Börse

Wochen noch in Rheinberg, und Sie können gerne in der Presse nachlesen, was ich da zum Bergwerk West gesagt habe. Vor vier Wochen war ich in Datteln und habe mich dort mit dem Bergwerk Lippe beschäftigen müssen. Insofern sind Ihre Behauptungen von eben einfach nur falsch.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal an die heftigen Reaktionen der RAG auf die Pressekonferenz unseres Fraktionsvorsitzenden Dr. Gerhard Papke am 21. August erinnern. Wir haben die RAG damals wie heute aufgefordert, ihrer unternehmerischen Verantwortung nachzukommen und 11.500 Mitarbeiter, die unseren Annahmen zufolge noch im Jahr 2012 im Bergbaubereich tätig sein werden, in andere Konzernteile zu übernehmen.

(Frank Sichau [SPD]: Wie soll das denn laufen?)

Die RAG ließ umgehend verlauten, dass es nach ihrer gegenwärtigen Planung in 2012 noch um 19.000 Beschäftigte im Bergbau gehe. Die natürliche Fluktuation biete zwar immer Chancen, aber eine Integration in dieser Größenordnung sei völlig illusorisch, so eine RAG-Sprecherin ­ damals.

Seit vergangener Woche herrscht Einvernehmen darüber, meine Damen und Herren, dass es 2012 noch etwa 10.600 DSK-Beschäftigte geben wird, für die eine Anschlussbeschäftigung gefunden werden muss. Dies zeigt uns, dass das Zahlenwerk der RAG grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen ist. Wie sonst ist es zu erklären, dass sie ihre Mitarbeiterplanzahlen für 2012 innerhalb eines Monats um satte 45 % nach unten korrigieren kann.

Ich sage Ihnen schon heute voraus: Steht das Ausstiegsdatum erst einmal fest, so wird die Bereitschaft der DSK-Mitarbeiter, sich nach einer Beschäftigung außerhalb des Bergbaus umzusehen, spürbar steigen. Wir werden dann in 2012 für weit weniger als die jetzt genannten 10.600 Personen eine alternative Beschäftigung finden müssen.

Meine Damen und Herren, die FDP-Landtagsfraktion wird von der RAG belastbare Zahlen zu den Potenzialen der natürlichen Fluktuation der Konzerngesellschaften des weißen Bereiches bis 2012 einfordern.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch einen Satz zum Börsengang verlieren. Aufgrund der Berichterstattung der vergangenen Tage konnte man den Eindruck gewinnen, dass eine Einzelverwertung des weißen Bereiches vom Tisch und folglich das Wertgutachten hinfällig ist.

Meine Damen und Herren, dies ist mitnichten so.

Wir sind es dem Steuerzahler nämlich schuldig, die finanziellen Risiken, die sich für Bund und Land nach Auflösung des Haftungsverbundes ergeben, so gering wie möglich zu halten. Deshalb können wir erst nach Vorlage des Gutachtens zu einer abschließenden Bewertung des Börsengangs sowie alternativer Verwendungsmöglichkeiten gelangen. ­ Vielen Dank.

(Beifall von der FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Brockes. ­ Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Thoben.

Christa Thoben, Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Energiepolitisches Ziel der Landesregierung von Nordrhein Westfalen ist eine Umstrukturierung des nationalen Energiemixes insbesondere durch Wegfall des Anteils der subventionierten heimischen Steinkohle.

Der von der Landesregierung eingeleitete Politikwechsel ist vor dem Hintergrund von Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung notwendig, weil dieser Kurs wirtschaftspolitisch ohne Alternative ist.

Eine erfolgreiche Umsetzung kann jedoch nur gelingen, wenn dieser Prozess auch sozialverträglich gestaltet wird und selbstverständlich bestehende rechtliche Verpflichtungen eingehalten werden.

Wirtschaftspolitisches Kernziel des Landes ist eine strukturelle Erneuerung seiner Wirtschaft. Die Wirtschaft befindet sich zwar auf einem tendenziell richtigen Weg, das Ziel einer befriedigenden Wirtschaftsentwicklung ist aber noch nicht erreicht. Dieses Problem kann nur gelöst werden, wenn die strukturellen Schwächen beseitigt werden. Die Überwindung der überholten Strukturen, die durch den subventionieren Steinkohlenbergbau entstanden sind, ist hierfür ein signifikantes Beispiel. Zu dieser Bewertung ist übrigens auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bereits mehrfach gekommen.

Nach Auffassung der Landesregierung kann es nicht Sinn einer nachhaltigen Strukturentwicklung sein, wenn im subventionierten Steinkohlenbergbau zwar vorübergehend für Beschäftigung gesorgt wird, damit aber keine neuen Strukturen geschaffen werden, die die Wirtschaftskraft des Landes substanziell verbessern.

