Ingrid Piepervon Heiden FDP Die ersten Ergebnisse haben wir bereits gesehen

Eine besondere Unterstützung ist ihnen gerade diesbezüglich auch aus der Schulaufsicht heraus zuteil geworden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin!

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Die ersten Ergebnisse haben wir bereits gesehen. Dann kommen Sie bitte nicht her und sagen, diese Landesregierung habe einen massiven Marsch gegen die Gesamtschulen in Gang gesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Uns sind alle Schulen, die wir haben, lieb. Wir reden bei keiner Schulform von dem Reiten eines toten Pferdes, Frau Beer.

(Beifall von der FDP) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pieper-von Heiden. ­ Als nächste Rednerin hat nun Frau Kollegin Beer das Wort.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Es ist schön, dass man sich gar nicht aufregen muss, wenn man sich Frau Piepervon Heiden anhört. Man kann es ganz gelassen sehen. Denn die Frage der Wahrnehmung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Frage der Wahrnehmung von gelungener Praxis hinsichtlich gemeinsamen Lernens im Inland und im Ausland werden wir heute und in Zukunft nicht mehr mit Frau Pieper-von Heiden beantworten können. Deswegen sollte sie in der Bildungspolitik keine Rolle mehr spielen.

Über die Fehlsteuerung von Ressourcen im Haushalt, Frau Pieper-von Heiden und liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, müssen wir in der Tat reden, (Ralf Witzel [FDP]: Sie haben Fehlwahrnehmungen!) weil es nicht sein kann, dass die wichtigen Mittel, die wir hier im Land aufbringen, in Schulformgräben versickern.

(Ralf Witzel [FDP]: Dann ändern Sie die Verhältnisse in der Gesamtschule!) Vielmehr müssen wir die Mittel in effiziente Strukturen überführen, die gemeinsames Lernen und individuelle Förderung ermöglichen.

Herr Witzel, Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass die Gesamtschuloberstufen in diesem Land zwar wunderbar etabliert sind, Ihre Kollegin beim VBE (Ralf Witzel [FDP]: Da sagt der Landesrechnungshof aber etwas anderes!) aber verkündet, dass die FDP die Gesamtschuloberstufen abschaffen möchte.

(Beifall von GRÜNEN und SPD ­ Ralf Witzel [FDP]: Vornotenlifting!)

Dass Sie das in Ihrem gelben Privilegienclub nicht wahrhaben wollen, sagen Sie hier noch einmal ganz deutlich. Herr Witzel, auch Ihre Zeit ist abgelaufen.

(Lachen von CDU und Ralf Witzel [FDP] ­ Ralf Witzel [FDP]: Gut, dass Sie das nicht zu entscheiden haben!) Ja, die Zeit der unsozialen Politik, die durch Sie befördert wird, des Privilegienclübchens, geht zu Ende. Dafür können wir in diesem Land dann auch dankbar sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD ­ Ralf Witzel [FDP]: Alle Umfragen zeigen, dass Sie am Ende sind!) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor. Auch ein Blick in die Runde widerlegt das nicht.

Eine Abstimmung führen wir jetzt nicht durch, denn wir sind momentan noch in der abstimmungsfreien Phase. Nach der Beratung des Einzelplans 06 kommen die Änderungsanträge zum Einzelplan 05.

Ich rufe auf: Einzelplan 06

Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie

Dieser Einzelplan umfasst drei Teilbereiche: „Innovation und Technologie", „Wissenschaft" und schließlich „Forschung".

Ich weise hin auf die Beschlussempfehlung und den Bericht Drucksache des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung 14/10206 und die Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Nummern 21 bis 23 in der auf den Tischen ausgelegten Vorlage.

Ich eröffne die Beratung über alle drei vorgenannten Teilbereiche.

Zunächst darf ich für die Fraktion der SPD dem Abgeordnetenkollegen Schultheis das Wort geben.

Bitte schön, Herr Kollege.

Karl Schultheis (SPD): Verehrte Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Haushaltsentwurf, der zur Beschlussfassung ansteht, ist im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Wochen, und nicht nur der letzten Wochen, sondern mit der Entwicklung unseres Hochschulsystems insgesamt, zu sehen.

(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])

Denn wir müssen feststellen, dass die ordnungspolitischen Vorstellungen der Koalition und von Herrn Minister Pinkwart an ihre Grenzen stoßen.

(Beifall von der SPD)

Das spiegelt sich sowohl in dem Haushalt als auch im Zusammenhang des Haushalts mit dem NRWHochschulgesetz wider. Dieses Gesetz trägt aus unserer Sicht einen Namen, den es so nicht verdient.

(Beifall von der SPD)

Insofern geht es um eine Bewertung dieses Haushalts vor dem Hintergrund der Entwicklung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen und sich natürlich auch die Landesregierung auseinandersetzen muss.

