Stromerzeugung

Auch wenn die alten Herren im Atomforum das (Der Abgeordnete hält wieder das rosa Kärtchen hoch.) nett finden, ist das keine Politik für unsere Fraktion ­ auch nicht in der Endlagerfrage. ­ Schönen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stinka. ­ Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Abgeordnete Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nirgends passt das Beispiel vom Bock, der zum Gärtner gemacht wird, besser, als wenn es um die Endlagerung und die grüne Schuld an dieser ungelösten Frage geht. Es war Ihr Parteikollege, Herr Priggen, und damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der den Erkundungsstopp für Gorleben erlassen hat.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Fast zehn Jahre, Herr Remmel, sind seitdem vergangen. Bis dahin war Deutschland an der Spitze der Bewegung, um eine Lösung für die Endlagerung zu finden.

(Beifall von der FDP) Gorleben wurde damals bereits fast 20 Jahre erkundet. Die Grünen und danach die SPD in Person von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel haben jedoch aus rein parteitaktischem Kalkül die Lösung systematisch verschleppt. Sie tun das, weil sie das Argument Endlagerung brauchen. Denn mehr als zwei Drittel der Deutschen würden Kernenergie befürworten, wenn die Endlagerfrage gelöst wäre.

(Andre Stinka [SPD]: Wie alt ist die Umfrage?)

Vor diesem Hintergrund, Herr Priggen, ist Ihr Antrag heute heuchlerisch und geradezu paradox.

(Beifall von der FDP) Sie sind schuld, dass wir zehn Jahre Forschung in Gorleben verloren haben. Vielleicht wüssten wir heute längst, ob Gorleben den hohen Anforderungen an ein Endlager entspricht oder nicht. Behindern und Verhindern während der eigenen Verantwortung und vollmundige Lösungen fordern, wenn man keine Verantwortung trägt, das ist grüne Politik.

(Beifall von der FDP) Lassen Sie es mich klar sagen: Ohne Zweifel muss die Endlagerfrage gelöst werden. Das gilt im Übrigen unabhängig von der Laufzeitverlängerung.

Wenn man der Opposition zuhört, könnte man meinen, dass bei einem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der CO2-freien Kernenergie kein Endlager nötig wäre. Das ist aber falsch. Im Gegenteil: Ein Abschalten unserer sicheren Kernkraftwerke macht eine sichere Endlagerung der Materialien umso wichtiger. Wer aus der Kernenergie aussteigen will, braucht ein Endlager ­ sogar noch schneller. Es ist unredlich, dies jetzt zu fordern und die eigenen Verzögerungen in dieser Frage zu verschweigen.

(Beifall von der FDP)

Dabei versuchen Sie zusätzlich, durch Falschinformationen in der Öffentlichkeit Ängste zu schüren.

Asse ist nicht Gorleben. Die Versäumnisse in der Asse sind tatsächlich zu kritisieren. Aber auch da haben die jahrelang SPD-geführten Landesregierungen in Niedersachsen ­ unter anderem von dem jetzigen Umweltminister Gabriel ­ fahrlässig weggeschaut. Sie tragen Mitverantwortung für diese Vorgänge, meine Damen und Herren von der Opposition.

Die FDP hat die Lösung der Endlagerfrage auch in ihr Bundeswahlprogramm aufgenommen. Die wissenschaftliche Erforschung des Salzstocks Gorleben muss ergebnisoffen zu Ende gebracht werden, um Klarheit über Eignung oder Nichteignung zu erhalten. Nur eine Rückkehr zum sachlich Gebotenen schafft Sicherheit, nicht aber Wahlkampfpropaganda à la Gabriel.

Ich möchte noch eine kurze Bemerkung dazu machen, warum wir für eine Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken sind: Grüne und Umweltverbände erzählen den Menschen, dass weder Kohlekraftwerke noch Kernenergie nötig sind. Meine Damen und Herren, mit Datteln haben wir eine neue Qualität bei der Auseinandersetzung um Kohlekraftwerke erreicht. Bei einer Abschaltung der Kernkraftwerke sind derzeit aber Kohlekraftwerke die einzige wirkliche Alternative, den großen Energiebedarf zu kompensieren.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Wohl wahr!)