(Beifall von Christian Weisbrich [CDU])

Vor allem kann dadurch nicht die Anzahl nachhaltig neuer Beschäftigungsverhältnisse erhöht werden.

Der gegebenenfalls notwendige Einsatz staatlicher Subventionen muss vielmehr daran ausgerichtet werden, dass mit staatlicher Hilfe die Wirtschaftskraft zukünftig gestärkt werden kann.

Es ist für die neue Landesregierung unstreitig, dass auch weiterhin ein Energiemix insbesondere in der Stromerzeugung Ziel der Energiepolitik sein muss, und dieser muss eine sichere, wirtschaftliche und umweltgerechte Versorgung gewährleisten. Ein solcher Energiemix kann sich allerdings nicht auf ein einzelnes Bundesland beziehen.

Hierüber ist eine nationale Verabredung notwendig.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Bei der nun anstehenden nationalen Entscheidung über die künftige Energie- und Kohlepolitik sowie den künftigen Energiemix stellt sich im Kern die Frage, ob die gegenwärtig jährlich geförderten 23 Millionen t heimischer Steinkohle tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, zumal bereits die alte Landesregierung diese Förderung bis 2012 weiter bis auf 16 Millionen t reduzieren wollte. Gilt dieser Beitrag zur Versorgungssicherheit auch dann, wenn wir in Deutschland bereits heute ungefähr die doppelte Menge Kohle importieren, aber in einem Land wie China jährlich mehr als 2 Milliarden t Kohle gefördert werden? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass der Weltkohlemarkt so flexibel ist, dass der Anteil der heimischen Steinkohle sukzessive durch Importkohle ersetzt werden kann.

(Beifall von der FDP) Jetzt zu Ihrem Argument der zuverlässigen Prognose! Sie berufen sich doch sonst gerne auf ein Gutachten, das das Bundeswirtschaftsministerium bei dem nach Ihrer Einschätzung renommierten EWI und bei Prognos in Auftrag gegeben hat. Genau dieses Gutachten kommt aber zu dem Ergebnis, dass man bis 2020/2030 allenfalls ­ Sie malen an der Stelle ein Horrorszenario ­ eine Steigerung der Weltmarktsteinkohlepreise um 10 % erwartet, und das bei einer Preisrelation von 1:3 beim Verhältnis zwischen dem Preis für Importkraftwerkskohle einerseits und den Produktionskosten für heimische Steinkohle. Das Ganze ist also, ob aus China, Australien oder woher auch immer auf der Welt ­ frei Hafen Duisburg ­ für ein Drittel auf zu kaufen.

Meine Damen und Herren, signifikant in diesem Kontext ist doch auch, dass weder die Stromnoch die Stahlwirtschaft im Rahmen der aktuellen kohlepolitischen Diskussion einen zukünftigen Beitrag der heimischen Kohle eingefordert hat.

Auch aus fiskalpolitischer Sicht ist ein Ausstieg aus dem Steinkohlenbergbau geboten und unvermeidlich, denn die Beteiligung Nordrhein-Westfalens an den Kohlehilfen bedeutet auch, dass mehr als 50 % des Etats des Wirtschaftsministeriums diesem Wirtschaftszweig zugute kommen. Für die dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur der Wirtschaft gibt es praktisch keine finanziellen Spielräume.

Mit der überfälligen fiskalpolitischen Umsteuerung könnte im Gegensatz zur Wirkung der Steinkohlesubventionen eine Entwicklung zur nachhaltigen Steigerung der Produktivität und damit der gesamtwirtschaftlichen Produktion flankiert werden.

Die Grundlagen für den von der Landesregierung angestrebten Auslaufprozess im Steinkohlenbergbau müssen auf nationaler Ebene mit allen Beteiligten festgelegt werden. Landespolitisches Ziel dieser Verhandlungen ist es, unter Einhaltung verbindlicher rechtlicher Verpflichtungen gegenüber dem Bergbauunternehmen einen Subventionsabbau mit dem Ergebnis eines Auslaufbergbaus bei weiterhin sozialverträglicher Personalanpassung festzulegen.

Zugleich streben wir Einsparungen im Haushalt in Höhe von 750 Millionen bis zum Jahre 2010 an.

Die RAG hat zwischenzeitlich ­ übrigens nicht ganz freiwillig ­ verschiedene Rechenmodelle zur Beurteilung eines Auslaufens zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgelegt. Nach Darstellung der RAG ist ein Kohleausstieg ohne betriebsbedingte Kündigungen im Jahre 2018 realisierbar. Bundesund Landesregierung haben dieses Zahlenwerk zunächst entgegengenommen. Wesentliche Elemente dieser Auslaufmodelle, nämlich die Höhe der Alt- und Ewigkeitslasten sowie die Stilllegungslasten, werden in einem Gutachten der KPMG näher beleuchtet. Dieses Gutachten liegt vor.