Herr Minister Pinkwart, ich zitiere Ihren Kollegen Stratmann, den CDU-Wissenschaftsminister des Landes Niedersachsen. Der sagt ­ mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich ­:

Wir als Politiker haben den Hochschulen zu viel zugetraut. Wir haben ihre Autonomie respektiert und gefördert. Wir haben aber verkannt, dass die Hochschulleitungen oft gar nicht in der Lage waren, eine vernünftige Reform gegen die Vielzahl von Einzelinteressen und Gremien durchzusetzen. Vielfach haben die Lobbyisten der Teildisziplinen triumphiert, die ihre Inhalte in allen infrage kommenden Modulen bis ins Detail unterbringen und abgeprüft sehen wollten. Darum muss die Politik die Zügel wieder stärker in die Hand nehmen.

Dieses Zitat spiegelt eine Entwicklung wider, die wir schon befürchtet haben, als es darum ging, das NRW-Hochschulgesetz in Gang zu bringen, nämlich dass sowohl das Landesparlament als auch die Landesregierung zunehmend an Gestaltungsmöglichkeiten für den Hochschulbereich verlieren. Wir haben den Eindruck, dass die Landesregierung überhaupt keinen genauen Überblick mehr darüber hat, was in unseren Hochschulen geschieht. Das zeigen auch die Studierendenproteste der letzten Wochen.

(Beifall von der SPD)

Das Volumen des Wissenschaftshaushalts steigt nach den Angaben des Wissenschaftsministeriums um 3,8 %. Das ist natürlich ein wohlklingender Prozentsatz, aber man muss sehen: Wie kommt es zu diesen Mehreinnahmen? Wer zahlt diese Mehreinnahmen bzw. Mehrausgaben für den Wissenschaftshaushalt?

Herr Minister Pinkwart hat in der Sondersitzung des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass seit 2005 rund 600 Millionen mehr in die Hochschulen fließen.

Das war natürlich als besonders positive Bilanz gedacht, die dort vorgelegt werden sollte.

Doch wir müssen fragen: Wer zahlt dieses Mehr von 600 Millionen seit 2005?

Fast die Hälfte dieses Mehr zahlen die Studierenden in Nordrhein-Westfalen über ihre Studiengebühren.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Hört, hört!

Tolle Leistung!)

Wir können davon ausgehen, dass dies in diesem Jahr dann 260 Millionen sein werden. Die Zahl schwankt immer ein wenig, aber das ist die Planungsgröße.

Wir müssen feststellen, dass die Hochschulen ­ das ist auch in dieser Sondersitzung deutlich geworden ­ die Mittel aus dem Hochschulpakt als zusätzliche Mittel für ihren ganz normalen Hochschulhaushalt einsetzen und überhaupt nicht nachgewiesen wird, dass hierdurch zusätzliche Studienplätze geschaffen werden. Auch hier zeigt sich, dass die ordnungspolitische Richtung einem Minister gar keine Handhabe mehr gibt, das, was gewollt ist, durchzusetzen.

Außerdem wird die starke Zunahme an prekären Beschäftigungsverhältnissen sowohl bei den nichtwissenschaftlichen als auch bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Hochschulen in den nächsten Jahren schwerwiegend begleiten. Dies bedeutet im Endeffekt auch eine Minderung der Qualität von Studium und Lehre und bei den Angeboten der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter. Das ist eine fatale Entwicklung.

Es kann nicht sein, dass sich unterhalb der Ebene der Professorinnen und Professoren ein großer Bereich von prekären Beschäftigungsverhältnissen aufbaut. Das geht zulasten der Studierenden und der Hochschulen und ihrer Qualität insgesamt.

Der Haushalt insgesamt lässt den Grundsatz von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit vermissen, was auch schon Thema bei der Beratung des vorhergehenden Einzelplans 05 war:

Sie sehen in diesem Haushalt zwei globale Minderausgaben vor.

Ferner speisen Sie den Innovationsfonds mit Erlösen aus Privatisierungen. Wir haben mehrfach nachgefragt, in welchem Umfang und von wem denn Privatisierungserlöse zu erwarten seien. Diese Fragen sind mit dem Hinweis nicht beantwortet worden, dass man damit die Verhandlungsposition des Landes schwächen würde.

Das könnte ich verstehen, wenn es darum ging, in jedem Fall Ross und Reiter zu nennen, also konkrete Verhandlungspartner. Aber die Aussage über das Volumen, das Sie anstreben, um den Innovationsfonds zu speisen, kann das Parlament meiner Meinung nach erwarten. Sonst bieten Sie hier eine Nullnummer an.

(Beifall von der SPD)

Das sind nur zwei Punkte, an denen deutlich wird, dass viele Fragen offen sind und der Grundsatz der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit nicht die Rolle spielt, die er spielen müsste.

