Arbeitsvertragliche Bedingungen sollen und müssen berücksichtigt werden

Angesichts der vorherigen Ankündigungen wären selbst die Kürzungen von Projektmitteln keine Überraschung mehr. Sicherlich sind sie einschneidend. Die Vertrauensverhältnisse, die sich über die teilweise langjährige Förderung ergeben haben, bedingen aber, dass den Trägern eine Zeit eingeräumt werden muss, um sich auf eventuell neue Bedingungen einzustellen. Ich bin sicher, dass denen das auch so eingeräumt werden wird.

Arbeitsvertragliche Bedingungen sollen und müssen berücksichtigt werden. Auch nach den Äußerungen des Sachverständigenrates muss es Einschnitte geben, aber nicht nach der Rasenmähermethode, so wie Sie es hier suggerieren, sondern gezielt und überlegt, ohne zu zerschlagen, ohne Strukturen kaputt zu machen, und so, dass Fördermittel direkt dort ankommen, wo sie hinmüssen.

Eine von Ihnen immer wieder und auch jetzt immanent angeregte Fortführung des „Weiter so, NRW" kann nicht richtig sein und muss hier deutlich zurückgewiesen werden. Wir würden unseren schon weniger werdenden Kindern eine noch höhere Bürde und Last aufladen, die sie gar nicht mehr imstande wären zu tragen. Ein „Weiter so" würde mittelfristig die sozial Schwachen, die Kinder und Jugendlichen, also die, für die Sie Programme aufgelegt haben, besonders treffen. Das kann doch nicht Sinn der Angelegenheit sein.

Deshalb müssen wir jetzt anfangen, umzusteuern.

Uns geht es bei der Umsteuerung weiterhin um die Adressaten der Projekte, um die Adressaten notwendiger sozialer Projekte. Dabei sehen wir bei dem Gesamthaushalt als Adressaten die Bürger in diesem Land, nicht nur die Träger, die Sie offensichtlich nur vertreten.

Uns geht es nicht um die Infragestellung der Vergangenheit, sondern die Frage ist, ob es Möglichkeiten gibt, ohne Gegensteuerung der fortschreitenden Verschuldung des Landes gerecht zu werden. Meine Damen und Herren, es geht nicht mehr so weiter. Sie wissen das, und fordern jetzt kurzfristig, den Leuten noch einmal ein halbes oder ein Jahr weiterhin die Möglichkeiten zu geben, in der bisherigen Form zu arbeiten. Das ist vorbei.

Die Zeit naht: Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern bereits eine Minute vor zwölf. Sie haben das veranstaltet, nicht wir. Wir haben Ihre Schulden zu übernehmen.

(Beifall von der CDU - Zurufe von SPD und GRÜNEN)

- Sie können sich gleich melden, sich hier hinstellen und reden, aber lassen Sie das Gebrabbel dazwischen sein.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Es geht, meine Damen und Herren, um Arbeitsplätze in den Betrieben und nicht um die Übernahme von Aufgaben durch den Staat. Die bisher agierende Generation hat sich nachweislich erlaubt, mehr zu konsumieren als vorhanden war.

Weniger Kindern wird es in der Zukunft aufgebürdet, alles das abzubezahlen, was sich die Generationen vorher zu viel erlaubt hatten. Deswegen bedarf es für den neuen Haushalt einer guten Vorarbeit, damit eben nicht mit dem Rasenmäher vorgegangen wird und damit die Leute auch informiert werden können. Es bedarf nach 39 Jahren SPD-Regierung wirklich einer strikten Umsteuerung und gewiss keines Ad-hoc-Geschehens.

Um aber diesen Ausgleich mit etwas mehr Zeit hinzubekommen, brauchen wir ein, anderthalb Monate Verlängerung bis über das Ende des Jahres hinaus.

Übrigens: Ich würde Ihnen von der SPD raten, die Zeit zu nutzen - es ist ja Advent -, um über die Versäumnisse der Vergangenheit nachzudenken.

Dann kommen Sie ganz schnell zu dem, was Sie eigentlich für die Menschen in diesem Land erreichen wollen.

Was die Planungssicherheit der Träger angeht, so weinen Sie bitte keine Krokodilstränen. Hier würden Ursache und Wirkung vertauscht. Denn Ihnen ist sicherlich geläufig, dass dies über den Erlass möglich ist. Ihnen ist sicherlich auch bekannt, Frau Steffens - Sie können ruhig nervös werden; das macht nichts, ich habe noch Zeit -, in welchem Maße dieser Erlass die vorläufige Haushaltsführung regelt und dass nicht unbedingt die Einbringung noch vor dem Jahreswechsel erforderlich ist, so wie Sie das im Jahre 2000 auch nicht unbedingt hätten tun müssen.

Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass in vorsichtiger Weise Bewilligungen nach dem Niedrigstansatz laufen können und dass sich die Ressorts vor der Entscheidung des Parlaments mit den bisherigen Empfängern mit Gewissheit austauschen werden. Die dafür nötigen Informationen haben Sie sicherlich schon; da bin ich sehr zuversichtlich.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Werden Sie konkret!)