Das Wirtschaftsministerium als Auftraggeber des Gutachtens ist der Auffassung, dass das Gutachten in der Bewertung der einzelnen Altlasten schon jetzt durchweg von einer maximalen Risikoabschätzung ausgeht. Mit dem Bund ist vereinbart, weitere Elemente der Modellrechnungen auf Plausibilität prüfen zu lassen.

Die Entscheidung über eine Anschlussfinanzierung für den Deutschen Steinkohlenbergbau kann erst nach Bewertung der vorgelegten Datenbasis erfolgen. Das heißt: Diese Grundlagen müssen einvernehmlich festgestellt sein. Es ist damit zu rechnen, dass im Frühjahr 2007 eine Entscheidung über das anstehende kohlepolitische Gesamtpaket einschließlich einer Anschlussfinanzierung getroffen wird.

Viele wollten gar nicht, dass das Gutachten, das ich jetzt anspreche, überhaupt vergeben wurde.

Sie hielten bereits die Ermittlung finanzieller Risiken für Land und Bund für unwichtig. Im Einvernehmen mit der Landesregierung hat die Bundesregierung aber ein Gutachten zum Beteiligungsbereich der RAG vergeben, in dem verschiedene Verwertungswege bewertet werden. Herr Priggen, das Gutachten wird im Frühjahr 2007 vorliegen.

Das Handelsblatt beruft sich im Übrigen nicht auf Sachverhalte, sondern dort steht wörtlich, man habe das aus der Umgebung der RAG erfahren. ­

Das wollte ich Ihnen nur zurufen.

Nach Auffassung der Landesregierung müssen die Erlöse aus der Verwertung des Beteiligungsbereiches vorrangig die gutachtliche ermittelte Deckungslücke bei den Alt- und Ewigkeitslasten sowie Stilllegungslasten nach Stilllegung des Steinkohlenbergbaus abdecken, damit es nicht zu neuen Belastungen der öffentlichen Hand kommt.

Verhandlungen auf Spitzenebene in Berlin haben in wesentlichen Bereichen einen Durchbruch gebracht. Es besteht Einvernehmen, die Fragen über die Zukunft der RAG im Gesamtpaket bis zum Frühjahr 2007 zu entscheiden, nachdem das Gutachten vorgelegt worden ist, und die Zukunftsfähigkeit des weißen Bereichs zu sichern. Zu klären sind die Modalitäten und Voraussetzungen einer Stiftungslösung. Auch das ist, glaube ich, ziemlich präzise.

Schließlich geht es um die Notwendigkeit der Klärung der Altlastenproblematik insbesondere zwischen Bund und Ländern.

Zu klären sind der Zeitpunkt des Auslaufens des subventionierten Bergbaus und nicht das Ob sowie die Frage einer Revisionsklausel. Dabei bezieht sich diese Revisionsklausel ausdrücklich auf Folgendes: Falls sich gegenüber allen jetzt vorliegenden Erwartungen eine Weltmarktpreisentwicklung ergeben sollte, die den heimischen Steinkohlenbergbau wettbewerbsfähig werden lässt, wird man noch einmal reden.

Meine Damen und Herren, so weit sind wir. Wir sind, glaube ich, auf einem guten Weg. Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Ministerin Thoben. ­ Für die SPD spricht noch einmal Herr Römer. Frau Thoben, ich weiß nicht, ob Sie an diesem Gespräch teilgenommen haben.

(Unruhe von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt dem Thema „Börsengang" zuwenden. Vor allen Dingen mit Blick auf die Wirtschaftsministerin will ich ein paar Punkte herausarbeiten, die verdeutlichen, was sich bisher bei der Wirtschaftsministerin an Meinungsbildung zu diesem wichtigen Punkt herausgebildet hat. Wir haben jedenfalls bei der Prüfung festgestellt, Frau Thoben, dass bei Ihrer Meinungsbildung ganz offensichtlich eine Springprozession stattgefunden hat.

(Zuruf von der CDU) Erster Sprung ­ ein Schritt vor ­: Wirtschaftsministerin Thoben stellt den Börsengang der RAG infrage und bevorzugt offensichtlich deren Zerschlagung. Laut der „ Ministerin Thoben im Wirtschaftsausschuss am 23.08.2006 ­ ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin ­: Ich stelle den Börsengang nicht infrage. Ich stelle nur Fragen.

Dritter Sprung ­ halber Schritt vor, Frau Thoben ­: