Vorsitz Vizepräsident Edgar Moron Was erleben wir aber Ein Stückwerk wie die angebliche Polizeireform

Filmstiftung vorgenommen haben, „Medienland ist abgebrannt". Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der Regierung, eines muss Ihnen doch klar sein: Sich auf den Projekten der Vorgängerregierung auszuruhen, trägt nicht. Symbolpolitik und purer Aktionismus werden unser Land nicht weiterbringen. Die Menschen erwarten schlüssige Gesamtkonzepte.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Was erleben wir aber? Ein Stückwerk wie die angebliche Polizeireform. Wer heute nicht erklären kann, mit welchen Zielsetzungen und nach welchen Kriterien er reformieren will, der kann keine Akzeptanz erzielen. Da reicht eine Leerformel wie „mehr fahnden statt verwalten" nicht.

Gleiches gilt für die Verwaltungsstrukturreform. Es werden einfach neue Türschilder aufgehängt. Es ist schon eine besondere Form von Logik ­ erklären Sie das einmal den Menschen draußen ­, dass Sie 46 Sonderbehörden in die Bezirksregierungen, die Sie erklärtermaßen in nächster Zukunft abschaffen wollen, eingliedern. Das versteht in diesem Land kein Mensch, Herr Ministerpräsident. Schilda lässt grüßen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN ­ Zuruf von der SPD: Herr Palmen wird das verstehen!)

Meine Damen und Herren, unser Verständnis von Politik ist ein anderes, auch in der Opposition.

Auch wir ziehen Bilanz. Wir haben die vergangenen Monate genutzt.

(Zurufe von Peter Biesenbach [CDU] und Hendrik Wüst [CDU])

­ Nun warten Sie doch einmal ab. Ja, Sie sind neidisch auf die Ergebnisse, die da erzielt worden sind.

(Lachen von der CDU)

Wir arbeiten in zentralen Politikfeldern an schlüssigen Gesamtkonzepten für dieses Land.

(Ralf Witzel [FDP]: Einheitsschule!)

­ Warten Sie doch einmal ab. Ein zentrales Feld ist dabei der Bereich Familie und Betreuung. Darum haben wir die Enquetekommission „Chancen für Kinder" beantragt ­ für uns! Wir erwarten uns davon wichtige Grundlagen für die notwendigen politischen Entscheidungen.

Daneben arbeiten wir auch an einem Gesamtkonzept Bildung, (Ralf Witzel [FDP]: Einheitsschule!) Bildungspolitik aus einem Guss, die beste Schule für NRW.

Anders als Sie, meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, hören wir den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den Experten, aber auch den Betroffenen zu, bevor wir entscheiden. Sie hören nicht einmal bei Ausschusssitzungen zu. Sie sind beratungsresistent.

(Beifall von SPD und GRÜNEN) Uns ist klar: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. So verstehen wir verantwortungsvolle Politik. Nach dem gleichen Prinzip gehen wir auch in den Feldern Arbeit und Ausbildung, Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt und Gesellschaft der Zukunft vor.

Wir wissen: Die Antworten und die Konzepte von gestern werden nicht dabei helfen, die Probleme von morgen zu lösen. Deshalb ist das Wichtigste für Politiker, lernfähig zu bleiben. Das werden wir leisten.

(Beifall von der SPD)

Es geht im Kern in vielen dieser Bereiche, die ich genannt habe, auch um die Rolle, die wir dem Staat in unserer Gesellschaft zuweisen. Dies ist das zentrale Thema.

In den letzten Jahren wurde es zunehmend modern, den Staat schlecht ­ und seine Aufgaben kleinzureden. Ich gestehe gerne ein: Auch wir Sozialdemokraten waren daran ­ allerdings weniger als andere ­ ein bisschen mit beteiligt. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, dann wäre mit der Bundestagswahl im letzten Jahr der Startschuss für eine weitgehende Entstaatlichung unserer Gesellschaft erfolgt. Von diesen Plänen ist Gott sei Dank auf Bundesebene nicht mehr viel übrig geblieben. Da ist die SPD vor, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Nur die Landesregierung Nordrhein-Westfalen klammert sich noch an dieses gescheiterte Projekt. Sie realisieren offensichtlich gar nicht, welche Verschiebung da gerade in der öffentlichen Meinung stattfindet. Gehen Sie raus! Reden Sie mit den Menschen! Dann merken Sie: Die Menschen erwarten, dass der Staat funktioniert und dass er stark genug ist, sie zu schützen ­ nicht nur bei der inneren Sicherheit, sondern auch und gerade im Feld der sozialen Gerechtigkeit und der Chancengleichheit.

