Bevor wir in die Tagesordnung eintreten möchte ich Ihnen einen Hinweis zum Tagesordnungspunkt 15 Beschlüsse zu Petitionen geben

Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen einen Hinweis zum Tagesordnungspunkt 15 „Beschlüsse zu Petitionen" geben. Dieser Tagesordnungspunkt muss heute entfallen, da aus technischen Gründen die entsprechende

Drucksache nicht fertig gestellt werden konnte.

Die Übersicht 8 wird am 15./16. Februar 2006

Gegenstand der Tagesordnung des Plenums sein.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur Tagesordnung.

Ich rufe auf: 1 Bildung einer „

Michael Solf (CDU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Johannes Rau, um den wir heute trauern, hatte die seltene Gabe, die Herzen der Menschen mit dem Wort zu berühren.

Als erfolgreicher und tatkräftiger Ministerpräsident wusste er aber auch: Mit Worten allein ist es nicht getan. Denn eines der ärgerlichsten Missverständnisse, mit denen unsere Demokratie leben muss, ist der Glaube an die Macht des unverbindlichen Wortemachens.

Solange man miteinander rede, sei schon alles gut, so meinen viele allenthalben. In ganz besonderem Maße gilt dies für das so bedeutende Politikfeld der Integration. Natürlich ist jeder Kontakt zwischen einem Deutschen und einem Migranten etwas Gutes: Man lernt voneinander, vielleicht freundet man sich an. Aber reicht das? Reichen Empathie, Wohlwollen, Freundlichkeit? ­ Ich sage nein.

Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen Glaubens werden den ihnen zustehenden Platz in unserem Gemeinwesen, ihren Platz als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nur finden, wenn wir ihnen mehr anbieten als noch so gute persönliche Freundschaft. Und: wenn wir auch mehr von ihnen fordern.

Einen Anfang haben alle im Landtag vertretenen Fraktionen im Jahr 2001 gemacht, als wir die Integrationsoffensive NRW auf den Weg gebracht haben. Heute wollen wir ­ wiederum gemeinsam ­ einen weiteren Schritt gehen. Dieser Schritt kommt als Wortungetüm daher, aber das ging nicht anders. Eine parlamentarische Arbeitsgruppe soll Kriterien für die Errichtung einer repräsentativen, einer demokratisch legitimierten Vertretung der Muslime in unserem Land entwickeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Einen solchen Vertrag wollen jetzt alle Fraktionen.

Verzichten wir also auf das Klopfen auf die je eigene Schulter und freuen uns über so viel Gemeinsamkeit.

Welchen Weg man gehen könnte, um zu einer repräsentativen Vertretung zu kommen, haben sowohl ich vor ziemlich genau zwei Jahren als auch einige von Ihnen angedacht. Wir sollten aber heute nichts präjudizieren, sondern gemeinsam und ergebnisoffen an die Aufgabe herangehen. Sie muss nämlich jenseits der Alltagspolitik im Konsens gelöst werden.

Warum wollen wir den geregelten Dialog? In Nordrhein-Westfalen leben rund eine Million Musliminnen und Muslime. Viele sind in Gemeinden und Verbänden zusammengeschlossen. Von ihnen ist keiner gleich und keiner kann für den anderen sprechen. Dies ist zunächst positiv, weil es das leider immer noch anzutreffende Vorurteil, es gebe den Islam, widerlegt. Für die Landesregierung und für uns als Gesetzgeber ist es aber schwierig, niemanden zu haben, der uns verbindlich antworten kann. Dies wollen wir ändern.

Um welche Fragen geht es? ­ Die wohl drängendste Frage ist die nach dem Schulfach islamische Religion. Die Geschichte der Diskussion um die Einführung dieses Schulfaches ist lang, entmutigend und enttäuschend. Wir haben in einer wenn auch notwendigen, so doch sehr deutsch geführten Diskussion eine sehr hohe Rechtssicherheit für die Aussage erreicht, es könne noch keinen islamischen Religionsunterricht geben.

Aber dies ist sogleich die höchste Ungerechtigkeit für diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die hier dauerhaft und legal leben, die Grundprinzipien unseres demokratischen Gemeinwesens anerkennen und die Menschen islamischen Glaubens sind. Hier wollen und werden wir den entscheidenden Durchbruch schaffen.

