Die Debatte beginnt mit der Frau Abgeordneten RuffHändelkes von der SPD-Fraktion

Es liegen Wortmeldungen vor. Die Debatte beginnt mit der Frau Abgeordneten Ruff-Händelkes von der SPD-Fraktion. Bitte schön.

Monika Ruff-Händelkes (SPD): Herr Präsident!

Meine Damen und Herren! Anfang Juni hat unsere SPD-Fraktion eine Große Anfrage gestellt; der Minister hat es gerade gesagt. Darin geht es um die Zukunft der Belegschaft und der Mieterinnen und Mieter der LEG. Meine Damen und Herren, 29 der gestellten Fragen sind bis heute nicht beantwortet.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das kann ich Ihnen nicht ersparen. Es werden auch noch ein paar dazukommen. Meine Zeit wird nicht reichen, alle Fragen noch einmal zu stellen.

Ich möchte auf die Sozialstandards zu sprechen kommen. Minister Wittke, ich habe mich eben sehr gewundert: Sie haben tatsächlich ausgeführt, Sie würden die notwendigen Sozialstandards erfüllen. Ich habe gedacht, ich traue meinen Ohren nicht; denn am Samstag hat Staatssekretär Kozlowski beim Deutschen Mieterbund noch gesagt:

Wir bieten Sozialstandards, die weit über das übliche Maß hinausgehen und in der ganzen Bundesrepublik Standard für ähnliche Transaktionen werden sollten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN ­ Hannelore Kraft [SPD]: Was denn jetzt?)

Ich denke, das passt nicht zusammen.

Jetzt zu den Sozialstandards im Einzelnen. Meine Damen und Herren, zehn Jahre keine Mieterhöhung: Wo kann ich das einklagen? An wen kann ich mich als Mieter wenden, wenn dieser Standard nicht eingehalten wird? Vielleicht an diese Landesregierung, die 2010 nicht mehr regiert?

(Heiterkeit und Beifall von der SPD) Oder rufe ich in einem Callcenter an, wie es heute üblich ist? Ich denke, das ist den Menschen nicht zuzumuten.

Zehn Jahre keine Luxussanierung: Wer kontrolliert das? Machen Sie das als zuständiger Minister, Herr Wittke? Ich kann es mir kaum vorstellen.

Innerhalb von zehn Jahren ­ auch das haben Sie eben angesprochen ­ 12,50 pro m² Investition für jede LEG-Wohnung: Wer prüft das nach?

Macht das Minister Linssen?

Jetzt wird es noch einmal interessant ­ auch das haben Sie eben angesprochen ­: innerhalb von zehn Jahren Weiterverkauf von nur 2,5 % aller Wohnungen im Jahr. Sind dabei auch die Mieter, die dazu gedrängt werden, ihre eigene Wohnung zu kaufen, (Beifall von der SPD) und zwar nicht nur per Telefon und per Brief, sondern auch, indem Reparaturmaßnahmen nicht durchgeführt werden? Ich habe das Wort „gedrängt" verwendet ­ das Wort „genötigt" wäre wohl der richtige Ausdruck. Meine Damen und Herren, wir haben über Rundfunk, Fernsehen und Presse erleben können, dass das Realität ist. Ich denke, das dürfen wir den Mieterinnen und Mietern auf keinen Fall zumuten.

(Beifall von der SPD)

Der Ministerpräsident hat im Sommer dieses Jahres diverse Lebenslügen thematisiert und verurteilt. Meine Damen und Herren, bitte pflegen Sie jetzt nicht selber eine, nämlich die Lebenslüge, dass sich alle Wirtschaftsunternehmen an Absprachen halten. Vertrauen Sie nicht allein auf Anstand und Ehrlichkeit von börsennotierten Unternehmen! Schaffen Sie eine reale Sicherheit für die Mieterinnen und Mieter der LEG und für die Belegschaft!

(Beifall von der SPD) Wissen Sie, was mir ganz besonders gut gefallen hat? Ich hatte ­ eben schon angeschnitten ­ am Samstag die Möglichkeit, auf der Delegiertenversammlung des Deutschen Mieterbundes zu sein.

Da war auch Karin Reismann, Bürgermeisterin in Münster, bekanntermaßen CDU-Mitglied. Sie hat gesagt, dass sie Probleme mit dem LEGWohnungsverkauf hat. Und sie hat etwas gesagt, was mir besonders gut gefallen hat: Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel setzen. ­ Und das haben Sie als Landesregierung nicht richtig getan! ­ Danke schön.

