Altenpflege

Bekanntlich ist die Altenpflege ein manchmal schöner, aber eben auch ein sehr belastender Beruf.

Das liegt vor allem an der Bevölkerungsstruktur, an der Zunahme an älteren, kränkeren und pflegebedürftigeren Menschen. In gut 60 % der Fälle kommt eine Demenzerkrankung bei den Betroffenen dazu.

Diese sind besonders betreuungsintensiv.

Nach meiner Erkenntnis liegen seit der Studie von Becker und Meifort aus dem Jahre 1998 zwar keine aktuellen Studien zum Berufsverbleib in der Altenpflege vor. Wenn aber in den nächsten Jahren die Anzahl junger Menschen, die für eine Ausbildung infrage kommen, weiter abnimmt, wird die Suche nach Ausbildungsinteressierten nicht leichter. Umso wichtiger ist es, sich für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Hier stehen die Träger in besonderer Verantwortung. Ein kooperativer Führungsstil und eine Unternehmenskultur, die sich durch Offenheit für die Probleme der Mitarbeiter auszeichnet, können entscheidend zur Stressreduzierung beitragen. So etwas wie Supervision ist wichtig, betriebliche Gesundheitsfürsorge für die Pflegenden, all das sind Dinge, die die Träger sehr unterschiedlich umsetzen, und wo natürlich Sie gefordert sind, ihre Fachkräfte möglichst lange zu erhalten.

Besonders in Nordrhein-Westfalen ­ letzte Woche ist bekannt geworden, dass nirgendwo in Deutschland so viel für einen Pflegeplatz aufgrund der hohen Personalkosten gezahlt wird ­ ist der Träger in der Verpflichtung, sein Personal auf die Aufgabe entsprechend vorzubereiten und präventiv einzuschreiten. Das ist aus meiner Sicht weiter ausbaufähig.

Wenn Träger hier keine Verantwortung zeigen und auch die Ausbildung von Nachwuchskräften nicht ernst nehmen, werden sie es natürlich schwer haben, in Zukunft Fachkräfte zu finden. In erster Linie werden diejenigen verantwortungsvollen Arbeitgeber auch in Zukunft genügend Fachkräfte haben, auf die sie zurückgreifen können, die diese Dinge ernst nehmen. Es ist wichtig, die Verantwortung zunächst einmal bei den Trägern zu sehen, dass sie mit den Arbeitnehmern vernünftig umgehen ­ im Interesse der zu Pflegenden, aber eben auch, um Fachkräfte langfristig zu behalten.

Es wird auch darum gehen, Pflegebedürftigkeit insgesamt zu vermeiden. Pauschal nur mit einer Umlage den Notstand bekämpfen zu wollen, ist nicht der passende Weg, dem angehenden Problem wirklich Herr zu werden. ­ Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. ­ Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde Sie gerne auf ein Problem zu unserer Tagesordnung aufmerksam machen. Die Fraktionsgeschäftsführer hatten sich darauf verständigt, dass in der Fragestunde die Mündliche Anfrage 286 des Abgeordneten Becker vorgezogen wird, weil der Wunsch besteht, dass der Finanzminister diese Frage direkt beantwortet. Der Finanzminister hat mir gerade mitgeteilt, dass er heute Abend um 20 Uhr die Finanzministerkonferenz eröffnen muss, weil er deren Vorsitzender ist.

Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen ­ wir können so ziemlich alles beschließen, aber nur, wenn wir einvernehmlich handeln ­, dass wir nach Ende des Tagesordnungspunkts 6 ­ das ist der, den wir jetzt behandeln ­ den Tagesordnungspunkt 9 aufrufen, und zwar nur die Mündliche Anfrage 286, die der Abgeordnete Becker gestellt hat. Das wäre dann Teil 1 der Fragestunde. Teil 2 würden wir später aufrufen. Nach der Beantwortung der Frage von Herrn Becker würden wir mit dem Tagesordnungspunkt 7 weiter machen. Widerspricht dem jemand? ­ Das ist nicht der Fall. Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich darf die Parlamentarischen Geschäftsführer bitten, dass sie ihre Fraktionen darüber informieren, dass wir nach Ende des Tagesordnungspunktes 6 den einen Punkt aus der Fragestunde aufrufen werden. ­ Vielen Dank für die Zustimmung.

