pdf. Die übergreifende Bedeutung von Wahrnehmung und Bewegung kommt hierbei zum Ausdruck

Input Prof. Dr. Renate Zimmer

Die Bildungsvereinbarung NRW für den Elementarbereich umfasst vier Bildungsbereiche: b Bewegung b Spielen und Gestalten/Medien b Sprache(n) b Natur und kulturelle Umwelt(en).

Damit wurden die trägerübergreifenden Grundsätze über die Stärkung des Bildungsauftrags der Kitas beschlossen (www.

callnrw.de/php/lettershop/download/865/download.pdf).

Die übergreifende Bedeutung von Wahrnehmung und Bewegung kommt hierbei zum Ausdruck. Der Bildungsplan NRW vertritt die Überzeugung, dass Sprachförderung nicht ohne Bewegung auskommt. „Die Erzieherinnen nutzen die Tatsache, dass für die meisten Kinder Bewegungsgelegenheiten auch Redeanlässe sind. Sie sensibilisieren die Kinder ferner für die Zusammenhänge zwischen Sprache und Bewegung: In unserer Sprache finden sich viele Begriffe, die in ihrem Ursprung eine körperliche oder räumliche Orientierung oder Handlung beschreiben, später aber als abstrakte Begriffe verwendet werden".

Im Rahmen der Entwicklung und Umsetzung des Projektes „Bewegungs- und Gesundheitsförderung in Kindertagesstätten" wurden folgende Zielsetzungen verfolgt: b Sprachförderung durch Bewegung b Förderung der Sozialkompetenz b Stressbewältigung/Konzentration.

Im Projekt werden Beziehungen zwischen Bewegungshandlungen und Sprachhandlungen hergestellt. Das Sprachlernpotenzial, das in Bewegung steckt, wird bewusst herausgestellt.

Dazu werden Bewegungsaktivitäten gesucht und den Kindern zugänglich gemacht. D. h. es führen sowohl Bewegungsanlässe zu Sprachaktivitäten als auch umgekehrt Sprachaktivitäten zu Bewegungsanlässen führen. Bewegungsimpulse sind für die Sprachförderung förderlich. Dafür muss hinterfragt werden, welches Sprachlernpotenzial in Bewegungen steckt.

Die Untersuchung ergab signifikante Unterschiede beim Vergleich von reinen Sprachförderangeboten und einer bewegten Sprachförderung. Zwar lernen alle Kinder der Versuchs- und Kontrollgruppe hinzu, allerdings sind die positiven Effekte auf die Verbesserung der sprachlichen Fähigkeiten in der Versuchsgruppe deutlich größer. Es sei erwähnt, dass sich besondere Fördereffekte bei Kindern mit besonders hohem Förderbedarf bzw. besonderen sprachlichen Auffälligkeiten ergaben.

Praxisbeispiele

In der Kindertagesstätte an der Hanielstraße in Duisburg wird das durch die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen und den Gemeinde-Unfallversicherungsverband Hannover geförderte Projekt „Bewegte Sprachförderung" verwirklicht. Die Erzieherinnen Magdalena Kurzeja und Dagmar Leuker stellen zum einen ihre Einrichtung und zum anderen ihre Erfahrungen bei der Durchführung des Projekts zur „Bewegten Sprachförderung" vor.

Die Kindertageststätte wird von 100 Kindern aus elf verschiedenen Nationen im Alter von 3-6 Jahren besucht. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund liegt bei 89 %. Seit fünf Jahren (2002) findet eine Sprachförderung mit Sprachförderkräften statt. Die Kindertagesstätte ist seit drei Jahren (2004) ein „Bewegungskindergarten". Es wird das Konzept der „Offenen Arbeit" verwirklicht, d. h. es wird nicht nach Gruppen und Räumen geordnet, sondern nach den Interessen der Kinder. Vier Stammgruppen treffen sich morgens und mittags zum Stuhlkreis, ansonsten gibt es sechs Funktionsgruppen. Außer den Gruppenräumen stehen ein Ruheraum, ein Kreativbereich, eine Turnhalle und ein Außengelände zur Verfügung.

Die Sprachförderung ist Querschnittaufgabe im gesamten Angebot der Kindertagesstätte. Das Projekt zur bewegten Sprachförderung wird in den Kindertagesstättenalltag integriert. Hierfür treffen sich zweimal wöchentlich zwei Erzieherinnen mit zehn beliebig ausgewählten Kindern in der Turnhalle zu einer auf Sprache ausgerichteten Bewegungszeit. Die Erzieherinnen konzipieren gemeinsam die Bewegungsstunde, die speziell auf die Sprache ausgerichtet ist. Jede Stunde wird anschließend reflektiert. Die Zusammenarbeit unter den Kolleginnen ist dabei von großer Bedeutung.

