Unruhe von der CDU Billerbeck hat in seinem städtischen Ballungsraum eine Hauptschule mit 9 %

(Unruhe von der CDU) Billerbeck hat in seinem „städtischen Ballungsraum" eine Hauptschule mit 9 % Migrantenanteil.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, wo sich diese Schulformen im Ganztag tatsächlich finden.

Wer schickt Sie denn am 29. September, Frau Ministerin, in die Bütt, wohl wissend, dass Sie den erklärten Zielpunkt 1. Februar überhaupt nicht erreichen können? Oder, anders ausgedrückt: Warum steht das, was Sie sagen, in totalem Gegensatz zu dem, was Sie tatsächlich öffentlich umsetzen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben seitens der SPD-Fraktion eine Kleine Anfrage gestellt und hoffen, klare Antworten zu erhalten, nach welchen Kriterien diese 20 Hauptschulen ausgewählt worden sind. Mit Sicherheit sind sie nicht ausgewählt worden nach den von Ihnen in dem Erlass definierten Kriterien. Wir sind sehr gespannt, wie hoch sich der Migrantenanteil an den einzelnen Hauptschulen darstellt. Außerdem beobachten wir sorgfältig, ob weiterhin Hauptschulen im ländlichen Raum bedient werden und wie sozial benachteiligte Gebiete überhaupt beteiligt werden.

(Michael Solf [CDU]: Wenn etwas polemisch ist, dann das! ­ Beifall von der CDU) Völlig daneben ist im Übrigen ­ das sage ich jetzt einmal an die CDU-Fraktion und auch an die FDP-Fraktion gerichtet ­ der stereotyp vorgetragene Vorwurf, die Hauptschulen in Nordrhein Westfalen seien jahrzehntelang vernachlässigt worden.

(Zuruf von der CDU: Genau! ­ Beifall von der CDU)

Das ist eine üble Unterstellung.

(Beifall von der SPD ­ Zurufe von der CDU: Oh!)

Dass Sie das nicht hören mögen, kann ich mir ja vorstellen.

Vizepräsident Edgar Moron: Frau Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Recker?

Ute Schäfer (SPD): Ich möchte gern meine Rede zu Ende führen und dann die Frage am Schluss entgegennehmen.

Ich behaupte, dass das eine Unterstellung ist. Ich möchte dafür ein paar Fakten ins Feld führen, damit dies auch belegt wird.

Wir haben 370 Stellen zur Sprachförderung in Klasse 5 und 6 eingerichtet. Wir haben an zwei Dritteln aller Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen bisher Ganztagsangebote. Sie haben dankenswerterweise gesagt, Frau Ministerin, dass sogar schon 148 Schulen bis jetzt in Ganztag gelaufen sind. 304 Hauptschulen mit 526 Gruppen wurden in der Vergangenheit vom Land bei Förder- und Betreuungsangeboten unterstützt. Wir hatten bis jetzt auch die finanzielle Förderung von 250 Sozialpädagogen übernommen, die Sie jetzt dankenswerterweise in Arbeitsverhältnisse übernehmen. Das hätten wir eventuell auch getan.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Das konnten wir leider nicht unter Beweis stellen.

Darum bin ich auch traurig.

Wir haben 60 Projekte für schulmüde Jugendliche ins Leben gerufen. 62 Beratungsstellen zum Übergang Schule/Beruf ergänzen dieses Programm. Wir haben 46 Jugendwerkstätten.

Die Hauptschulen haben und hatten bis jetzt immer eine außerordentlich günstige Schüler-Lehrer-Relation. Sie waren und sind mit Lehrerinnen und Lehrern gut versorgt.

Ich bitte Sie einfach, dieses Ammenmärchen wegzulassen, wonach die rot-grüne Landesregierung die Hauptschulen vernachlässigt habe. Glauben Sie nicht, dass Sie jetzt mit dem Ganztag all diese Probleme lösen werden, die wir nach wie vor an den Hauptschulen haben werden! An dieser Stelle begehen Sie einen Irrweg.

Ich möchte noch einen Blick in den aktuellen Haushaltsentwurf werfen. Schauen wir uns einmal an, wie Sie mit den Hauptschulen umgehen und wie wir mit den Hauptschulen umgegangen sind.

Im Haushaltsentwurf 2006 steht, dass an den Hauptschulen 1.300 Stellen gestrichen werden sollen. Unter Rot-Grün lag die Stellenzahl im Jahre 2005 an den Hauptschulen um 820 Stellen über dem eigentlichen Bedarf.

(Beifall von der SPD)

Unter Schwarz-Gelb ist diese Zahl mit 600 vergleichsweise kleiner.

(Beifall von Annegret Krauskopf [SPD])

Das ist unschwer auszumachen; das können Sie im Haushaltsentwurf nachlesen.

