegeben, wenn bei einem der relevanten Kriterien ein Pflegedefizit festgestellt wurde, für das der Pflegedienst verantwortlich ist.

Bei 5,7 % der in die Prüfungen einbezogenen Pflegebedürftigen wurde ein unzureichender Pflegezustand festgestellt, der unmittelbar auf die Qualität der Versorgung durch den Pflegedienst zurück zu führen war. Bei 94,3 % der Personen war der Pflegezustand angemessen. Auch bei einem angemessenen Pflegezustand können aber Defizite in der Prozessqualität vorliegen (z.B. bei der Dekubitusprophylaxe). Im Fall einer drohenden oder eingetretenen Unterversorgung ist eine Informationsweitergabe an Dritte, z. B. den Hausarzt oder die Pflegekasse, erforderlich. Der Anteil der von geprüften Pflegediensten betreuten Personen, bei denen dieses Kriterium erfüllt ist, hat im Vergleich zum ersten Berichtszeitraum um mehr als 10 % zugenommen und lag im 1. HJ 2006 bei 56,9 %.

Der Pflegedienst ist verpflichtet, in den Bereichen, in denen er mit dem Pflegebedürftigen Leistungen vereinbart hat, ggf. erforderliche Prophylaxen durchzuführen. In den Fällen, in denen in der Pflegedokumentation keine Prophylaxen erwähnt worden sind, muss davon ausgegangen werden, dass diese nicht Gegenstand der Leistungserbringung durch den Pflegedienst waren. Damit ist die Gefahr vermeidbarer Schäden verbunden. Bei 53,0 % der Pflegebedürftigen waren erforderliche Prophylaxen in der Pflegeplanung erwähnt. Bei 47,0 % der Pflegebedürftigen fehlten solche Hinweise.

Bei 82,2 % der in die Prüfung einbezogenen Versicherten wurden die durchgeführten Maßnahmen nachvollziehbar dokumentiert. Bei 17,8 % bestanden Defizite in der Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen.

In den Pflegeberichten finden sich Angaben zu Veränderungen, Befindlichkeiten etc. Fehlen diese Angaben, wird der Pflegebericht in der Pflegedokumentation nicht als nachvollziehbare Verlaufsdarstellung und Informationsmedium genutzt. Bei 78,7 % der Pflegedokumentationen fanden sich regelmäßige Angaben. Bei 21,3 % der Versicherten wurde der Pflegebericht nicht nachvollziehbar als sinnvolle Verlaufsdarstellung genutzt. Im Vergleich zum 1. Bericht zeigt sich hier eine Verbesserung um 10,5 %. Situationsgerechtes Handeln bei akuten Ereignissen war bei 79,9 % der analysierten Pflegedokumentationen erkennbar. Das heißt, dass bei 1/5 der einbezogenen Personen z. B. bei Sturzereignissen oder anderen kritischen Situationen eine Ursachenanalyse oder eine Information an den Hausarzt nicht feststellbar war.

Hinsichtlich der Evaluation des Pflegeprozesses ist im Vergleich zum Erhebungszeitraum 2003 eine Verbesserung erkennbar. Dennoch liegt der Anteil der entsprechend den MDK-Prüfkriterien evaluierten Pflegeplanungen noch knapp unter 50 % (49,7 %).

Eine adäquate Pflegeanamnese/Informationssammlung war im 1. HJ 2006 bei 66,6 % der betreuten Pflegebedürftigen nachvollziehbar. Bei 33,4 % der Pflegebedürftigen fanden sich Defizite in der Pflegeanamnese/Informationssammlung.

Insbesondere bei der Pflegeplanung und Leistungserbringung gerontopsychiatrisch beeinträchtiger Pflegebedürftiger sind Angaben zur Biographie besonders relevant. Entsprechende Angaben lagen im 1. HJ 2006 bei 53,7 % der Pflegebedürftigen vor. Bei 46,3 % lagen biografische Angaben nicht vor. Dabei ist zu beachten, dass das Kriterium durch den Gutachter auch als erfüllt angesehen wird, wenn die Pflegebedürftigen nicht bereit oder in der Lage sind, dem Pflegedienst gegenüber biografische Daten mitzuteilen und dies aus der Pflegedokumentation nachvollziehbar ist.

Damit aktivierend gepflegt werden kann und die vorhandenen Fähigkeiten des Pflegebedürftigen gefördert werden können, ist neben der Erfassung und Dokumentation vorhandener Probleme sowie Defizite die Erfassung der Ressourcen und Fähigkeiten erforderlich. Im 1. HJ 2006 lagen entsprechende Informationen bei 51,2 % der in die Prüfung einbezogenen Pflegedokumentationen vor. Bei 48,8 % der Pflegedokumentationen war dieses Kriterium nicht erfüllt.

Pflegeziele wurden bei 44,7 % der einbezogenen Pflegebedürftigen individuell festgelegt. Bei 53,3 % fanden sich keine individuellen Pflegeziele. Ohne individuelle Pflegeziele ist aber eine zielgerichtete und planvolle, an den individuellen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen ausgerichtete Pflege kaum umsetzbar.

Bei der Planung der Pflegemaßnahmen in der ambulanten Pflege ist davon auszugehen, dass weiterhin häufig schematisch Pflegemaßnahmen oder abrechenbare Leistungskomplexe als Maßnahmen dokumentiert werden. Bei 48,4 % der Pflegedokumentationen wurden die Maßnahmen individuell auf den Pflegebedürftigen zugeschnitten geplant. In 51,6 % der Fälle wurden keine individuellen Pflegemaßnahmen geplant. Mitarbeiter der Pflegedienste können dabei aus der Pflegedokumentation nicht erkennen, wie die Maßnahmen konkret durchzuführen sind, welche Vorlieben, Gewohnheiten, Abneigungen und Besonderheiten beim Versicherten vorliegen, welche Fähigkeiten in die Leistungserbringung im Sinne der aktivierenden Pflege einbezogen werden können. Dies bedeutet nicht automatisch, dass die Mitarbeiter der Pflegedienste die Vorlieben, Fähigkeiten etc. nicht kennen. Es ist anzunehmen, dass jeder Mitarbeiter sich in einem aufwendigen und eher unstrukturierten Beziehungsprozess die Kenntnisse und Informationen sukzessive aneignen muss. Insbesondere bei geringer qualifizierten Mitarbeitern wird dies kaum auf ausreichender fachlicher Basis gelingen. Kontinuität kann so nur selten und wenn überhaupt dann nach längerer Anlaufphase erreicht werden. Alles in allem handelt es sich bei diesem weit verbreiteten Vorgehen sowohl um unfachliches als auch um unwirtschaftliches Arbeiten.

Im Rahmen der Maßnahmenplanung hat die Pflegefachkraft des Pflegedienstes auch zu dokumentieren, welche Maßnahmen durch andere an der Versorgung Beteiligte (Angehörige oder sonstige Pflegepersonen) erbracht werden.