Jetzt hat Frau Steffens das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Barbara Steffens (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommen wir wieder zurück zum Thema der Pflegeausbildung und zur Situation in Nordrhein-Westfalen.

In der Debatte sind zwei Argumente vonseiten der Regierungsfraktionen genannt worden:

Zum einen: Eigentlich haben wir nach der Arbeitslosenstatistik genug ausgebildete Altenpfleger und -pflegerinnen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. ­ Das ist nicht ganz richtig. Wir haben die Zahlen schon einmal in der Anhörung im Ausschuss auseinandergenommen. Erstens sind sie in NRW regional sehr unterschiedlich. Zweitens sind sie von der Altersstruktur her sehr differenziert. Drittens handelt es sich bei einem großen Teil der als erwerbslos gemeldeten Altenpfleger um Menschen, die nur noch eingeschränkt erwerbsfähig sind, weil dieser Beruf natürlich mit der Zeit auch an der körperlichen Belastbarkeit zehrt. Deswegen kann man diese Zahlen nicht so einfach anführen.

Zum anderen: Es gibt Regionen im Land, in denen wir unterversorgt sind, in denen die Einrichtungen und gerade die ambulanten Träger händeringend Leute suchen, aber keine Fachkräfte finden. Deshalb haben wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch schon im Rahmen der Haushaltsberatung angemerkt: Wenn wir schon keine Systemumkehr hin zu einer Umlagefinanzierung haben, wollen wir wenigstens, dass die Pflegeseminare anders ausgestattet werden, weil schon die angestiegenen

Betriebskosten überhaupt nicht mehr übernommen werden. Dem haben Sie nicht zugestimmt. Erste Pflegeseminare haben deswegen bereits geschlossen. Es gibt also sowieso schon weniger Kapazitäten im Land. Das halten wir nach wie vor für ein Problem.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir finden es aus verschiedenen Gründen richtig ­ das haben wir auch in der Vergangenheit immer wieder gesagt ­, zu einem Umlagesystem zu kommen. Zum einen stellt die Umlagefinanzierung sicher, dass man genug Altenpflegekräfte hat. Zum anderen gibt es aber noch sehr viele andere Argumente, Frau Monheim, warum es wichtig wäre, vom jetzigen System wegzukommen.

Denn dann fände die Ausbildung endlich nicht mehr nur im stationären Bereich statt. So ist es derzeit. Im ambulanten Bereich ist es für einen Träger überhaupt nicht finanzierbar, Menschen auszubilden, weil sie im ambulanten Bereich natürlich nicht als Pflegekräfte einsetzbar sind. Man hat also Mehrkosten, ohne einen Mehrnutzen zu haben. Das können sich die Träger nicht leisten.

Jeder, der sich mit Pflege beschäftigt ­ das haben wir in der Enquetekommission ausgiebig getan ­, weiß, dass die ambulante und die stationäre Pflege, die neuen Wohnformen und die Wohngemeinschaften unterschiedliche Qualitäten in der Ausbildung voraussetzen. Das heißt, wenn wir ein breites Spektrum von Ausbildungsplätzen hätten, hätten wir damit auch eine andere Qualität der Pflege in diesem Bereich, weil sie einfach vielfältiger wäre. Deswegen ist es auch vor diesem Hintergrund wichtig, dass wir die ambulanten Träger endlich einbeziehen. Es gibt keinen anderen einfacheren und sinnvolleren Weg, die ambulanten Träger in die praktische Ausbildung einzubeziehen, als über die Umlage. Denn natürlich ist klar, dass man sich in dem Moment an der Finanzierung beteiligt, indem man die Umlage einzahlt. Man kann aber auch ausbilden, weil es darüber eine Refinanzierung gibt.

Daher halten wir die Umlagefinanzierung für wichtig.

Man kann an dieser Stelle aber nicht einfach hingehen und auf die bestehende Situation hinweisen:

Wir haben ausreichend ausgebildete Pflegekräfte, wie Sie eben sagten. Manche Altenpflegeeinrichtungen melden, dass sie über Wochen und Monate versuchen, Fachkräfte zu bekommen. Sie bekommen aber keine, weil gerade durch das bestehende System (Zuruf von Minister Karl-Josef Laumann) nur in bestimmten Bereichen ausgebildet wird. In anderen Bereichen werden die ausgebildeten Kräfte abgeschöpft. Die qualifizierten Pfleger und Pflegerinnen stehen dann nicht mehr für den Markt zur Verfügung. Deswegen sind wir für die Einführung der Umlagefinanzierung.

Bisher gab es aber auch noch andere Modelle, etwa dass sich ambulante Träger zusammengeschlossen und Ausbildungsverbünde geschaffen haben. Wie wir gesehen haben, ist das kein Modell, das langfristig trägt. Es funktioniert bei zumeist kleinen Trägern nicht, sich zu diesen Verbünden zusammenzuschließen. Deswegen glauben wir, dass wir eine wirklich grundsätzliche Änderung im System brauchen. Deshalb halten wir diese Umstellung für sinnvoll.

Es stimmt, dass auch ich beim Antrag der SPD-Fraktion zuerst dachte: Den hatten wir doch schon einmal. Er entspricht in weiten Teilen dem, was wir hier vor einem Jahr beraten haben. Aber Sie haben es in dieser Zeit nicht gemacht. Anderenfalls hätte die SPD-Fraktion diesen Antrag nicht wieder vorzulegen brauchen. Denn einige der Punkte sind nach wie vor genauso aktuell wie vor einem Jahr, etwa einen Bericht zu erstellen, in dem die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse vorgelegt wird. Das ist in diesem Jahr genauso sinnvoll wie im letzten Jahr.

Deshalb sollte man diesem Antrag endlich zustimmen oder ihn einfach so umsetzen. Das ist als Grundlage für eine weitere Debatte wichtig.

Ich freue mich auf die Debatte und hoffe, dass sie anders ausgeht als im letzten Jahr und dass wir vielleicht in diesem Jahr zu einem Konsens kommen. Ansonsten müssten wir die Debatte im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder führen. ­ Danke. Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. ­ Jetzt hat Herr Minister Laumann das Wort. Bitte sehr.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrter Herr Präsident!

Meine Damen und Herren! Wir sollten zunächst einmal nicht mehr Unterschiede aufbauen, als es wirklich gibt. Ich habe immer gesagt und sage das auch heute: Ich habe überhaupt kein Problem damit, eine Umlage bei der Altenpflegefachausbildung einzuführen.

Man soll aber bitte nicht so tun, als könne der Minister sie einfach durch einen Erlass einführen. Das Bundesaltenpflegegesetz hat diese Ausnahme einer Umlage an sehr enge gesetzliche Voraussetzungen geknüpft. So muss es in einem Bundesland einen Pflegenotstand geben. Der Bundesgesetzgeber, seinerzeit eine rot-grüne Mehrheit, war der Meinung, dass die duale Ausbildung, wie wir sie jetzt in Nordrhein-Westfalen haben, auch in der Altenpflegefachausbildung die Regel sein soll.

Ein Erlass der Landesregierung würde aber vor Gericht überprüft werden, weil es immer irgendwo einen Pflegedienst geben wird, der diese Umlage nicht bezahlt. Daher können wir das Experiment dann durchführen, wenn die Zahlen in Nordrhein Westfalen so sind, dass ich das auch vor Gericht durchstehen kann.

Herr Killewald, zumindest in der Debatte vor gut einem Jahr und nach dem Gutachten, das wir vorgelegt hatten, waren wir am Ende beide der Meinung, dass die Zahlen zum damaligen Zeitpunkt es wohl nicht hergäben, so etwas vor Gericht durchstehen zu können.

Zweiter Punkt. Diese Debatte nehme ich sehr unterschiedlich wahr. Von den Rednern der Opposition wird gesagt: Wir stehen kurz vor dem Pflegenotstand oder haben ihn schon. Die Einrichtungen bekommen überhaupt keine Mitarbeiter.

