Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen

Ich bitte deshalb zuerst Herrn Prof. Dr. Hillgruber zur Eidesleistung zu mir. Bitte sprechen Sie mir nach.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

Bitte, Herr Dr. Hillgruber.

Prof. Dr. Christian Hillgruber: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

(Allgemeiner Beifall) Präsidentin Regina van Dinther: Bitte, Herr Stöhr. Mai 2009 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem oben genannten aktuellen Thema der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Die Polizei als Organ der exekutiven Gewalt ist integraler Bestandteil des parlamentarisch-demokratischen Regierungssystems. Ihre rechtssichernden und ihre rechtserhaltenden Aufgaben ergeben sich aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes. Hiernach ist die Polizei im Sinne des Rechtsstaatsprinzips an Recht und Gesetz gebunden. Sie muss dort ordnend eingreifen, wo die Schutzrechte Dritter verletzt werden.

Bei der Gewährleistung dieser Ziele hat sich die Polizei über die Jahre großes Vertrauen bei der Bevölkerung erworben. Die Ergebnisse vieler Umfragen in den letzten Jahren haben immer wieder gezeigt, dass die Polizei im Vergleich verschiedener Institutionen im Ansehen der Bevölkerung einen bemerkenswert erfreulichen und guten Platz einnimmt.

Die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland insgesamt bringt der Polizei ein außerordentlich hohes Vertrauen entgegen. Für die CDU-Fraktion darf ich sagen, dass wir Hochachtung vor der Arbeit der Polizei haben, und auch deswegen haben die Fraktionen von CDU und FDP diese Aktuelle Stunde beantragt.

Dieses Vertrauen und diese Achtung vor dem polizeilichen Einsatz darf nicht zerstört bzw. aufs Spiel gesetzt werden. Ja, es ist richtig, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: Das Versammlungsrecht zählt zu den bedeutsamsten Grundrechten. In der Bundesrepublik Deutschland hat jeder das Recht, sich friedlich und ohne Waffen ­ ich betone: ohne Waffen ­ zu versammeln. In Art. 8 des Grundgesetzes ist das Versammlungsrecht sogar verfassungsrechtlich verankert.

Unter der Voraussetzung, dass der Versammlungsteilnehmer sein Recht friedlich und ­ wie gesagt ­ ohne Waffen ausübt, gehört es auch zu den Aufgaben der Polizei, ordnungsgemäß durchgeführte Versammlungen zu schützen. Denn die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung umfasst auch den Schutz der Rechtsordnung. Die Art und Weise, wie die Polizei dieses Grundrecht zu schützen hat, hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem in folgende Grundsätze gefasst: Versammlungsfreundlichkeit der Polizei gegenüber dem Veranstalter und den Teilnehmern, Kooperation mit den Anmeldern der Demonstration, Differenzierungsgebot zwischen friedlichen Teilnehmern und gewaltbereiten Personen sowie eine mögliche Isolierung von Gewalttätern und konsequentes Einschreiten gegen Straftäter.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Erfüllung dieser zweifellos beachtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist schwierig. Sie brachten in der Vergangenheit und auch gerade in der vergangenen Woche auf den Veranstaltungen um den

1. Mai die Polizei in schwierige Situationen. In zahlreichen Städten, unter anderem auch in Dortmund, hat es regelrechte Gewaltexzesse gegeben.

Man kann über Einsatzstrategien der Polizei trefflich streiten, die ja so gut wie immer vor- und nachbereitet werden und auch im Innenausschuss gelegentlich auf der Tagesordnung stehen. Aber im Grundsatz ist und bleibt gültig: Die polizeiliche Arbeit hat die volle Rückendeckung durch die Politik verdient.

Allen Straftaten bei den Maikrawallen und darüber hinaus muss entschlossen nachgegangen werden.

