Wer dem Antrag zustimmen möchte den bitte ich um ein Handzeichen

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. ­ Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir sind am Schluss der Beratungen.

Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/7786 abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. ­ Gegenstimmen? ­ Gibt es Stimmenthaltungen? ­ Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Abwesenheit des Kollegen Sagel angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7908. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen.

­ Gegenstimmen? ­ Stimmenthaltungen? Bitte schön, Frau Kollegin.

Barbara Steffens (GRÜNE): Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren! Ich weiß, gleich wird wahrscheinlich wieder das Argument kommen, es geht um einen Antrag, der sich mit dem Haushalt befasst und deswegen beschäftigen wir uns jetzt nicht damit.

Ich will Ihnen aber sagen, warum es wichtig ist, dass wir uns heute und hier mit diesem Antrag befassen. Im Laufe der ganzen Diskussion um die Streichung des Wohnungslosenprogramms ist uns klar geworden: Zwei immer wieder genannte Gründe sind die Ursache dafür, warum man das Programm streicht. Beide Gründe stimmen einfach nicht. Zu diesem Programm gibt es unheimlich viel Unwissenheit. Scheinbar weiß niemand mehr, warum das Programm entstanden ist. Deswegen glaube ich, die Diskussion darüber ist sehr wichtig, damit auch Sie als Regierungsfraktionen noch die Kehrtwende hinbekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Programm ist 1996 an den Start gegangen, und zwar nicht als zeitlich befristetes Modellprogramm, sondern als Programm, das in sich Modelle beinhaltet. Alle Kommunen sollten immer wieder abwechselnd in den Genuss von Modellprojekten kommen können. Die Kommunen haben gesagt, sie wollen für von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen nicht zu viel Gutes machen, weil diese dann in die entsprechenden Kommunen kommen. Nur wenn alle Kommunen in Nordrhein-Westfalen gute Projekte machen, ist es ausgewogen und ausgeglichen. Deshalb wurde genau dies auf den Weg gebracht.

Modellprojekte in 43 Kommunen sind ein superguter Schnitt. Der Personenkreis verändert sich aber. Wir haben andere Bedarfe.

Schauen wir uns an, mit welchen Begründungen dieses Programm eingestellt werden soll: Die erste immer wieder genannte Begründung ist, es war ein Modell. Ich habe gerade schon einmal gesagt, es war nie ein befristetes Programm. So war es nie vorgesehen. Der zweite genannte Grund ist, es seien weniger Obdachlose.

Dazu möchte ich kurz etwas vorlesen: Die anhaltend rückläufigen Obdachlosenzahlen sind aber kein Anlass zur Entwarnung. In der Statistik werden lediglich Personen, die in städtischen Notunterkünften leben, erfasst. Entsprechend gibt es eine hohe Dunkelziffer. Außerdem bleiben die Menschen unberücksichtigt, die vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind. Die anhaltend hohe Zahl der Haushalte mit Mietschulden und die Räumungsklagen sind Indizien für die anhaltende Dynamik der Entwicklung. ­ Der letzte Satz lautet: Perspektivisch wird es ansteigen.

Das stammt nicht aus einem Grünen-Flugblatt, sondern es stammt von der Homepage des Ministeriums. Das Ministerium selbst stellt das Programm mit der Begründung ein, es wäre kein Problem mehr. Auf der Homepage steht, es gibt keine Entwarnung, die Zahlen werden steigen, und es gibt eine anhaltend hohe Dunkelziffer. Das Argument trifft also überhaupt nicht zu. Wir haben das Problem und werden es auch in der Zukunft haben. Wir haben eine Veränderung in der Zielgruppe.

Auch die Enquetekommission, die gestern wieder beim Heimgesetz zur Zukunft der Pflege so gelobt worden ist, hat festgestellt, es gibt neue Gruppen, die in diese Obdachlosigkeit hineinkommen, nämlich die Personengruppe der älteren Menschen mit Hilfs- und Pflegebedarf. Für diese Gruppe brauchen wir neue Ansprachen, neue Programme und Projekte.

In der Enquetekommission haben wir fraktionsübergreifend gemeinsam beschlossen, hierzu neue Initiativen und Modelle im Rahmen des Programms zu initiieren. Jetzt kommt das Ministerium plötzlich daher und sagt:

Erstens. Wir haben keine Probleme mehr, die Statistiken sind besser, auch wenn auf unserer Homepage etwas anderes steht.

Zweitens. Das Modellprojekt ist ausgelaufen.

