Tourismus

Beginn: 10:02 Uhr Präsidentin Regina van Dinther: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 132. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen.

Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: Die Fraktionen haben sich gestern darauf verständigt, die Tagesordnung um einen neuen Tagesordnungspunkt 17 zu erweitern.

Das ist der Wahlvorschlag aller vier Fraktionen

Drucksache 14/9950 ­ Neudruck ­ zur Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates des Westdeutschen Rundfunks Köln. Eine Debatte ist dazu nicht vorgesehen. ­ Ich sehe keinen Widerspruch. Also können wir entsprechend verfahren.

Wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Eiskirch von der SPD-Fraktion das Wort.

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Da geht der Tag schon gut los!) Thomas Eiskirch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo steht NRW in der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise? Wie steht es um die Zukunft des Industriestandortes NRW? Wie geht es weiter mit dem Einzelhandel in NRW? Welche Perspektiven bietet die schwarz-gelbe Landesregierung für die Menschen in NRW? Wie verlässlich ist diese Landesregierung?

Unser Befund ist schon seit langem klar: Die Regierung Rüttgers hat keinen Plan für dieses Land.

(Beifall von der SPD) Uns als Opposition glauben Sie dies natürlich nicht.

Deshalb wollen wir ganz schlicht anhand der Fakten die Lage analysieren. Der mittlerweile amtlich festgestellte Befund: Die Genehmigung zum E.ONKraftwerksneubau in Datteln wurde rechtswidrig erteilt. Die Genehmigung für das Euregio-OutletCenter in Ochtrup wurde rechtswidrig versagt. Dies wurde jeweils von den höchsten Verwaltungsgerichten in NRW beurteilt.

Ebenso beschämend ist der Umgang mit der Zukunft der Landesplanung. Groß angekündigt im Koalitionsvertrag 2005 war ­ ich zitiere ­: „Der Dualismus von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan wird aufgehoben." So viel zur Ankündigung.

Nach 2007 haben Sie Eckpunkte eines neues Landesentwicklungsplans 2025 vorgestellt. Mittlerweile, Frau Thoben, haben Sie dieses wichtige Vorhaben abgesagt. Bei der Arbeitsgeschwindigkeit von Frau Thoben steht 2025 wohl nicht für den Gültigkeitshorizont, sondern für das Fertigstellungsdatum dieses schwarz-gelben LEP, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Das kann doch nicht wirklich sein. Denn das Ergebnis ist: Weiterhin gilt in NRW das Landesentwicklungsprogramm von 1989, aus der Zeit vor dem Mauerfall, in Verbindung mit dem Landesentwicklungsplan von 1995; damals gut gemacht, aber heute natürlich nicht mehr up to date. Da muss man ran, Frau Thoben. Da wäre harte Regierungsarbeit angesagt gewesen. Das Ergebnis ist: Sie sind abgetaucht und haben an dieser Stelle nichts gemacht.

Welchen Stand hat also die Landesplanung im Jahr 2009? Der LEP weist zum Beispiel noch alte Flächen aus, die in grauer Vorzeit einmal für Atomkraftwerke vorgesehen waren, Kolleginnen und Kollegen. Dies braucht in NRW kein Mensch mehr, aber vielleicht möchten Sie uns ja gerade deshalb heute keinen neuen LEP vorlegen.

Andere Fragen kann der alte LEP natürlich nicht beantworten. Was wird mit dem Kiesabbau? Wie sichern wir Flächen für Tourismus, Landwirtschaft und erneuerbare Energien? Wie findet der Klimaschutz Eingang in die Landesplanung? Fragen über Fragen, Antworten: Fehlanzeige!

Die schwarz-gelbe Landesregierung drückt sich vor der Arbeit an dieser Stelle. Das darf nicht wahr sein.

Die dringend erforderliche und angekündigten Neuausrichtung von Landesentwicklungsplan und Landesentwicklungsprogramm hat die schwarz-gelbe Landesregierung auf Eis gelegt und für diese Legislaturperiode gestoppt, weil angeblich der vorgezo gene Kommunalwahltermin eine zeitgerechte Beratung mit den Kommunen verhindern würde.

Die Gültigkeit, Kolleginnen und Kollegen, des derzeit geltenden Gesetzes zur Landesentwicklung, des LEPro, will die Regierung Rüttgers über den 31. Dezember 2009 hinaus verlängern, und zwar bis zum 31. Dezember 2011. Frau Thoben, das ist der Offenbarungseid der Planungsministerin!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wer die Planung der Vorgängerregierung nach vier Jahren Regierungszeit um zwei weitere Jahre verlängern muss, hat erkennbar selbst keinen Plan ­ um noch einmal zur Ausgangsfrage zurückzukehren.

Kolleginnen und Kollegen, einen Punkt möchte ich ganz direkt ansprechen. Das CentrO-Urteil hat Regelungsbedarf verursacht. Das Oberverwaltungsgericht hat damals festgestellt, dass der großflächige Einzelhandel nicht per Erlass geregelt werden kann.

