Einzelhandel

Bestimmtheitsgebotes entscheidende Zusatz, dass fahrlässige Irreführung des Verbrauchers eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellt, die schlimmstenfalls bei Vorsatz den Vorwurf einer Straftat nach sich zieht. Nur durch die Umsetzung des Bestimmtheitsgebotes in gesetzlichen Regelwerken werden diese Sanktionen wirksam.

Beschwerdemöglichkeiten der Verbraucher Zweifelsohne ist der europäische Verordnungsgeber offensichtlich davon ausgegangen, dass der mündige und aufgeklärte Verbraucher die Angaben der Verpackung vor dem Kauf eingehend zur Kenntnis nimmt. D. h. ein solcher Verbraucher muss selbstverständlich davon ausgehen können, dass die Angabe zur Nennfüllmenge auf den Verpackungen korrekt ist und der Inhalt mit der ausgewiesenen Nennfüllmenge übereinstimmt. Gleiches gilt ebenfalls für die übrigen Kriterien, wie Aufmachung, Menge, Beschaffenheit und Herkunft etc. Der mündige und aufgeklärte Verbraucher muss sich spätestens dann getäuscht fühlen, wenn er z. B. Abweichungen zum Nenngewicht ermittelt, obwohl der Aufdruck auf der Verpackung etwas anderes verspricht.

Eine solche Überraschung ist den Herstellern von „Mogelpackungen" dann besonders gut gelungen, wenn die Umhüllung des Produktes den Blick auf den Inhalt verwehrt und eine größere Produktmenge vortäuscht. Selbstverständlich wird damit der aufgeklärte Verbraucher durch die Aufmachung des Fertigproduktes irregeführt. Die Beschwerdemöglichkeiten sind in ihrer Wirkung verschwindend gering, wenn nicht gar wirkungslos. Auffällig gewordene Mogelpackungen aus einem EU-Mitgliedsstaat sind über die zuständige Eichverwaltung dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zu melden, das dann die Problemfälle in der EU-Kommission vorträgt. Eine wunderbare Situation für den Hersteller von Mogelpackungen. Schlimmstenfalls werden von der Kommission milde Rügen ohne ordnungsrechtliche Konsequenzen für den Hersteller erteilt.

Möglichkeiten der Eichämter

Die in Deutschland zuständigen Eichverwaltungen handeln nach den geltenden Rechtsvorschriften (Eichgesetz, Eichordnung und Fertigpackungsverordnung etc.). Die Fertigpackungsverordnung stammt aus dem Jahre 1972 und wurde seitdem nicht dem Fortschritt in der Abfülltechnik angepasst.

Das Kernstück der Überwachungshandlungen ist die sog. auf dem Mittelwertprinzip basierende statistische Füllmengenkontrolle, die aus der statistischen Qualitätskontrolle stammt. Maximal 125 einzelne Fertigpackungen eines bestimmten Loses werden als Stichprobe einzeln gewogen, um den Mittelwert, die Standardabweichung und den oberen Vertrauensbereich des Mittelwertes zu bestimmen. Gleichzeitig werden im Rahmen dieser Überprüfung die Einhaltung von bestimmten Toleranzgrenzen (Tu1 und Tu2) überwacht.

Das statistische Verfahren begünstigt den Hersteller von Fertigpackungen, weil in Einhaltung der vorgenannten Toleranzgrenzen es dazu kommen kann, dass eine Tafel Schokolade mit 100g Nenngewicht 91g wiegen darf ­ also 9% weniger ­, ohne dass der Hersteller zur Rechenschaft gezogen werden kann.

17 Grenzen amtlicher Füllmengenkontrollen

Eine weitere Überraschung erlebt der Verbraucher insbesondere dann, wenn er feststellen muss, dass das erworbene Produkt in einer überaus großvolumigen Verpackung präsentiert wird. Zu seiner Verblüffung wird der Verbraucher häufig feststellen, dass Fertigprodukte nur zur Hälfte oder etwas mehr befüllt wurden.

18 Grenzen amtlicher Füllmengenkontrollen

Welche Möglichkeiten hat nun der mündige und aufgeklärte Verbraucher, wenn er feststellen muss, dass seine erworbene Fertigpackung deutlich weniger als das Nenngewicht enthält? Beschwert er sich beim Hersteller für die zu geringe Befüllung, bekommt der Verbraucher häufig ein freundliches Entschuldigungsschreiben und als Trostpflaster eine kleine Produktauswahl.

Eine Beschwerde des Verbrauchers beim zuständigen Eichamt löst in der Regel eine Nachkontrolle beim Hersteller aus. Werden dort Verstöße gegen die Fertigpackungsverordnung festgestellt, erhält der Hersteller einen Bußgeldbescheid. Die verhängten Bußgelder entsprechen in der Regel nicht den mit der Tat verbundenen Nachteilen der Verbraucher. Der Anreiz, künftig Unterfüllungen zu vermeiden, ist wegen der geringen Bußgelder in der Größenordnung von wenigen Hundert Euro sehr gering. Eine zeitnahe Nachkontrolle durch die Eichverwaltung ist wegen zu geringer Personalausstattung in der Regel nicht zu befürchten.