Drittens. Was auch immer wir sonst irgendwo gesagt haben, gilt nun nicht mehr.

Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren.

Wir brauchen eine Weiterentwicklung dieses Modellprojekts. Wir müssen es auch mit finanziellen Mitteln absichern. Es ist unsere Landesaufgabe, kommunenübergreifend Modellprojekte anzuschieben und Lösungen für die neuen Zielgruppen und die neuen entstehenden Probleme mitzufinanzieren und auf den Weg zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde es hanebüchen, dass ein Ministerpräsident Schirmherr von einem solchen Projekt und seine einzige Funktion als solcher die ist, selbst einen sozialen Touch abzubekommen. Die Menschen an einer solchen Stelle im Regen stehen zu lassen und kein Geld in die Hand zu nehmen, ist zynisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch wenn er nicht anwesend ist, möchte ich an den Ministerpräsidenten appellieren, dass er seine Schirmherrschaft wirklich ernst nimmt.

(Beifall von den GRÜNEN) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. ­ Als Nächster hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Kern das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Walter Kern (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wohnungslosen zu helfen und ihnen beizustehen ist eine herausfordernde Aufgabe. Der heutige Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen versucht zu suggerieren, dass es den Menschen in Nordrhein-Westfalen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind, zukünftig schlechter geht.

Seit zwölf Jahren wurden mit dem Programm „Wohnungslosigkeit vermeiden ­ dauerhaftes Wohnen sichern" Projektansätze und Konzepte von Kommunen und der freien Wohlfahrtspflege zur Weiterentwicklung bei Wohnungsnotfallhilfe unterstützt. Von Anfang an, schon zu Zeiten der rotgrünen Verantwortlichen in unserem Land, war der Topf so angelegt ­ da muss ich Ihnen ausdrücklich widersprechen ­, dass er wie eine Anschubfinanzierung zur Weiterentwicklung der Hilfen für Wohnungsnotfälle wirkt.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

In diesem Kontext frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, wie lange für Sie eine Anschubfinanzierung zeitlich geht. Sollen wir weiterhin anschieben oder die Aufgabe als festen Posten im Landeshaushalt zementieren? Festzuhalten bleibt, dass es ausschließlich eine kommunale Aufgabe ist, sich um Wohnungslose zu kümmern.

(Beifall von der CDU)

Es bleibt ebenso festzuhalten, dass aus dieser zwölfjährigen Phase und den 130 geförderten Projekten viele Anregungen für örtliche Verantwortungsebenen entwickelt werden konnten. Das ist gut.

Trotzdem gilt: Die Bekämpfung der Obdachlosigkeit wird in Nordrhein-Westfalen wie in allen anderen Bundesländern von den Kommunen ohne Landesmittel erfüllt. Das ist auch sehr begründet und hat nicht nur etwas mit Finanzierung zu tun. Denn je näher die Entscheider bei der Betreuung von Obdachlosen am Aufgabenfeld vor Ort in den Gemeinden sind, umso besser können sie auch im Einzelfall entscheiden und helfen.

(Beifall von der CDU ­ Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Seit 1996 wurde Modellprojekte entwickelt, von denen durchaus einige für die Zukunft kopiert werden sollten. Nach meinen Informationen sollen BestPractice-Beispiele demnächst in einem Handbuch veröffentlicht werden. Dies gibt den Kommunen die Möglichkeit, sich den Anforderungen ihrer Sozialräume anzupassen ­ und dies auf bereits erprobten Wegen. Das Programm „Wohnungslosigkeit vermeiden ­ dauerhaftes Wohnen sichern" wird zurzeit von 16 Städten genutzt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Weil keine mehr genehmigt worden sind!)

Dieses Programm wird nicht einfach eingestellt, meine Damen und Herren. Es läuft aus. Das heißt aber auch, einmal begonnene Projekte werden fortgesetzt bis zum jeweiligen Projektende. Wenn wir die Förderung 2009 auf ein bundesweit übliches Niveau angleichen, sorgt dies auch für gleiche Bedingungen im Land Nordrhein-Westfalen.

Präsidentin Regina van Dinther: Herr Kern, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Steffens?

Walter Kern (CDU): Nein.

Durch die Erfahrung der Projekte der letzten Jahre in den Kommunen können alle Bürgermeister und Oberbürgermeister auf einer guten Erfahrungsbasis dafür sorgen, dass die Vermeidung und Reduzierung von Obdachlosigkeit weiterhin im Land mit großem Engagement vorangetrieben werden kann.