Jetzt kommen Sie und sagen, okay, wir richten 500 Stellen für den Ganztag ein. Schauen wir aber noch konkreter in den Haushaltsentwurf hinein, wie ich es getan habe, entnehmen wir ihm: Sie streichen bei den Hauptschulen 73 Moderatorenstellen. Sie weiten auch die Anzahl der sogenannten Leerstellen, also der nicht besetzten, aber gezählten Stellen, um 72 aus. Und statt der 77 Stellen, die Referendare sozusagen durch den bedarfsdeckenden Unterricht erwirtschaften müssen, die im Jahre 2005 eingesetzt waren, setzen Sie jetzt 186 ein und nehmen damit wieder 109 eigentliche Planstellen von den Hauptschulen weg.

Wenn man das alles miteinander vergleicht, frage ich mich, wo im Stellenplan sich Ihre große Offensive wiederfindet.

(Beifall von der SPD) Sie können in dem eingebrachten Haushaltsentwurf das eine oder andere noch einmal nachvollziehen. Er ist nicht ganz leicht lesbar. Wir arbeiten uns mühsam durch. Ich finde ihn etwas nebelkerzenartig. Aber wenn man sich einarbeitet, kommt man den Dingen schon ganz gut auf die Spur.

Ein abschließendes Wort möchte ich noch an die CDU-Fraktion richten. Der Fraktionsvorsitzende Stahl ist jetzt nicht da. Ich denke aber, ein Fraktionsvorsitzender achtet immer auf die Qualität der Anträge und auf die Formulierungen, die man dann im Landtag beschließen möchte. Ich möchte Sie alle mit der Nase auf eine Formulierung stoßen.

(Bernhard Recker [CDU]: Ich habe keine Frage gestellt!)

In Ihrem Antrag heißt es nämlich: „

Für sie wäre meine Antwort vielleicht auch ganz passend gewesen. Aber Frau Schäfer und Frau Beer sind noch anwesend. Insofern sitzen die richtigen Adressaten hier.

(Zuruf von der SPD: Adressatinnen!)

Die neue Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben es sich zur vordringlichen Aufgabe gemacht, das Schul- und Bildungswesen im Allgemeinen und die Hauptschulen im Besonderen grundlegend zu reformieren. Dies ist dringend erforderlich, da sie, meine Damen und Herren von der Opposition ­ Frau Schäfer, jetzt müssen Sie sich das leider zum dritten Mal anhören ­, in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren mit Ihrer Schulpolitik nachweislich speziell die Hauptschulen bewusst und gewollt auf das Gröbste vernachlässigt haben.

(Beifall von der CDU ­ Zuruf von der SPD: Falsch! Das ist eben widerlegt worden!)

Wenn ich nachher noch Zeit habe ­ ich bilde seit 28 Jahren aus ­, kann ich Ihnen ein Beispiel aus der Praxis nennen.

(Beifall von der CDU)

Die Pisa-Ergebnisse belegen eindeutig, dass die Hauptschulen einer dringenden Förderung bedürfen, um bestehende Qualitätsmängel und Leistungsdefizite zu beseitigen.

Es hatte durchaus seine Berechtigung, als Ministerpräsident Rüttgers im Landtagswahlkampf sagte: Ich möchte, dass Hauptschüler wieder vernünftig rechnen, schreiben und lesen können. ­ Frau Schäfer, darüber hinaus hat Ihre Schulpolitik in den letzten Jahren nicht besonders dafür gesorgt ­ so ist jedenfalls mein Eindruck ­, dass an den Schulen Allgemeinwissen vermittelt wird.

(Beifall von der CDU)

Unser Antrag soll dafür sorgen, dass die Hauptschule wieder den Stellenwert in der Gesellschaft erhält, der ihr zusteht. Wir wollen, dass die Schule ihre primäre Aufgabe, nämlich Wissen zu vermitteln, wieder an die erste Stelle stellt. Wir wollen, dass die Schule die Aufgabe übernimmt, Kinder und Jugendliche in die Lage zu versetzen, in der Berufswelt zu bestehen. Wir wollen, dass die Schule auch wieder ­ ob Sie das jetzt hören wollen oder nicht ­ einen ernsthaften und wichtigen Erziehungsauftrag wahrnimmt, (Beifall von der CDU) und zwar in Verbindung mit einem zu verstärkenden Erziehungsauftrag im Elternhaus.

Woher kommt es wohl, verehrte Opposition, dass insbesondere die Hauptschule in unserem Bildungswesen heutzutage mit Abstand den schlechtesten Ruf hat? Woher kommt es, dass Arbeitgeber aus Handel, Handwerk und Mittelstand bei Perso naleinstellungen Hauptschüler in ihrer Auswahl zurückstellen? Woher kommt es wohl, dass ein so hoher Prozentsatz von Hauptschülern die Schule ohne Abschluss verlässt und somit kaum oder gar keine Chance im Berufsleben hat? Woher kommt es, dass in unserer Gesellschaft das böse Wort von der sogenannten „Restschule" ­ Frau Ministerin Sommer hat es eben auch erwähnt ­ die Runde macht? Es ist so: Dieses Wort macht die Runde. ­ Als Letztes: Woher kommt es wohl, dass unsere Anspruchsgesellschaft ­ meiner Meinung nach ­ eine bedeutende Mitschuld im schlechten Ruf der Hauptschule hat? ­ Weil Sie und große Teile der Gesellschaft die Hauptschule bewusst schlecht geredet haben.