Auch hier lassen Sie mich unverdächtige Zeugen benennen. Die Bertelsmann-Stiftung hat mit ihrer Repräsentativumfrage „Staat der Zukunft" im Au gust 2005 folgende Zahlen erhoben: Mehr als 90 % der Bundesbürger erwarten, dass der Staat für gleiche Bildungschancen sorgt. 89 % erwarten von ihm, dass er Gerechtigkeit sicherstellt.

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU]) Herr Papke, im Vokabular der FDP kommt der Begriff gar nicht vor.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dass er für individuelle Entfaltungsmöglichkeiten sorgt, wird dagegen nur von jedem Zweiten als wichtig erachtet. Das sollte Ihnen doch zu denken geben, Herr Papke. Mit Ihrer Formel „Freiheit vor Gleichheit" (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Richtig!) werden Sie den Erwartungen der Menschen nicht gerecht. Für uns wird es immer beim Gleichklang von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit bleiben, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN) Ähnliches geht aus dem Bericht „Perspektive Deutschland" der Initiative von McKinsey, Stern, ZDF und anderen hervor.

76 % der Teilnehmer an dieser Studie ­ einer Repräsentativbefragung -wünschen, dass die sozialen Unterschiede künftig geringer beziehungsweise viel geringer sein sollen als heute. Auf die Frage, wie das erreicht werden kann, weisen die Teilnehmer vor allem dem Staat eine aktive Rolle zu. Die Autoren bilanzieren das mit der Feststellung, der Ruf nach mehr Staat sei lauter als im Vorjahr.

Ihr Programm „Privat vor Staat" verliert offensichtlich ständig Anhänger, Herr Ministerpräsident. Die Menschen haben begriffen, dass es nicht der richtige Weg ist, den Staat finanziell und organisatorisch so zu schwächen, dass er den Schwächeren und Schwächsten nicht mehr helfen und die Stärkeren ­ falls erforderlich ­ nicht mehr in ihre Schranken weisen kann.

Deshalb sind wir der Überzeugung, dass Ihr Weg ein Irrweg ist. Er würde unser Land spalten und am Ende dazu führen, dass es in der Konkurrenz zu anderen Ländern nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Deshalb treten wir dafür ein, auch zukünftig einen starken und handlungsfähigen Staat zu erhalten.

Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass wir beharren oder verharren wollen. Es muss beim Staat eine Effizienzsteigerung geben. Aber es darf nicht der Grundsatz „Privat vor Staat" wie eine Monstranz voran getragen werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ein starker und handlungsfähiger Staat muss die notwendige finanzielle Basis in einem gerechten Steuersystem finden und über wirksame Instrumente verfügen, um Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit durchsetzen zu können. Wir werden diese Debatte offensiv führen.

Aber, Herr Ministerpräsident, freuen Sie sich lieber nicht zu früh. Denn dabei vernachlässigen wir natürlich nicht die klassische Rolle der Opposition.

Das verspreche ich Ihnen. Ich versichere Ihnen, wir werden Ihnen auch weiterhin keinen Fehler durchgehen lassen. Und davon gibt es bei Ihnen ­ insbesondere in der Staatskanzlei ­ reichlich, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von SPD und GRÜNEN) Ihre Bilanz ist vor allem eine Bilanz von Pleiten, Pech und Pannen. Noch schlimmer: Handwerkliches Unvermögen trifft sich in Ihrer Regierung mit ideologischer Verblendung.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Daraus kann nichts Gutes für dieses Land entstehen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sagen Nein zu Ihrem unsozialen Haushalt. Wir sagen Nein zu Ihrem Umverteilungskurs, bei dem die Kleinsten die größten Verlierer sind. Wir sagen Nein zu Ihrer Politik ohne Herz und Verstand.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir brauchen eine Sparpolitik. Wir brauchen aber eine Sparpolitik mit Augenmaß. NRW muss Kinder und Familien stärken. So sichern wir unsere Zukunft am besten.