Unser Fehler. Das OVG hat klargestellt, dass es hierzu einer gesetzlichen Regelung bedarf.

Anders als vor 2004 war nun mit dem CentrO-Urteil die Messlatte aufgelegt. Die Aufgabe für die schwarz-gelbe Landesregierung war damit klar umrissen: Nordrhein-Westfalen braucht eine gerichtsfeste Grundlage für die Steuerung des großflächigen Einzelhandels. Daran hat die zuständige Ministerin erst zwei Jahre herumgefummelt und dann Mitte 2007 eine winzige Ergänzung im LEPro vorgenommen. Die warnenden Stimmen in der Anhörung im Landtag wurden schlicht ignoriert.

Nur zwei Jahre später sehen wir das Ergebnis: Der Verfassungsgerichtshof hat diese winzige Änderung wieder einkassiert. Das OVG hat entschieden, dass die Genehmigung für das FOC Ochtrup rechtswidrig versagt wurde, Kolleginnen und Kollegen. Das OVG hat entschieden, dass die Stadt Ochtrup die Genehmigung der Änderung ihres Flächennutzungsplans unter Auflagen zu erteilen hat. Die entsprechende Vorschrift des Gesetzes zur Landesentwicklung hat der Verfassungsgerichtshof wegen einer Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts für nichtig erklärt.

Der einfache Befund: Der Berg hat lange gekreißt und eine Maus geboren. Und nun ist dieser Maus vom OVG auch noch das Fell über die Ohren gezogen worden, Kolleginnen und Kollegen.

(Norbert Römer [SPD]: Ja, die können es nicht!)

Auf eine dritte Baustelle der Planungsministerin will ich jetzt nur kurz hinweisen; auch auf dieser Baustelle, Frau Thoben, ruhen jetzt nahezu alle Arbeiten. Am 3. September dieses Jahres hat das OVG den Bebauungsplan Nr. 105 ­ für das E.ONKraftwerk ­ der Stadt Datteln wegen schwerer Planungsfehler der Landesregierung aufgehoben, auch weil der vorgesehene Standort gegen Ziele der Landesplanung verstößt. Hierzu werden wir heute noch ausführlicher beraten. Aber, Frau Thoben, eine Schlagzeile wie heute in der BILD-Zeitung, „STILL Standort NRW", darf nicht zum Sinnbild Ihrer Wirtschaftspolitik werden, Kolleginnen und Kollegen.

Fazit: Die Planungsministerin hat im September vom OVG zwei schallende Ohrfeigen bekommen: die erste zu Ochtrup, weil sie eine zu erteilende Genehmigung rechtswidrig versagt hat, und die zweite zu Datteln, weil sie eine zu versagende Genehmigung rechtswidrig erteilt hat. Wie schon gesagt: Zugleich wird die von der Koalition angekündigte Weiterentwicklung des Landesplanungsrechts für Nordrhein-Westfalen für diese Wahlperiode schlicht vom Spielplan abgesetzt.

All dies zeigt: Die Regierung Rüttgers hat keinen Plan für Nordrhein-Westfalen. Die fehlerhaften Entscheidungen der Landesregierung, die von den höchsten nordrhein-westfälischen Gerichten korrigiert werden müssen, und der von der Planungsministerin zu verantwortende Planungsstillstand fügen Nordrhein-Westfalen einen schweren Schaden zu.

Investoren, Arbeitnehmer und Anwohner können nicht mehr darauf vertrauen, dass in Nordrhein Westfalen nach Recht und Gesetz entschieden wird und Nordrhein-Westfalen planerisch auf der Höhe der Zeit ist.

Und all das hat ganz praktische Auswirkungen für Nordrhein-Westfalen. Meine Kollegin Steffie Wiegand wird gleich darstellen, was dieses Planungschaos für Ochtrup, Gronau und das Umland bedeutet. Gerd Bollermann wird zeigen, was dieser Stillstand für die Fortentwicklung der Landesentwicklung bedeutet. Und Norbert Römer wird sich mit der Verantwortung der Landesregierung für das Steinkohlekraftwerk in Datteln auseinandersetzen.

All dies wird also zeigen, Kolleginnen und Kollegen:

Ihr schlechtes Regierungshandwerk schadet den Menschen in Nordrhein-Westfalen. Nordrhein Westfalen wird unter Wert regiert. ­ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Eiskirch. ­ Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Wittke.

Oliver Wittke (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war schon ein seltsames Schauspiel, das der Kollege Eiskirch hier gerade abgeliefert hat. Denn, Herr Kollege, Sie haben viel über Verfahren, über Urteile, über Fristen und über Details gesprochen, aber eines haben Sie nicht getan. Sie haben an keiner einzigen Stelle inhaltlich Position bezogen.

Sind Sie nun für das Kraftwerk in Datteln? Ja oder nein? Sind Sie für das FOC in Ochtrup? Ja oder nein?