Wie wollen wir dann unsere Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland und Nordrhein-Westfalen verpflichtet haben, erreichen? ­ Meine Damen und Herren, erneuerbare Energien können diesen Bedarf auf absehbare Zeit noch nicht verlässlich decken.

(Monika Düker [GRÜNE]: Steinzeit!) Darauf, meine Damen und Herren, gehen Sie leider nicht ein. ­ Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockes. ­ Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.

Christa Thoben, Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in meiner Stellungnahme zu den Landtagsdrucksachen 14/8573 sowie 14/8572 hatte ich festgestellt, dass ein Neubau von Kernkraftwerken in Nordrhein-Westfalen nicht ansteht und die Sicherheit nuklearer Stromerzeugung sowie die zügige Lösung des Entsorgungsproblems oberstes Gebot bleiben.

Deutschland braucht im Sinne einer sicheren, preiswerten und umweltverträglichen Energieversorgung zur Deckung der Stromnachfrage weiterhin den bewährten Mix aus fossilen und erneuerbaren Energieträgern und Kernenergie. Diese steht ohne Klimabelastung und ohne Mehrkosten zur Stromerzeugung zur Verfügung und ist somit wenigstens als Brückentechnologie für einen effizienten Klimaschutz unentbehrlich.

So nutzen in Europa neun Länder die Kernenergie ohne Ausstiegsbeschlüsse. Schweden hat kürzlich den dortigen Atomausstieg revidiert. Von weiteren fünf Ländern überprüfen derzeit Belgien und die Niederlande ihre Ausstiegsbeschlüsse. Zudem führen die Niederlande mit Großbritannien Gespräche über die gemeinschaftliche Nutzung der Kernenergie. Auch Frankreich und Großbritannien haben ein Abkommen über die Nutzung der Kernenergie beschlossen.

Offensichtlich hat auch die SPD erkannt, dass die Kernenergienutzung zur Senkung und Stabilisierung der Strompreise beiträgt. Nichts anderes besagt doch wohl die Forderung, die Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke auf dem Strommarkt nicht durch Laufzeitverlängerungen zu gefährden.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die Landesregierung unterstützt die Entwicklung der Stadtwerke, insbesondere auch im Sinne einer Belebung des Wettbewerbs auf dem Energiemarkt. Unsere Stadtwerke zeichnen sich durch ihre Nähe zum Kunden und ihre Innovationskraft aus. Besonders geeignet sind daher ganz sicher Entwicklungen zum Beispiel im Bereich der dezentralen Energieerzeugung, der Steigerung der Energieeffizienz beim Kunden oder des Verteilnetzbetriebs.

Das kann aber nicht bedeuten, dass grundlastfähige Kraftwerke keine Existenzberechtigung mehr haben sollen. Zur Sicherung des Industriestandorts werden wir noch jahrzehntelang auf eine sichere und preiswerte Grundlastversorgung mit Strom angewiesen sein.

Meine Damen und Herren, nun zu dem Antrag der Grünen:

Die zuständige Fachbehörde des Bundes, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, hat die geologischen Untersuchungen des Salinars des Salzstocks Gorleben, die bis zum Beginn des Moratoriums am 1. Oktober 2000 im Rahmen der über- und untertägigen Erkundung durchgeführt worden sind, in ihrer Standortbeschreibung Gorleben Teil 3 aus 2008 dargestellt und hinsichtlich ihrer langzeitsicherheitlichen Auswirkung für ein geplantes Endlager für radioaktive Abfälle bewertet. Sie kommt zu folgendem Ergebnis ­ Zitat ­:

Trotz der noch nicht abgeschlossenen Erkundung... kann nach den bisherigen Untersuchungen festgestellt werden, dass aus geowissenschaftlicher Sicht keine Erkenntnisse aus dem Salinar gegen langzeitsicherheitliche Eignung des Salzstocks Gorleben für die Endlagerung radioaktiver Abfälle vorliegen.