Ich glaube, niemand von uns nimmt die von Extremisten ausgehenden Gefahren auf die leichte Schulter. Die von ihnen ausgehende Kriminalität stellt heute ebenso eine schwerwiegende Sicherheitsstörung dar wie die neue Qualität der Gewalt bei Demonstrationen. Wir müssen uns gemeinsam gegen den Randaletourismus aussprechen, (Beifall von CDU und FDP) uns gegen feuerlegende, flaschen- und steinewerfende sowie polizistenverletzende gewalttätige Demonstrationsteilnehmer wenden und die volle Solidarität mit den Polizistinnen und Polizisten zeigen, die gezielt von Extremisten angegriffen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wir kennen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Personen. Doch wir wissen ebenfalls: Es gibt auch die Gewalt in der Sprache. Deswegen tragen aus Sicht der CDU-Fraktion alle, die im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu sozialen Unruhen aufrufen, eine Mitverantwortung für die Gewalt auf der Straße. Das sind in der Tat geistige Brandstifter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Staat muss wehrhaft bleiben. Nur die klare Bekämpfung aller Formen der Gewalt und Kriminalität, nur die konsequente Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus ­ sei er von rechts oder von links ­ und nur das energische Intervenieren und das beherzte Eingreifen unserer Polizei werden den Staat auch in Zukunft davor bewahren, ein Opfer von politischen Abenteurern zu werden. ­ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. ­ Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Engel das Wort.

Horst Engel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Polizeibeamte werden vermehrt oft selbst Ziel gewaltsamer Attacken.

Hasserfüllt wird versucht, Polizeibeamte mit Fäusten, Knüppeln und Stangen zu schlagen, mit Steinen oder gar mit Brandsätzen zu attackieren.

Am 1. Mai eskalierte die Gewalt in Dortmund, als über 400 Rechtsextremisten eine friedliche Veranstaltung stürmen wollten. Polizeibeamte, die beherzt dazwischen gingen, wurden massiv vom vermummten Mob mit Holzstangen, Steinen und anderen Gegenständen brutal angegangen.

In Berlin randalierten auf einer von der Linken angemeldeten Demonstration über 100 vermummte Linksextremisten. Demonstranten überschütteten Polizeibeamte ­ das muss man sich einmal vorstellen ­ mit brennbarer Flüssigkeit und zündeten sie an. Sie blieben glücklicherweise dank schneller Gegenmaßnahmen unverletzt.

Auch in Hamburg gab es wieder Mai-Krawalle, die sich mittlerweile zu einer klassischen Gelegenheit für allgemeine motivlose Randale aus reinem Hass und Zerstörungswut und für politisch motivierte Links-Rechts-Auseinandersetzungen entwickeln.

Wir haben es beim G8-Gipfel in Rostock und Heiligendamm, wo man kriegsähnliche Zustände herbeiführen wollte und man versucht hat, die Polizei „regelrecht zu steinigen", und in Straßburg gesehen, wo vor Kurzem Wahnsinnige neben Autos beinahe ein ganzes Hotel anzündeten und sinnlos zerstörend und plündernd durch die Straßen zogen.

Wir hatten zuletzt die Rechts-Links-Demo in Köln, wo Wasserwerfer, Reiterstaffeln und Hunde neben massiven Polizeikräften aufgefahren werden mussten, um den Angriffen von Demonstranten Einhalt zu gebieten.

Nun wieder Berlin, Hamburg und Dortmund.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, dass jeder, der einen Stein oder Brandsatz auf einen Polizisten wirft, zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Wurf tödlich sein kann, genauso als wenn ein Stein von einer Autobahnbrücke auf die Fahrbahn geworfen wird. Das macht keinen Unterschied.

Polizeibeamte äußerten nach den Krawallen vom 1. Mai den Eindruck, man sei teilweise auf sie losgegangen, als wolle man sie töten. Mehrere Personen sitzen deshalb zu Recht wegen des Verdachts des versuchten Mordes mit Brandsätzen an Polizeibeamten in Untersuchungshaft.

Was geht in Menschen vor, dass sie so viel Hass aufbringen, der in blinder organisierter Zerstörungs und Vernichtungswut eskaliert, dass sie so außer Kontrolle geraten, sich emotional so hochpushen und offensichtlich völlig den Verstand und jedes Maß verlieren? Was geht in diesen Menschen vor, dass sie Polizeibeamte massiv attackieren, die lediglich ihre Arbeit machen, die sich schützend vor friedliche Demonstranten stellen und die Gesundheit, das Gemeingut aller in unseren Städten sowie das private Eigentum eines jeden schützen?

Polizeibeamte, die als Repräsentanten des Staates das Gewaltmonopol dieses Staates durchsetzen und uns damit die Wahrnehmung unserer verfassungsrechtlichen Rechte, wie Versammlungsfreiheit, gewährleisten und dem Rechtstaat zur Geltung verhelfen, haben unseren besonderen Schutz verdient.