(Allgemeiner Beifall)

Andere Themen sind zum Beispiel Fragen des Moscheebaus, Fragen der Bestattung, die Notwendigkeit seelsorgerischer Angebote in Krankenhäusern etc. Die Liste ist verlängerbar und vor allem offen. Am Ende des Weges, den wir heute gemeinsam zu gehen beginnen, soll ein Gremium als eine Art Transmissionsriemen stehen, der uns die religiösen Anliegen der Musliminnen und Muslime klarer erkennen lässt, der es uns aber auch ermöglicht, Verständnis zu finden, wenn wir einmal anderer Meinung sind.

Jedenfalls wollen wir nicht nur miteinander reden, sondern auch handeln. Ich bitte also die Musliminnen und Muslime, ich fordere sie herzlich auf, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen. ­ Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Allgemeiner Beifall) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Solf. ­ Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Altenkamp.

Britta Altenkamp (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über zwei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Nordrhein-Westfalen, über die Hälfte von ihnen ist muslimischen Glaubens. Da in der letzten Woche eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema „Umgang mit dem Islam" angekündigt worden ist, stellt sich natürlich die Frage, warum es noch eine parlamentarische Arbeitsgruppe geben muss. Ich denke, das beantwortet sich von selbst.

Das Parlament als Gesetzgeber ist ganz sicher in der Verpflichtung, in diesem Dialogverfahren nicht nur auf dem Verwaltungswege viel laufen zu lassen, sondern dieses auch parlamentarisch zu begleiten. Denn wir sind die demokratisch legitimierten Vertreterinnen und Vertreter der deutschen und wahlberechtigten Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen. Wenn wir mit den Muslimen das Gespräch suchen und aufnehmen, dann geht es eben darum ­ das ist schon gesagt worden ­, eine demokratisch legitimierte Vertretung der Muslime hier in Nordrhein-Westfalen aufzubauen.

Wir knüpfen damit an die Integrationsoffensive von 2001 und damit auch ein bisschen an die Bereitschaft und den Geist von 2001 an, dass wir hier im Parlament Gemeinsames betonen und weniger die Unterschiede herausstellen wollen.

Leider ist dies in den vergangenen Jahren nicht immer so gewesen, und leider ließ sich dieser Gedanke auch nicht immer fortsetzen.

Wir wollen offen in diesen Dialog gehen, aber wir haben das klare Ziel, zu einer demokratisch legitimierten Vertretung der Muslime in Nordrhein Westfalen zu kommen. Das wird kein einfacher Weg. Das wird ein steiniger Weg, aber wir sind bereit, ihn gemeinsam zu gehen.

Es wird Zeit brauchen; davon bin ich überzeugt.

Die wollen wir uns nehmen, die sollten wir uns nehmen, und die sollten wir auch unseren Dialogpartnern geben.

Wir müssen Vereinbarungen gemeinsam tragen ­ alle Fraktionen müssen diese Vereinbarungen tragen ­, wenn sie denn gefunden werden.

Aber ­ das sollte man auch deutlich machen ­ wir haben auch Erwartungen an die muslimischen Verbände, an die Vertreter der Muslime in Nordrhein-Westfalen. Vor allem geht es darum, dass die Vertreter Offenheit zeigen ­ Offenheit dahin gehend, dass alle an dem Dialog teilnehmen und dass man auch ertragen muss, dass ein anderer mit einer anderen Position am Tisch sitzt.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Das bedeutet für mich, dass es von einem Verband keine Politik des leeren Stuhls geben darf; das haben wir in der Vergangenheit zu oft erlebt.

Das muss von Anfang an deutlich gemacht werden.

Wir müssen auch deutlich machen: Es können alle Themen behandelt werden, aber die Reihenfolge wird in der Arbeitsgruppe besprochen. Es ist nicht die Stelle, wo über ein Curriculum für islamischen Religionsunterricht gesprochen wird, aber es ist der Kreis, der den Weg ebnen kann, zu einem solchen Religionsunterricht in deutscher Sprache für alle Muslime in Nordrhein-Westfalen zu kommen. Wir wollen in solchen und auch in anderen Fragen politisch und menschlich Vermittler sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an diesem Tag mit einem Zitat von Johannes Rau aus seiner Berliner Rede „Ohne Angst und ohne Träumereien: Gemeinsam in Deutschland leben" aus dem Jahr 2000 schließen. Zu dem Thema Umgang mit dem Islam hat Johannes Rau gesagt ­ ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin ­: „Unsere Gesellschaft ist immer noch stark von christlichen Traditionen geprägt, doch sie ist stärker säkularisiert, als viele wahrnehmen."