Der nächste Haushalt allerdings bedarf nicht der Methode beziehungsweise der Fortführung rotgrüner Systematik, sondern der Umsteuerung und der Straffung der Landesförderung in Projekten, deren Nachhaltigkeit überprüft und deren Evaluation durch neutrale Dritte vorgenommen wird.

Landtag 30.11.

(Beifall von den GRÜNEN) Sie haben nämlich nicht Schwarzbrot verkündet, sondern Sie haben Sahnetorte versprochen.

Ich darf Sie einmal an die letzten Haushaltsverhandlungen erinnern. Wer hat denn bei jeder Kürzung laut „Sozialer Kahlschlag!" geschrieen und das Ende für die Sozialpolitik in Nordrhein Westfalen heraufbeschworen?

(Norbert Post [CDU]: Konkret!) Sie haben in jeder Debatte versucht, Rot-Grün sozialpolitisch mit Versprechen zu überholen, bezüglich derer Sie heute selbst einräumen, dass sie illegitim waren.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist Geschichte!)

Beim Jugendfördergesetz, bei allem in Sozialpolitik haben Sie versprochen, versprochen und versprochen. Und seit Sie an der Landesregierung sind, tun Sie schon zum hundertsten Mal so, als ob Sie nicht gewusst hätten, wie die Haushaltssituation aussieht. In jeder Haushaltsdebatte, mit jeder eingebrachten Klage, bei jeder Gelegenheit haben Sie die Situation des Landes dargestellt, und trotzdem haben Sie die Versprechen gemacht. Also kommen Sie auf den Boden zurück, und lassen Sie uns über den jetzigen Haushalt reden und darüber, wie Sie damit umgehen! Sagen Sie uns, ob Sie mit der jetzigen Situation verantwortlicher umgehen, als Sie im Wahlkampf mit Ihren Versprechungen umgegangen sind!

(Minister Karl-Josef Laumann: Sozial ist Schuldenabbau!)

- Sozial ist auch Schuldenabbau - mit Sicherheit.

Aber sozial ist nicht nur Schuldenabbau.

(Minister Karl-Josef Laumann: Sie haben die Schulden gemacht!)

- Nein, die Schulden haben nicht nur wir gemacht.

Also: Dass die Einbringung eines Haushalts durch eine neue Landesregierung relativ spät erfolgt, ist legitim; das bestreiten wir gar nicht. Wir wissen aber nicht - im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Post -, wohin die Reise geht. Es gibt Ansagen dahin gehend, wie viele Kürzungen es in ganz unterschiedlichen Bereichen geben soll. Es gibt im Nachtragshaushalt Ansagen, plötzlich irgendwo Geld draufgesattelt wird. Es gibt Stellen, die geschaffen werden. Es gibt alles Mögliche in der Palette, aber niemand weiß wirklich, wohin es gehen soll.

Da stehen 20 % Kürzungen im Raum. Gerade im Sozialbereich stehen 20 % Kürzungen bei den freiwilligen Leistungen, aber auch bei den gesetzlichen Leistungen im Raum. Bei den gesetzlichen Leistungen Ihres Hauses, Herr Laumann - Krankenhausgesetz, Maßregelvollzugsgesetz -, sind nicht 20 % Kürzungen vorgesehen, sondern da sind im Nachtragshaushalt gerade Summen draufgelegt worden. Das heißt, die Träger im Land, die von Ihrem Haus Mittel bekommen, stellen sich doch zu Recht die Frage, welche Folgen es hat, wenn die gesetzlichen Leistungen nicht um 20 % gekürzt werden. Wie viel wird denn dann in anderen Beeichen gekürzt?

(Minister Karl-Josef Laumann: Das wisst ihr bald!)

Es ist auch für die Träger legitim, dass sie Fragen stellen und verunsichert sind. Herr Post, Sie sagen hier, mit den Trägern seien Gespräche geführt worden und sie wüssten, wohin es gehe. Also, die Mails, die ich jeden Tag bekomme, sprechen eine andere Sprache. Herr Post, Sie haben gesagt, hier werde suggeriert, dass niemand wisse, was los sei. - Es wird nicht suggeriert. Die Träger wissen nicht, wie ihre Situation aussieht.

Das ist die Realität.

(Beifall von den GRÜNEN) Sie haben der SPD eben gute Wünsche zum ersten Advent und zum Beginn der Adventszeit auf den Weg gegeben. Das sollten Sie auch einmal für sich verinnerlichen.

Die Träger haben ein echtes Problem. Denn natürlich gelten erst einmal - das haben Sie auch eben gesagt - die Regeln der vorläufigen Haushaltsführung, solange kein Haushalt aufgestellt ist.