(Thomas Eiskirch [SPD]: TOP 2! Gucken Sie in die Tagesordnung!)

So billig kommen Sie uns nicht davon. Sie müssen den Menschen im Lande schon sagen, was Sie wollen und wohin Sie wollen. Wir wollen das Kraftwerk in Datteln, und wir wollen es an diesem Standort. Wir wollen das FOC in Ochtrup aber nicht, und zwar aus guten Gründen, wie Sie wissen.

(Thomas Eiskirch [SPD]: TOP 2!)

Denn Ihre Politik hat in der Vergangenheit die Weichen falsch gestellt. Ihre Politik hat nicht dafür gesorgt, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen verlässlich planen können.

Deshalb will ich mit dem anfangen, was auch Sie zu Beginn Ihrer Rede aufgegriffen haben und wesentlich ist, nämlich die Frage, ob der Rahmen der Planung in Nordrhein-Westfalen neu gestaltet werden muss, ob nämlich LEP und LEPro zusammengeführt werden müssen. In der Tat haben Sie richtig analysiert: Das muss geschehen. ­ Wir haben es in unseren Koalitionsvertrag hineingenommen, und ich bin mir sicher, dass wir noch in diesem Jahr einen Referentenentwurf aus dem Landesplanungsministerium bekommen.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Der war schon für Februar angekündigt!)

Nun ist allerdings der Zeitpunkt gekommen, Sie daran zu erinnern, wo Ihre Verantwortung war. Ich zitiere aus einer Tagung vom 9. Juli 2002. Damals fand unter dem Titel „Raumordnung und Landesplanung vor neuen Herausforderungen" eine Konferenz der damaligen rot-grünen Landesregierung statt. Der damalige Abteilungsleiter in der Staatskanzlei, Ministerialdirigent Dr. Hans-Joachim Pietrzeniuk, sagte damals wörtlich:

Denn bereits im Herbst will die Landesregierung mit einem Referentenentwurf zum Landesplanungsgesetz in das Gesetzgebungsverfahren gehen.

Mit „Herbst" war der Herbst 2002 gemeint. Weiter sagt er:

Die Zusammenfassung von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan Nordrhein Westfalen wird sich in den Jahren 2003 und 2004 ­ also unter Ihrer Regierungsverantwortung ­ anschließen. Also ist es doch lächerlich, dass Sie sich hier hinstellen und uns Versäumnisse vorwerfen, wenn Sie in Ihrer Regierungszeit Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Das ist im höchsten Maße unseriös. Darum sage ich noch einmal: Es wird die dringend notwendige Zusammenlegung von Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungsplan geben. Aber wichtig ist auch ­ und das haben wir aus den Urteilen der letzten Wochen gelernt ­: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

(Lachen von der SPD ­ Zuruf von der SPD:

Das sagen Sie?)

Ich möchte einen Gesetzentwurf in diesem Hohen Haus beraten, über den man sich vorher Gedanken gemacht hat, damit man nicht nachher ständig nachbessern muss, wie wir es jetzt nach den Gerichtsurteilen zu Ochtrup und Datteln tun müssen.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Warum verlängern Sie um zwei Jahre? Das brauchen Sie doch dann gar nicht!)

­ An dieser Stelle möchte ich noch eine weitere Bemerkung machen, Herr Kollege Eiskirch. Ich habe gerade gesagt: Meine Fraktion will das Steinkohlekraftwerk in Datteln, und wir wollen es am dortigen Standort.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE]) Ihre Aussage zu diesem Thema ­ Ihre sowieso, Herr Remmel ­, aber auch die Aussage der Sozialdemokraten zu dieser Thematik steht aus. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, diesem Hohen Haus gleich zu erklären, ob Sie dieses Kraftwerk ohne Wenn und Aber am dortigen Standort wollen. Mit einem einfachen Ja kann man diese Frage beantworten.

(Beifall von CDU und FDP ­ Thomas Eiskirch [SPD]: Aber auf einer Rechtsgrundlage! ­ Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Wenn Sie das heute zum wiederholten Male nicht tun, Herr Kollege Eiskirch und Frau Kollegin Kraft, (Thomas Eiskirch [SPD]: Jenseits von Recht und Gesetz?) dann setzen Sie sich von Ihrer eigenen Politik ab.

Denn die Grundlagen für die Planung des Kraftwerks in Datteln sind zu Ihrer Regierungszeit gelegt worden.

(Zurufe von der CDU: Aha!)

Es war die von Ihnen geführte Landesregierung, die am 30. April 2004 den Gebietsentwicklungsplan genehmigt hat, der genau diesen neuen Kraftwerksstandort ausgewiesen hat.

(Beifall von der CDU ­ Thomas Eiskirch [SPD]: Nein!)

Es sind die Unterschriften von Axel Horstmann, Bärbel Höhn und Michael Vesper, (Thomas Eiskirch [SPD]: Nein!) die unter diesem Standort für ein neues Kraftwerk zu finden sind.