Die ordnungsbehördlichen Maßnahmen bedürfen eines eindeutigen Tatvorwurfs vor Gericht, der nur durch die aufwändige Ermittlungsarbeit des Eichamtes festgestellt werden kann. D.h., Unterfüllungen einzelner Packungen, die einem Verbraucher als untergewichtig auffallen, sind vor Gericht in der Regel nicht verwertbar. Der Zugriff auf die Charge, aus denen die vom Verbraucher beanstandete Verpackung stammt, ist in der Regel nicht möglich, da die Produkte bereits ausgeliefert bzw. verkauft wurden. Eine Situation wie beim Gammelfleischskandal: Der mündige und aufgeklärte Verbraucher hat das Beweisstück schon längst verzehrt.

Die notwendige Optimierung liegt in der Neugestaltung der rechtlichen Vorschriften, die folgende Punkte enthalten sollten: Bußgeldkatalog

Die Aufnahme des Bußgeldkataloges im Eichgesetz führt zu einer Verwaltungsvereinfachung bei den Amtsgerichten.

Ähnlich wie im Straßenverkehrsrecht wären dann für alle Beteiligten die Bußgeldhöhen für den gleichen Tatbestand einheitlich. Gerichte kommen einfacher und schneller zu einer Entscheidung.

Bußgeldhöhe

In Anbetracht der wirtschaftlichen Schäden für die Sozialgemeinschaft der Verbraucher und Schäden für die Wirtschaft durch Wettbewerbsverzerrung ist die Anhebung der maximalen Bußgeldhöhe von derzeit 10.000 EUR auf 250.000 EUR dringend geboten.

Aufmachung

Mit der Aufnahme des Rechtsbegriffs Aufmachung in § 7 Abs. 2 Eichgesetz könnten die Eichbehörden versteckte Preiserhöhungen nach Belieben durch geänderte Pakkungsgrößen sanktionieren.

Mindestmengenprinzip

Durch die Wiedereinführung des Mindestmengenprinzips ist eine erhebliche Effizienzsteigerung durch Wegfall statistischer Prüfverfahren zu erwarten. Die Wägung eines Produktes reicht i.d.R. aus, eine Unterfüllung nachzuweisen. Die Anzahl der überwachten Fertigpackungsarten kann bei gleichem Personalbestand um ein mehrfaches gesteigert werden. Dies wiederum führt zu einem höheren Überwachungsdruck, der die Beanstandungsquote senken wird. Die einfache Prüfbarkeit führt zu geringerer Gebühr je Fertigpackungsart und entlastet die Hersteller erheblich. Die Verbraucher erhalten mit jeder Packung das, wofür sie bezahlen.

Alle aufgeführten Maßnahmen haben zum Ziel, die zuständigen Behörden (insbesondere die Amtsgerichte und die Eichämter) zu entlasten, die Sanktionen in ihrer Wirksamkeit zu verbessern und damit einen besseren Schutz von Verbrauchern und fairen Handelspartnern zu gewährleisten.

Aufgrund zahlreicher, wiederkehrender Verbraucherbeschwerden und eigener Feststellung hat die Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen (AGME) in den Jahren 2002 und 2005/ 2006 bundesweite Sonderaktionen zur Marktüberwachung an Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge veranlasst.

Fazit: Bei Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge sind nach wie vor hohe Beanstandungsquoten die Regel. Gegenüber der Schwerpunktaktion in 2002 ist keine grundlegende Verbesserung eingetreten. Auch vor dem Hintergrund der erheblichen Preissteigerungen bei Fleisch und Käse fordern Verbraucher mehr eichamtliche Kontrollen.Verbraucher haben wenig Verständnis, wenn sie die bezahlte Menge nicht erhalten.

Bundesweite Schwerpunktaktion: Fertigpackungen ungleicher Füllmenge von Thomas Ueberall und Stefan Wember 19 Schwerpunktaktionen Fertigpackungen mit ungleicher Nennfüllmenge fallen in allen Bundesländern durch hohe Unterfüllungen zu Lasten der Verbraucher auf. Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge dürfen im geschäftlichen Verkehr nur „Netto" verkauft werden, d.h., die Gewichtsangabe muss ohne Verpackungsmaterial stimmen.

Die bundesweite Schwerpunktaktion im Jahre 2005/ 2006 zeigte kein wesentlich günstigeres Bild gegenüber der Schwerpunktaktion im Jahr 2002. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden in den Jahren 2005/2006 insgesamt 9173 Fertigpackungen kontrolliert. Von den 9173 Packungen wurden 708 Packungen mit Fleisch und 185 Packungen mit Käse als nicht verkehrsfähig beanstandet. Die Beanstandungsquoten lagen für beide Produktgruppen bei rund 10%; 9,6% bei Fleisch und 10,1% bei Käse. Im Jahr 2002 lag die Beanstandungsquote im Durchschnitt bei rund 12%.

Die überwachten Einzelhandelsgeschäfte mussten dann auf Weisung des Eichamtes die Produkte mit dem tatsächlichen Nettogewicht kennzeichnen. Hier hat der Verbraucher die Möglichkeit, das Gewicht der verpackten, ausgezeichneten Ware zu kontrollieren. Zeigt die Waage das gleiche Gewicht, wie auf dem Etikett ausgewiesen an, wird in rechtswidriger Weise die Ware „Brutto für Netto" verkauft, d.h., die Verpackung wird mitgewogen. Hinweise von Verbrauchern werden unter Schilderung des festgestellten Sachverhalts von allen Eichämtern verfolgt.

Unterfüllt? Ja, denn die Mengenangabe auf der Verpackung entspricht dem Bruttogewicht (inkl. Verpackung), d.h. die Verpackung wird unzulässiger Weise zum Fleischpreis verkauft.