Das heißt aber noch nichts konkret. Es heißt erst dann etwas konkret, wenn wir ganz klare Kriterien des Landes haben, das heißt wenn der Finanzminister einen Erlass zu den Bewirtschaftungsregelungen herausgibt. Die liegen aber auch noch nicht auf dem Tisch. Die Träger im Land haben also überhaupt noch keine Planungssicherheit.

Uns liegen ganz unterschiedliche Situationen vor.

Wir haben Träger, die befristete Verträge bis zum 31. Dezember haben. Da stehen Menschen - Sie haben eben gesagt, uns seien nur Institutionen wichtig; mir sind die Menschen wichtig - ab dem 1. Januar auf der Straße, weil sie nicht wissen, ob es danach noch Finanzierungen und Förderungen gibt.

Genauso ist es mit den Trägern, die zum 31. Dezember Kündigungen aussprechen mussten. Das wollen die Träger nicht. Aber auch da gibt es Menschen, denen zum 31. Dezember vorläufig gekündigt wurde, weil es im Moment noch keine Bewirtschaftungsregeln und keine Klarheit für die Träger gibt, wie sie ihre Institutionen, ihre Strukturen weiter finanzieren können.

Wir haben auch Träger, deren Kündigungsfristen weiter reichen. Diese befürchten, dass sie vor der Insolvenz stehen. Da sie aus den Verträgen nicht herauskommen, wissen sie überhaupt nicht, wie es weitergehen soll.

Für die Träger, die von einer kommunalen und einer Landesfinanzierung abhängig sind, ist die Situation extrem problematisch. Denn die Kommunen sagen: Solange wir nicht wissen, was es vom Land gibt, wissen wir nicht, was wir dazutun, und auch wir werden uns weiter zurückziehen.

Herr Post, davor können Sie nicht die Augen verschließen; das hat nichts mit der Vergangenheit und den Schulden zu tun. Dass man an der Stelle keine Klarheit für die Träger hat, hat vielmehr etwas damit zu tun, dass es noch keinen Erlass zu den Bewirtschaftungsreglungen gibt.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Es gibt also noch keine Kriterien, wie man damit umgehen wird. Das ist Aufgabe der neuen Landesregierung, und da müssen Sie sich Ihrer Verantwortung stellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es hat mich natürlich gefreut, dass man von Herrn Linssen in Interviews hörte, dass es Planungssicherheit für die Träger geben und dieses durch die vorläufige Haushaltsführung sichergestellt werde. Dann muss aber jetzt konkret gesagt werden, wie diese Planungssicherheit gewährleistet werden soll, wann es Bewirtschaftungsregelungen geben wird und wann die Träger eine klare Ansage bekommen, in welcher Höhe sie wie mit Personalstellen weiter umgehen können.

Ich sage es noch einmal, Herr Post: Natürlich geht es auch um Strukturen. Es geht um Beratungsstrukturen, es geht um Angebote für die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen. Wenn die Strukturen zum 1. Januar 2006 wegbrechen, dann werden viele davon nicht wieder aufgebaut werden können. Daran hängen Menschenschicksale, und Menschen gehen wegen dieser Ungewissheit in die Arbeitslosigkeit. Es muss klar und sicher sein, dass man die Stellen dieser Menschen und die Strukturen erhalten kann.

Deswegen fordere ich Sie auf: Sagen Sie heute klar, wie die Bewirtschaftungsregelungen aussehen werden, was die Träger in Nordrhein-Westfalen bekommen und wie die Menschen vor Kündigungen geschützt werden. Dann wären wir einen Schritt weiter und dann wüssten wir, wie es in Nordrhein-Westfalen für diese Menschen weitergehen kann. Vizepräsident Dr. Michael Vesper: Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte mit Herrn Abgeordneten Dr. Romberg von der FDP-Fraktion fort.

Dr. Stefan Romberg (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Killewald, nur als Neuling in Ihrer Fraktion konnten Sie diesen Antrag wie geschehen begründen und eine so wenig verantwortungsvolle Rede halten, wie Sie es hier getan haben. Ich hätte es interessant gefunden, auch ein paar Worte von Ex-Ministerin Fischer dazu zu hören, (Zuruf von Britta Altenkamp [SPD]) wie die SPD in den letzten Jahren und Jahrzehnten in diesem Bereich Haushaltspolitik gemacht hat.

Herr Killewald, wenn Sie bei der Veranstaltung in Bochum die Leitlinien der Drogenpolitik nicht mitbekommen haben, ist zu fragen, ob das am Verstehen gelegen hat oder ob es daran gelegen hat, dass Sie das nicht wahrnehmen wollten. Vielleicht waren Sie aber auch nur enttäuscht, dass die Opposition bei der Drogenfachhilfe im Moment überhaupt nicht mehr gefragt wird.

Die rot-grüne Landesregierung hatte nach ihrer Wiederwahl im Jahre 2000 - Herr Kollege Post hat es schon erwähnt - erst im Jahr 2001 den Haushalt eingebracht. Das ist eine Tatsache. Damals handelte es sich um ein eingespieltes Team, weil alles irgendwie so weiter ging.