Meine Damen und Herren, Deutschland macht derzeit alle Phasen der Endlagerung durch. Das Endlager Morsleben für schwach und mittelradioaktive Abfälle in Sachsen-Anhalt sowie das ehemalige Forschungsbergwerk Asse in Niedersachsen, in das ebenfalls schwach und mittelradioaktive Abfälle eingelagert wurden, müssen stillgelegt werden.

Insbesondere die Asse hat, wie wir alle wissen, in den letzten Monaten viele ­ zumeist negative ­ Schlagzeilen gemacht.

Gerade deshalb gilt es klarzustellen, dass die Vorkommnisse in der Schachtanlage Asse nicht auf ein potenzielles Endlagerbergwerk im Salzstock Gorleben übertragbar sind.

Der Laugenzufluss in der Asse spricht auch nicht gegen die grundsätzliche Eignung von Salz als Wirtsgestein für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Im Gegensatz zur Asse ist der Salzstock Gorleben unverritzt, das heißt, es wurde zu keiner Zeit Salzbergbau betrieben. Im Salzstock wurden bislang nur speziell für die Erkundung benötigte Hohlräume aufgefahren. Aufgrund der Sicherheitskriterien für die Endlagerung werden die neu zu schaffenden Hohlräume allseits von einer ausreichend mächtigen Schicht von Steinsalz umgeben sein. Hierdurch werden von Anfang an AsseProbleme ausgeschlossen.

Alle international durchgeführten oder laufenden Verfahren für die Festlegung eines Endlagerstandorts weisen in hohem Maße nationale Besonderheiten sowie wirtssteinbedingte konzeptionelle Unterschiede auf. Ein einheitliches internationales Vorgehen lässt sich hieraus nicht ableiten.

Das deutsche Atomgesetz fordert bereits seit 1976, dass ein Endlagerstandort höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen muss, sodass eine Gefährdung von Mensch und Umwelt sicher ausgeschlossen werden kann. Ziel ist es, einen entsprechend geeigneten Standort zu finden.

In Deutschland ist Steinsalz aufgrund seiner Gesteinseigenschaften besonders gut als Wirtsgestein für die Endlagerung geeignet. Die erforderlichen langjährigen bergbaulichen und wissenschaftlichen Erfahrungen für die Endlagerung im Steinsalz liegen in Deutschland vor. Der Salzstock Gorleben wurde 1977 mittels eines aufwendigen Auswahlverfahrens aus über 140 Salzstöcken ermittelt und wird bereits seit 1979 übertägig und seit 1983 untertägig erkundet.

Zudem hat die BGR in den letzten Jahren für die potenziellen Wirtsgesteine Steinsalz, Tonstein und Kristallingestein alle möglichen Standortregionen in Deutschland ermittelt. Als Ergebnis wurden neben dem Salzstock Gorleben und den bereits 1995 von der BGR bewerteten Salzstöcken Tonsteinvorkommen der Unterkreide in Norddeutschland und des Jura in Nord- und Süddeutschland als untersuchungswürdige Wirtsgesteinformationen genannt.

Die Kristallinvorkommen Deutschlands, zum Beispiel Granit, sind ausgewiesen und geologisch kartiert. Aus den bisherigen Bergbauerfahrungen und geologischen Erkundungen geht hervor, dass in Deutschland homogene und ungeklüftete Bereiche im Kristallin in einer für die Errichtung eines Endlagerbergwerks notwendigen räumlichen Ausdehnung nicht zu erwarten sind.