Gestern Abend hatte ich in Oberhausen wieder meine Veranstaltung zu dem neuen Wohn- und Teilhabegesetz. Dort wurde von Einrichtungsträgern erneut heftig kritisiert, dass selbst in der Freien Wohlfahrtspflege der Zustand zunähme, dass die Pflegefachkräfte nicht mehr in den Heimen, sondern über Leiharbeit eingestellt würden, um die Löhne zu drücken. Das war gestern Abend ein großes Thema.

Jetzt stelle ich heute ganz ruhig fest: Wenn die Pflegefachkräfte so knapp werden wie sie werden, dann dürften doch die Leiharbeitsfirmen zu deren Lohnbedingungen überhaupt keine Fachkräfte mehr haben, die sie verleihen können.

Das ist für mich logisch. Zur gleichen Zeit, zu der der Landtag von Nordrhein-Westfalen, Herr Killewald, diese Debatte führt, führen unsere Kollegen im Deutschen Bundestag eine Debatte, die Pflegefachberufe ins Entsendegesetz aufzunehmen und mit einem Mindestlohn von 10 zu versehen, weil wir viele Gebiete in der Bundesrepublik Deutschland haben, in denen eine Fachkraft nicht einmal mehr als 10 in der Stunde verdient.

(Norbert Killewald [SPD]: Aber nicht in Nordrhein-Westfalen!)

Wenn es einen solchen Fachkräftemangel gäbe, dann hätten wir doch nicht dieses Problem, dass im Bereich der Pflege die Löhne so vieler Fachkräfte nach unten wegbrechen, wie es in weiten Bereichen unseres Landes der Fall ist. Hier passt die Debatte, wie ich sie als Sozialminister wahrnehme, nicht ganz zusammen.

Einem zweiten Punkt muss man sich in aller Ruhe stellen: Führt eine Umlage automatisch dazu, dass man dann mehr Fachkräfte in die Ausbildung bekommt? Wir haben zurzeit in Nordrhein-Westfalen 1.094 junge Menschen in der Altenpflegefachausbildung. Damit bilden wir auf den Kopf genau 21 % aller Fachkräfte in Deutschland aus. Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen Bevölkerungsanteil gemessen an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland von genau 22 %.

Das heißt, auch da sind die Zahlen so, dass wir nicht davon reden können, dass die Ausbildung bei uns viel weniger stattfindet als in anderen Bundesländern. Nehmen wir ein Land wie Rheinland-Pfalz, das die Umlage hat. Rheinland-Pfalz macht 5 % der bundesrepublikanischen Bevölkerung aus und hat 6 % der Auszubildenden in dem Bereich der Altenpflegefachausbildung.

Das heißt, es tut sich alles nichts. Deswegen warne ich davor, dass man durch eine Umlagefinanzierung das Problem, dass wir bei geburtenschwachen Jahrgängen und relativ starken Seniorenjahrgängen nicht genug deutschsprachige Fachkräfte haben ­ Simsalabim! ­ lösen können.

Ich glaube im Übrigen nicht daran, dass die Umlage allein das Problem löst, aber ­ ich sage es noch einmal ­ ich habe überhaupt kein Problem mit einer Umlage. Aber während wir diese Debatte im Landtag von Nordrhein-Westfalen führen, befinden sich immer noch etwa 4.3000 Altenpflegehelferinnen aus den angelernten Pflegeberufen in der Arbeitslosenstatistik. Darüber können wir uns gern im Ausschuss unterhalten. Aber ich bin nicht bereit ­ das sage ich ganz klar ­, eine Steigerung der Fachkräftezahlen in der Ausbildung mitzumachen, die am Ende dazu führt, dass an der Lohnfront ­ gerade in der Altenpflegeausbildung ­ mit den Leuten anschließend gemacht werden kann, was einige gerne wollen. Das läuft mit mir auch nicht.

Es ist eigentlich ganz einfach: Die Frage, ob die Pflegeberufe eine hohe Akzeptanz bei den jungen Leuten haben, hängt nicht nur allein am Ethos von Sozialberufen, sondern auch daran, welche Entlohnungen in diesem Bereich stattfinden. Ich finde, gute Arbeit in dem Bereich muss auch gut bezahlt werden.

(Beifall von Rudolf Henke [CDU]) Deswegen hat das Image der Einrichtungen auch eine Menge damit zu tun, Fachkräfte zu bekommen.