(Beifall von FDP und CDU) Vermummte Gestalten greifen im Mob die Polizei an. Diese Polizeibeamten haben Familie, sind Väter und Mütter, Ehefrauen und Ehemänner. Nur weil sie eine Uniform tragen, werden sie als Feind identifiziert. In organisiertem Hass wird versucht, sie zu verletzen oder gar zu töten. Egal aus welcher sinnfreien oder politischen Motivation dies geschieht, hier sagt der Landtag: Stopp! Bis hierhin und nicht weiter. ­ Es trifft sie die volle Härte des Gesetzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zahlen belegen, dass die Anzahl der Übergriffe gegen Polizeibeamte schon 1995 bundesweit nach oben ging.

Offensichtlich sinkt die Hemmschwelle, gegen Polizeibeamte vorzugehen. Diese Tendenz zeigt sich in erschreckender Weise nicht nur anlassbezogen, also etwa bei Ausschreitungen zum 1. Mai. Sie ergreift umfassend zahlreiche Veranstaltungen mit unterschiedlichsten Schwerpunkten und Inhalten.

Teilweise wird auf Polizeibeamte losgegangen, weil allein deren Anwesenheit häufig schon als Provokation aufgefasst wird. Aus den vergangenen Jahren kann man aus Anlass von Aufzügen und Demonstrationen, am Rande und im Gefolge kultureller oder sportlicher Ereignisse wie etwa Karneval oder Spielen der Fußballprofi- oder Amateurligen feststellen, dass eine gewisse Bereitschaft der Versammelten steigt, sich aktiv und tätlich gegen die zum Schutz oder zur Durchführung von Veranstaltungen eingesetzten Polizeibeamten vorzugehen. Derzeit stehen in Bielefeld beispielsweise drei Fußballfans vor Gericht. Sie haben einen Ordner im Stadion in aufgeheizter Stimmung fast totgetreten.

Die Mehrzahl der Randalierer handelt unpolitisch und allein aus Gewalt- und Zerstörungswut, sagen die Experten. Im Übrigen belegen Studien, dass nicht der abstrakte gesetzliche Strafrahmen, sondern das Risiko, entdeckt zu werden, den mit Abstand bedeutendsten Abschreckungseffekt zur Folge hat. Es geht also um das Risiko, entdeckt zu werden. Wir wissen aus der Kriminalistik, das hohe Risiko, entdeckt zu werden, hält vielfach davon ab, Straftaten zu begehen. Fühlt sich der Gewalttäter im anonymen Mob sicher vor Entdeckung, schreckt ihn auch der drakonischste Strafrahmen nicht. Deshalb gehört zum erfolgreichen polizeitaktischen Konzept seit Jahren eine anlassbezogene Einsatzbegleitung durch eine offene und für jeden potentiellen Gewalttäter wahrnehmbare gute Beweissicherung. Ein konsequentes Vorgehen gegen Störer mittels speziell ausgebildeter Greiftrupps gehört dazu.

Der Vorfall in Dortmund hat mit über 400 Festnahmen bewiesen, die Polizei bekommt sie beinahe alle. An der Stelle möchte ich den Innenminister bitten, den Dank der FDP-Landtagsfraktion an den Dortmunder Polizeipräsidenten und seine Mitarbeiter weiterzugeben. Über 400 Festnahmen zeigen, das Konzept war richtig und greift. Das ist auch die Botschaft: Wir bekommen sie beinahe alle.

Im Bereich der gewalttätigen Fußballhooligans haben wir diese Maßnahme in Verbindung mit Abpasskontrollen seit Jahren erfolgreich betrieben.

Das kann man zwar nicht direkt vergleichen, aber auch an dieser Stelle hat die Polizei gezeigt, man muss diesen gewaltbereiten Randalierern nicht ohnmächtig begegnen.

Vizepräsident Edgar Moron: Herr Kollege.

Horst Engel (FDP): Ich komme zum Schluss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir als Land Nordrhein-Westfalen halten seit Jahren mit 2.000 Beamten eine starke und gut ausgestattete Bereitschaftspolizei vor. Die sogenannten kleinen Bundesländer überlegen, hier zu reduzieren.

Die eine besteht darin, dass wir jedwede Gewaltanwendung aus der politischen Auseinandersetzung verbannen, weil für uns Argumente zählen und nicht das Recht des Stärkeren.