Weiter heißt es: „Unsere Verfassung baut auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. Der Islam ist nicht wie eine Kirche strukturiert. Deshalb brauchen wir eine andere Form verlässlicher, institutioneller Kooperation mit den Muslimen in Deutschland. Wir brauchen auf der Grundlage unserer Verfassung eine Regelung, die den berechtigten Interessen der Mitbürger muslimischen Glaubens entspricht. Worauf wir bestehen müssen, auch im Interesse aller Kinder, die hier leben, will ich klar sagen: In unseren staatlichen und privaten Schulen werden die Kinder ­ auch im Religionsunterricht ­ im Sinne der Grundwerte unserer Verfassung erzogen."

Meine Damen und Herren, ich denke, diesen Worten von Johannes Rau gibt es, was den Geist und den Sinn dieser parlamentarischen Arbeitsgruppe angeht, nichts hinzuzufügen. ­ Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Altenkamp. ­ Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich glaube, dass das, war wir heute tun, ganz im Sinne von Johannes Rau ist und dass sich Johannes Rau über den Antrag, den wir heute beschließen, sehr gefreut hätte. Kollegin Altenkamp hat darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren, im Grundgesetz sind die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Die Religionsfreiheit gilt sowohl für den einzelnen Menschen als auch für religiöse Vereinigungen.

Es gibt in Deutschland aus gutem Grund keine Staatskirche. Die Trennung von Kirche und Staat gewährleistet eine weltanschauliche Neutralität des Staates auf der einen Seite und ein religiöses Selbstbestimmungsrecht auf der anderen Seite.

Aber das Verhältnis ist nicht auf Ausgrenzung, sondern auf ein partnerschaftliches Miteinander angelegt. Grundlage sind neben der Verfassung Staatskirchenverträge, die der Staat mit einer Religionsgemeinschaft abschließt, Konkordate mit der katholischen Kirche, die wir kennen, sowie Kirchenverträge mit den evangelischen Kirchen.

Mit diesen Verträgen wird ein Ausgleich staatlicher und religiöser Interessen geschaffen. Sie sind nicht einseitig, sondern sie beruhen auf einer Selbstbindung beider Vertragsparteien.

Der Gegenstand solcher Vereinbarungen reicht von der Ausbildung von Theologinnen und Theologen an öffentlichen Universitäten und dem Mitspracherecht der Kirchen bei der Besetzung von Lehrstühlen über die Seelsorge in Krankenhäusern und Justizvollzugsanstalten bis hin zu Mitwirkungsrechten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

So weit, so gut.

Aber, meine Damen und Herren, wenn wir es mit der Integration in unserem Land ernst meinen, können wir in diesem gesellschaftspolitisch so wichtigen, fein austarierten Beziehungsgeflecht nicht eine Million Menschen muslimischen Glaubens in Nordrhein-Westfalen außen vor lassen.

Integration kann aus meiner Sicht nur gelingen, wenn neben der sozialen und sprachlichen Integration auch eine religiöse Integration stattfindet, und zwar auf der Basis einer Kultur der Anerkennung und nicht der Ausgrenzung. In meinem Staatsverständnis gehören die Religionen gleichgestellt in die Mitte der Gesellschaft. Auch das ist ein Beitrag, auch das ist Vorbeugung gegen extremistische Auswüchse in unserem Gemeinwesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Bemühungen gab es in den letzten Jahren viele, um zu einer Übereinkunft mit Vertretern der Muslime ­ ähnlich der Verträge mit den Kirchen in NRW ­ zu kommen.

Aber es gelang bisher nicht, die Verschiedenheit und Zersplitterung der muslimischen Verbände unter ein gemeinsames Dach zu bringen, um damit einen Ansprechpartner als Interessenvertreter möglichst vieler Muslime in NRW zu haben.