Zusammenfassend kommt die BGR zu dem Ergebnis, dass das Wirtsgestein Steinsalz in Deutschland für die Endlagerung von hoch radioaktiven wärmeentwickelnden Abfällen zu favorisieren ist. Für Steinsalz sprechen nach Ansicht der BGR auch Vorteile aus dem Vergleich der anzuwendenden Endlagerkonzepte für die Wirtsgesteine Steinsalz, Kristallingestein und Tonstein.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Das Thema Rückholbarkeit von radioaktiven Abfällen aus dem Endlager wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Darunter wird die Möglichkeit verstanden, eingelagerte Abfälle im Bedarfsfall ohne großen technischen Aufwand aus einem Endlager zurückzuholen. Für diese Option werden vor allem ethische, ökonomische und sicherheitsbezogene Argumente genannt. Insbesondere die sicherheitsbezogenen Argumente sind umstritten.

Bei allen in Deutschland diskutierten Plänen zur Rückholbarkeit wird letztlich allerdings die Endlagerung angestrebt. Auf dem Weg dorthin werden mehrere Phasen mit fortschreitender Verfüllung von Endlagerungsbereichen, Zugangsstrecken und Schächten durchlaufen. Der Zugang zu den Abfällen wird von Phase zu Phase schwieriger. Der technische Aufwand für die Rückholung nimmt daher zu.

Nach Verschluss des Endlagers ist die Rückholung nur noch mit bergmännischen Verfahren möglich.

Über die genaue Ausgestaltung und Dauer der Phasen existieren keine einheitlichen Vorstellungen.

Für den Zeitraum mit technisch relativ einfacher Rückholbarkeit werden international mehrere Jahrzehnte bis einige Jahrhunderte diskutiert.

Die technische Umsetzung von Rückholbarkeitskonzepten ist unter anderem vom Wirtsgestein abhängig. Die unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften der Gesteine erfordern unterschiedliche technische Lösungen und unterschiedlichen Aufwand für die Aufrechterhaltung der Zugangsmöglichkeit an die Abfälle. Deshalb kann die Absicht der Rückholbarkeit sowohl die Entscheidung für oder gegen bestimmte Wirtsgesteine als auch die Standortauswahl beeinflussen.

Ein Argument wird von Ihnen seltsamerweise selten vorgetragen: Gegen die dauerhafte Rückholbarkeit spricht die international geforderte Proliferationssicherheit.

Die Rückholbarkeit der Abfälle ist übrigens in dem aktuellen Entwurf der „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle" des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom Juli 2009 ausdrücklich nicht als Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens genannt.

Meine Damen und Herren, notwendig sind nach unserer Überzeugung also die Aufhebung des Moratoriums sowie die Fortführung und der Abschluss der ergebnisoffenen Erkundung des Salzstocks Gorleben. Herr Priggen, Sie scheinen das ebenfalls so zu sehen; denn sonst hätten Sie nicht sagen können, dass Sie auch die Untersuchung anderer Stellen mit in den Blick nehmen. Nur durch die ZuEnde-Erkundung kann eine endgültige Aussage über die Eignung als Endlager getroffen werden.

Bislang sprechen alle Erkundungsergebnisse dafür, dass der Salzstock Gorleben geeignet ist.

Ich darf ein Zitat anführen:

Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben... nicht entgegen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Dieses Zitat stammt aus der Anlage 4 zu der auch von Herrn Trittin abgezeichneten Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen aus dem Juni 2000.

Ich darf mit einem weiteren Zitat abschließen:

Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass ich Ihnen im Februar 2007 den Vorschlag unterbreitet habe, die bisherigen Ergebnisse zu Gorleben einer internationalen Überprüfung durch die OECD/NEA zu unterziehen. Diesen Vorschlag haben Sie leider nicht aufgegriffen. Umso mehr bin ich entschlossen, einen solchen Review-Prozess in der kommenden Legislaturperiode auf den Weg zu bringen.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP]) Gerne bin ich bereit, dieses Verfahren bereits jetzt gemeinsam mit Ihnen zu beginnen.

Dieses Zitat stammt aus einem Schreiben des Chefs des Bundeskanzleramtes vom 9. September 2009 an den Bundesumweltminister.