Die Bewegungsstunden werden mit gleichem Aufbau aber unterschiedlichen Methoden durchgeführt. Begonnen wird mit einem Einleitungsspiel, darauf folgt der Hauptteil, den Schluss bildet ein erneutes Spiel.

Die Bewegungsstunden gehen von unterschiedlichen Anlässen aus, z. B. von: b Wortgruppen wie drüber, drunter, vor, hinter, oben, unten b einem Lied b den Sinnen b Materialien Bewegte Sprachförderung · · · · · „Das Sprachlernpotenzial, das in Bewegung steckt, wird bewusst herausgestellt. Dazu werden Bewegungsaktivitäten gesucht und den Kindern zugänglich gemacht."

· · · · · Arbeitsgruppen

Die Vorgehensweise wird von den Erzieherinnen selbst bestimmt. Es gibt Anregungen durch „Monatsbriefe" der begleitenden Universität.

In den Spielen geht es um den passiven und aktiven Wortschatz. Das Verständnis von Sprache und die aktive Bewältigung von Situationen und Handlungen werden zusammengefügt.

Die Unterschiede dieser Bewegungsstunden im Vergleich zu „normalen" Bewegungsangeboten im Kindertagesstättenalltag liegen darin, dass: b jedes Spiel einen Sprachakzent hat, b wesentliche Bereiche wie z. B. der Umgang mit Lauten und die phonologische Bewusstheit an Bedeutung gewinnen und in die Spiele integriert werden, b die sprachlichen Akzente in den Bewegungsstunden mehrmals wiederholt und in den Kinderalltag integriert werden.

Das Projekt kann institutionsunabhängig durchgeführt werden. Es bedarf keiner besonderen Ausstattung. Die Motivation der Erzieherinnen spielt bei der Durchführung des Projektes eine herausragende Rolle. Die Arbeit innerhalb des Projektes ist von dem Engagement und dem Ideenreichtum der Erzieherinnen abhängig, sie müssen sich ihrer Arbeit und den Zielen ihrer Arbeit bewusst sein. Dabei ist eine gute Zusammenarbeit aller Erzieherinnen wichtig, damit der Anspruch, Sprachförderung als Querschnittaufgabe zu verstehen, umgesetzt werden kann. Die gemeinsame Reflexion der Angebote ist von großer Bedeutung.

Ergebnisse:

In dem dargestellten Projekt beschränkt sich die Sprachförderung nicht nur auf die gezielten Bewegungsstunden, sondern sie zieht sich durch den gesamten Kindertagesstättenalltag.

Die Erzieher/Innen versuchen sich ihr eigenes Handeln und ihre eigenen Erfahrungen bewusst zu machen. Der bewusste Umgang mit der eigenen Sprache wird dabei herausgestellt.

Die vielen, schon bestehenden Orte der Sprachförderung, müssen „entdeckt" werden. Dies führt dazu, dass auch alltägliche Bewegungen der Kinder zusammen mit den Erzieher/ Innen sprachlich benannt und begleitet werden. Es kommt zu echten Dialogen zwischen den Erzieher/Innen und den Kindern; diese sind eine individuelle Förderung, die die Kinder ansprechen. Die Kinder werden aktiv am Prozess beteiligt.

Die meisten in Kindertagesstätten tätigen Erzieher/Innen verfügen über eine gute Ausbildung. Ihre Kompetenzen können durch Eigeninitiative und Fortbildungen noch erweitert werden. Die Arbeit der Erzieher/Innen muss transparent gemacht werden, um die Aufgaben und Anforderungen dieses Arbeitsbereiches zu verdeutlichen.

Forderungen für die Zukunft wären geeignete, die bewegte Sprachförderung betreffende Fortbildungsangebote. Um ein solches Konzept sinnvoll durchführen zu können bedarf es einer verbesserten personellen Ausstattung der Kindergärten, damit eine Förderung in Kleingruppen möglich ist.

Kooperationen und Austausch mit anderen Institutionen (z. B. Schule) sind erwünscht. Eltern sollten über Informationsveranstaltungen in die Arbeit eingebunden werden. Solche Gelegenheiten müssen genutzt werden, um Eltern für die Notwendigkeit der Sprachförderung zu sensibilisieren.

Input und Leitung Renate Zimmer Prof. Dr. Renate Zimmer ist Professorin für Sportwissenschaft an der Universität Osnabrück und leitet dort den Arbeitsbereich Sport und Erziehung. Seit 2008 ist sie darüber hinaus Leiterin des neu gegründeten Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung an der Universität Osnabrück. Ihr wissenschaftliches Interesse gilt vor allem der frühkindlichen Bewegungserziehung, der Psychomotorik, Motodiagnostik und der Bewegten Schule. Das offene Konzept bietet den Kindern die Möglichkeit, sich in ihrem eigenen Tempo zu entwickeln, ihre Bedüfnisse wahrzunehmen und durch Aktionen und Projekte nach ihren individuellen Fähigkeiten gefordert und gefördert zu werden.