(Beifall von der SPD)

Bei den Steigerungen im Forschungsbereich ist ersichtlich, dass sich die Linie, die Sie in den letzten Jahren eingeschlagen haben, nämlich die Landesaktivitäten zurückzufahren, fortsetzt. Wir sind in der Bund-Länder-Finanzierung in der Situation, dass die Mittel durch den Pakt für Forschung natürlich gesteigert werden und gesteigert werden müssen.

Hier haben wir einen Vertrag mit den anderen Bundesländern und dem Bund; das ist wohl richtig.

Dabei lässt sich aber Folgendes deutlich feststellen:

Der Königsteiner Schlüssel, der sich zum einen durch die Steuereinnahmen des Landes und zum anderen durch die Bevölkerungsentwicklung errechnet und zugrunde gelegt wird, um den Anteil Nordrhein-Westfalens an der überregionalen Forschungsförderung festzulegen, hat sich so entwickelt, dass das Land Nordrhein-Westfalen weniger einzahlen muss. Nun könnte man sagen: Weniger einzuzahlen ist immer gut, aber dieses Weniger an Einzahlung beruht nun eben darauf, dass die Steuereinnahmen und natürlich auch die Bevölkerungszahl gesunken sind. Daher bringen wir, wie gesagt, insgesamt weniger Geld in die überregionale Forschungsförderung ein.

Das finde ich auch deswegen ganz interessant, weil Nordrhein-Westfalen bei wirtschaftspolitischen Debatten sonst als starkes Land dargestellt wird, (Zuruf von der CDU: Das stimmt doch!) wenn wir die Verbindung von Strukturwandel, Wirtschaftspolitik und Bildungspolitik in den Mittelpunkt stellen. Die Zahlen zeigen etwas anderes, (Beifall von der SPD) wenn es darum geht, was wir denn wirtschaftlich und steuerlich mit diesem Engagement erreichen.

Ich bitte Sie also, genau hinzuschauen, wie sich unser Land wirklich entwickelt.

Sie verfolgen auch weiterhin die Linie, die landesfinanzierte außeruniversitäre Forschung schrittweise abzubauen. Titelgruppe 73 schmilzt immer weiter ab. Dadurch werden die Forschungsaktivitäten weniger sichtbar und verlieren damit an Bedeutung für das Land Nordrhein-Westfalen. Wir halten diesen Weg für falsch. In einigen Jahren werden wir bilanzieren können, welch verheerende Wirkung das hat.

Zur Studierendenförderung. Hier stehen Studiengebühren im Raum und das BAföG soll erhöht werden. Auch soll der Stipendienfonds aufgestockt werden, der als große Leistung in die Vertragsverhandlungen der Koalition in Berlin eingebracht worden ist. Er erreicht eine ganz kleine Zahl von Studierenden in Nordrhein-Westfalen. Und die Stipendien sollen auch nur nach Begabung vergeben werden.

10 % sind das Ziel. Bisher bekommen 0,3 % der Studierenden diese Stipendien.

Wir sind der Meinung, dass das Geld des Stipendienfonds nicht die Rücknahme der Studiengebühren ersetzen kann, wie diskutiert wird. Denn dann müsste ein ganz anderes Stipendiensystem aufgebaut werden, das sich sowohl an sozialen als auch an Leistungskriterien bemisst.

(Beifall von der SPD) Hierbei handelt es sich also um eine Politik gegen die Mehrheit der Studierenden, die dazu beiträgt, dass die möglichen Studierenden, also mehr Studienberechtigte, immer seltener ein Studium beginnen. Das ist Ihnen in den letzten Wochen auch wieder attestiert worden. Diese Entwicklung setzt sich fort. Das kann sich Nordrhein-Westfalen nicht leisten. Wir brauchen so viele Studierende wie möglich und dürfen nicht durch Studiengebühren abschrecken. Dieses Stipendienmodell ist ungeeignet, eine Gegenwirkung zu erzeugen.

Sie bleiben auch bei der Zerschlagung der Studienkollegs für ausländische Studierende ­ ganz im Gegensatz zu vielen Bundesländern, die die Studienkollegs ausgebaut haben, um begabte ausländische Studierende in ihr Bundesland zu holen. Hier wird behauptet, all die Mittel, die vorher in die Studienkollegs investiert wurden, würden jetzt für die beiden Stipendienprogramme für ausländische Studierende eingesetzt. Dies ist nicht der Fall, meine Damen und Herren; denn die Mittel, die bisher aus dem Schulhaushalt für die Lehrerinnen und Lehrer bereitgestellt wurden, fließen nicht in diese Stipendienprogramme ein. Also auch bei der Studierendenförderung insgesamt gibt es eine negative Entwicklung, die unserem Land schadet.

Einen einzigen Punkt muss ich positiv hervorheben.