(Beifall von der CDU)

Mit dem erfolgreichen Programm sind die Grundlagen geschaffen worden, wohnungspolitische Ziele in der kommunalen Wohnraumversorgung mit sozialpolitischen und städtebaulichen Konzepten zu verknüpfen. Auch hier ist Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren erfolgreich gewesen. Seit dem Start des Programms ist die Zahl der Obdachlosen ­ das müssen wir hier objektiv festhalten ­ zurückgegangen. Nach Angaben des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik wurden im letzten Jahr rund 70 % weniger obdachlose Menschen verzeichnet als 1996. Da ist es richtig, dass wir nun die gesammelten Erfahrungen umsetzen. Weitere Erprobungen benötigen wir nicht mehr.

Erfreulich ist an dieser Stelle übrigens der Rückgang der Obdachlosigkeit ­ das freut mich besonders ­ bei kinderreichen Familien. Sie konnte sogar um 78 % reduziert werden. Das heißt nicht, dass wir uns ausruhen können. Jeder Mensch, jede Familie ohne ein Dach über dem Kopf, ohne ein Zuhause, braucht Hilfe mit Maßnahmen, die wir weiterhin fördern und unterstützen. Ich darf hier auf Kapitel 15 055 und die entsprechende Titelgruppe 60 verweisen.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, wurde die bisherige Wohnungsnotstatistik im vergangenen Jahr weiterentwickelt und beinhaltet nun auch die von Wohnungsnot bedrohten Personen und strukturelle Hintergrundinformationen. Auch hier erhoffen wir uns in Zukunft Informationen, um noch besser dem Phänomen Wohnungslosigkeit begegnen zu können.

Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Ab 1. Januar 2009 werden durch die Wohngeldreform wieder mehr Menschen wohngeldberechtigt sein, die durch die Harz-IV-Reform 2005 vom Wohngeldbezug ausgeschlossen wurden. Wer hatte das eigentlich beschlossen? Es ist jedenfalls gut, dass es ab

1. Januar wieder besser ist.

Die Bekämpfung der Obdachlosigkeit ist eine kommunale Aufgabe, denn da ist sie in den richtigen Händen. Die Einzelfallförderung des einzustellenden Programms war nie flächendeckend für Nordrhein-Westfalen gedacht, sondern von Anfang an auf einzelne Standorte und Projekte bezogen und befristet angelegt. ­ Ich danke Ihnen. Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Kern. ­ Für die SPD-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Killewald.

Norbert Killewald (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Sehr geehrter, leider abwesender Herr Schirmherr Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers!

(Lothar Hegemann [CDU]: Tolle Anrede!)

­ Danke schön für das Kompliment.

Im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration haben wir diesen Punkt im Rahmen der Haushaltsberatungen schon behandelt. Das Verhalten von Minister Laschet, der vermitteln wollte, alles sei gut und das Aufgabengebiet ­ so wiederholte er nach einem Jahr ­ sei in besten Händen bei ihm, lassen den Schluss zu, Frau Kollegin Steffens, dass es sehr richtig war, diesen Antrag zu stellen, um im Plenum das Thema noch einmal aufs Parkett zu heben. Das schreiben die Beschäftigten. Das schreiben die betroffenen Stellen.

Werter Kollege Kern, wer sagt, die Modellprojekte laufen aus, ohne zu verkennen, dass die gesamte Vernetzung der letzten Jahrzehnte, insbesondere der letzten zwölf Jahre, über diese Geschäftsstelle und damit über diese zweieinhalb wissenschaftlichen Stellen gelaufen ist, der kann nicht sagen, es würde sich nichts verändern, und eigentlich hätten die Kommunen die Aufgabe. Sie tun so, als würde alles gut bleiben. Diese Argumentation verstehe ich wirklich nicht mehr. Ich finde das blauäugig, und ich finde es verantwortungslos.

Man kann in den Antworten auf die Fragen 61 bis 63 zur Haushaltsanhörung des Haushalts- und Finanzausschusses deutlich nachlesen, was die Fachwelt sagt. Sie spricht eine ganz andere Sprache als die Beruhigungsversuche der Regierungsfraktionen und des Ministers Laschet im Ausschuss, ganz anders.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich möchte hier nochmals betonen, was auch Frau Steffens gesagt hat: Ich finde es beschämend, wenn jemand Schirmherr spielt und es nicht wirklich erfüllt.

Ich will einmal sagen, was bei Wikipedia unter dem Begriff Schirmherr steht, denn daran wird das Bloßstellen des Ministerpräsidenten deutlich. Dort heißt es: „Als Schirmherr...