(Beifall von der CDU) Sehr geehrte Frau Schäfer, sehr geehrte Opposition, all das sind die Auswirkungen und Ergebnisse von 39 Jahren roter bzw. rot-grüner Bildungspolitik: völlig verfehlt, Klassenziel nicht erreicht.

(Beifall von der CDU) Unsere Politik ist aufgerufen, Schulen und Lehrern das erforderliche Handwerkszeug für einen Umschwung, eben für eine Qualitätsentwicklung der Hauptschule, an die Hand zu geben. Wir lassen die Hauptschulen nicht im Stich, während Sie jahrelang die Gesamtschulen bevorzugt haben.

(Beifall von der CDU)

Um eine praxisorientierte Ausbildung von Hauptschülerinnen und Hauptschülern zu erreichen, wollen wir eine Verzahnung des Unterrichts mit unterrichtsergänzenden und außerschulischen Aktivitäten und Angeboten. So können die Schülerinnen und Schüler nicht nur Zusatzqualifikationen erwerben, sondern es können auch Neigungen und Interessen geweckt und gefördert werden, die eine spätere Ausbildungs- und Berufswahl erleichtern.

Wir wollen durch konkrete Maßnahmen, wie Berufsberatungen durch das Arbeitsamt, Besuche des Berufsinformationszentrums oder Betriebspraktika, oder durch die Mitwirkung in Netzen von Schulen und Unternehmen und in Projektwochen die Qualifikation von Hauptschulabgängern verbessern.

Dabei ist die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern bei der Gestaltung des Ganztagsangebots und des Unterrichts von großer Bedeutung. So können mit verschiedenen Firmen Veranstaltungen geplant werden, die den Jugendlichen einen Einblick in die spätere Arbeitswelt und mögliche Kontakte unter anderem für Praktika vermitteln.

Unser Ziel soll eine verstärkte Hinführung der Schülerinnen und Schüler zur Wirtschafts- und Arbeitswelt sein. Dafür werden sie ausgebildet, und darin müssen sie bestehen. Wir müssen vom Kopf her eine Richtungsänderung der Hauptschule wollen. Wir wollen unsere Kinder zu leistungsbereiten, leistungsfähigen und pflichtbewussten Mitgliedern unserer Gesellschaft erziehen: einen jeden nach seinen Fähigkeiten, Eigenschaften und Möglichkeiten. Es müssen eine neue Grundeinstellung und ein neuer Auftrag an Schule, Bildung und Erziehung vermittelt werden.

In diesem Zusammenhang drängt sich auch die Frage nach den elementaren Wertevorstellungen auf. So bedauerlich das ist: Wer spricht heute in Verbindung mit Schule noch von der Vermittlung von Werten? Wer spricht heute noch von Begriffen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Disziplin? Wer spricht heute noch von Verantwortungsbewusstsein, Pflichten, Fleiß und Leistung? All dies sind in unserer heutigen Gesellschaft leider Fremdworte geworden, sowohl in der schulischen als auch bedauerlicherweise oft in der häuslichen Erziehung. Für uns sind das keine Fremdworte.

Frau Ministerin Sommer, ich bin froh, dass unser neues Schulgesetz die Wiedereinführung von Kopfnoten vorsieht, um diese Werte wieder fest zu verankern.

(Beifall von der CDU)

Wir brauchen bei der Reform des nordrheinwestfälischen Schulwesens besonders eine Reformierung der Hauptschule. Grundvoraussetzungen sind hierbei Elemente wie Fordern und Fördern: Fördern bereits im vorschulischen Alter im Hinblick auf mögliche Sprachdefizite; Fördern im Hinblick auf unterschiedliche Fähigkeiten, was Rechnen, Schreiben und Lesen betrifft; Verbesserung der Durchlässigkeit des Schulwesens, und zwar von unten nach oben; zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung stellen, um eine Verbesserung der individuellen Förderung besonders in sozialen Brennpunkten zu erreichen.

Vizepräsident Edgar Moron: Herr Kollege, kommen Sie langsam zum Schluss Ihrer Rede.

Horst-Emil Ellinghaus (CDU): Ich muss noch etwas schneller vortragen. Entschuldigung.

Vizepräsident Edgar Moron: Nein, Sie müssen einfach aufhören.

Horst-Emil Ellinghaus (CDU): Ein weiteres wesentliches Element wird, langfristig gesehen, die Schaffung von 50.000 Ganztagsplätzen sein.