Herr Ministerpräsident, das erste Jahr ist fast um.

Sie haben die Zeit nicht genutzt. Nordrhein Westfalen hat ein Jahr verloren. Das Land hat es verdient ­ insbesondere seine Menschen haben es verdient ­, besser regiert zu werden. Nutzen Sie die Zäsur dieses Jahrestages. ­ Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kraft. ­ Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Helmut Stahl, das Wort.

(Zurufe von der SPD: Die halbe Fraktion ist wieder nicht da! Jetzt kommt wieder die alte Leier!) Helmut Stahl (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war heute Morgen natürlich Gegenstand des Beitrags von Frau Kollegin Kraft, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Bundslandes vor einem Jahr den politischen Wechsel herbeigeführt haben. In gut einem Monat ist die neue Landesregierung ein Jahr im Amt.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Leider!)

Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass war ein gutes Land (Zurufe von der SPD) ein gutes Jahr für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP ­ Zurufe von der SPD)

­ Ich wiederhole es noch einmal, damit noch ein bisschen Stimmung überkommt: Es war ein gutes Jahr für Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von der CDU)

Unser Land verändert sich zum Guten. Das zeigt der Aufbruch, den wir allenthalben spüren. Was wir geschafft haben, ist Anlass zur Freude und dafür ­ ich gebe es frank und frei zu ­, etwas stolz auf die Leistungen dieses Jahres zu sein.

(Beifall von CDU und FDP ­ Zurufe von der SPD) Natürlich war zu erwarten, dass Frau Kollegin Kraft dieses zufällige Zusammentreffen von dritter Haushaltslesung und dem Jahrestag unseres Wahlerfolges nutzen würde, um deutlich zu machen, dass sie sich nicht mit uns freut.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Schlechtes Timing!)

Das ist verständlich. Nicht verständlich aber ist das Zerrbild, welches sie zeichnet. Zerrbilder spiegeln eine gebrochene Wahrnehmung wider.

Deshalb ist nicht das Zerrbild das Problem, sondern diejenige, die es erzeugt, und das sind Sie, Frau Kraft, (Beifall von CDU und FDP) und Sie von der SPD, die Sie als SPD NRW tatsächlich von der Rolle sind.

(Zurufe von der SPD)

Nach Ihrem Beitrag wundert mich nur, dass Sie keine Neuwahlen gefordert haben.

Das heutige Datum gibt mir Anlass, ein Gegenbild zu entwerfen, Sie auf eine kleine Phantasiereise mitzunehmen. Diese Phantasiereise hat ihren Ausgangspunkt ebenfalls am 22. Mai 2005, geht allerdings von einem Wahlergebnis aus, das es Rot-Grün ermöglicht hätte, die Regierungsverantwortung weiter wahrzunehmen. Das Drehbuch dieser Phantasiereise ist sehr leicht zu beschreiben: Es wäre ein Gau für Nordrhein-Westfalen gewesen, der größte anzunehmende Unfall für die Zukunft unseres Landes.

Ich brauche nur an die quälend lähmenden Debatten zu erinnern, die Rot-Grün untereinander geführt hat, die sich im Sommer 2003 kumuliert haben.

(Zuruf von Dr. Axel Horstmann [SPD]) Frau Höhn sagte im WDR am 16. Juni 2003 ­ ich zitiere ­: „Wir wollen diese rot-grüne Koalition. Wenn der Partner nicht will, dann kann man nichts machen."

Der Generalsekretär der SPD, der Kollege Groschek, sagte am 24. Mai 2003, ebenfalls im WDR: „Bemerkenswert ist jedoch, dass sich die Rede der Umweltministerin Bärbel Höhn mehr mit der Situation der Hamster beschäftigte als mit den wirklichen Problemen des Landes." (Beifall von der CDU)

Am 16. Juni 2003 setzte er im WDR noch einen drauf: (Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie wissen, dass wir 2006 haben?) „Es liegen Welten zwischen den beiden Partnern." Frau Kraft, Fakt ist, Sie beide haben sich mit Hingabe wie die Kesselflicker gekloppt. Das war Ihr Markenzeichen, und das waren die Bürger leid.

(Beifall von CDU und FDP ­ Rainer Schmeltzer [SPD]: Und Sie tanzen nach der Nase der FDP!) Hätten die Bürgerinnen und Bürger Sie am 22.