(Beifall von der SPD) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Ruff-Händelkes. ­ Für die CDU-Fraktion redet Herr Abgeordneter Bernd Schulte.

Bernd Schulte (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Woche findet in München die Expo Real statt, eine der größten und bedeutendsten Immobilienmessen Europas.

Am Dienstagmorgen warteten die Branche und die Fachwelt gespannt auf die Entscheidung der Landesregierung über das künftige Schicksal der

Landesentwicklungsgesellschaft. In München gab es aus der Immobilien- und Finanzwelt ein herausragendes positives Echo auf diese Entscheidung, und zwar unter zwei Gesichtspunkten: Erstens. Die LEG bleibt nach diesem Beschluss der Landesregierung als Wohnungsunternehmen und Entwicklungsgesellschaft in Gänze erhalten.

Sie hat die Möglichkeit, über Nordrhein-Westfalen hinaus bundes- und europaweit schlagkräftig am Markt zu agieren. Das eröffnet ihr neue Chancen, neue Märkte und neue Geldquellen. ­ Das ist eine gute Entscheidung; die begrüßen wir ausdrücklich.

Ich finde, man sollte auch ehrlich sein, wenn es um die Urheberrechte für diese Entscheidung geht. Ich verweise auf ein Zitat von Staatssekretär Morgenstern in der „Welt" vom 27. Juni 2002 unter der Überschrift „

Sie haben sogar schon Luftbuchungen in Ihren Haushalt eingesetzt und wollten einer neuen noch nicht mit Banklizenz versehenen NRW-Bank am Markt diese Anteile aufdrücken, (Hannelore Kraft [SPD]: Nicht NRW-Bank! ­ Zuruf von der SPD: Sie bringen alles durcheinander!) ohne Klarheit über die Bewertungen zu haben. Es waren reine Alibihandlungen. Aber auch Sie haben gesehen: Die Zukunft der LEG ist im Interesse der Mieter und der Arbeitnehmer nicht anders zu gestalten als durch eine Veräußerung der Anteile am Markt. Sie wollten die Landesbank haben; wir ziehen andere Lösungen vor.

Das ist der richtige Weg, und das hat mehrere Gründe. Das Land Nordrhein-Westfalen weist sehr unterschiedliche Wohnungsmärkte in regionalen und örtlichen Bereichen auf. Staatliches Handeln ist da gefragt, wo Wohnungsengpässe bestehen. Aber eine in der Fläche tätige Gesellschaft ist anachronistisch und für das Land als öffentlich-rechtliches Instrument nicht erforderlich.

Des Weiteren ­ der Minister hat darauf verwiesen ­ hat die LEG einen hohen Finanzierungsbedarf, weil sie in ihrer Wachstumsphase der letzten Jahre Bestände aufgekauft hat, von denen sie besser die Finger gelassen hätte.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Dieser Modernisierungsbedarf muss finanziert werden. Von daher bedarf es frischen Geldes, und das kann man nur durch eine derartige Operation hereinholen. Wir haben in der Tat lange abgewogen, ob es richtig ist, auch die Möglichkeit der Veräußerung der bestandshaltenden Gesellschaften vorzusehen. Wir haben das letztlich nicht getan, weil wir diesen Prozess zügig abwickeln wollen.

(Dieter Hilser [SPD]: Teilen!)

Wir wollen des Weiteren gewährleisten, dass die Rechte der Arbeitnehmer und der Mieter einen hohen Stellenwert bekommen; darauf wird gleich noch eingegangen. Wir haben letztlich gesehen, dass es gut ist, ganzheitlich zu handeln, weil wir bei einer Veräußerung der bestandshaltenden Gesellschaften nicht verhindert hätten, dass Restbestände keinen Käufer finden. Wir hätten nicht gewährleisten können, dass die Wahrung der Sozialstandards einheitlich vollzogen wird und die Sozialstandards einheitliche Gültigkeit haben.

Wir gehen davon aus, dass die jetzt von der Landesregierung vorgesehene Veräußerung Ende 2007, spätestens 2008 abgeschlossen sein kann.

Damit herrscht auf der Grundlage hoher Standards für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Mieterinnen und Mieter völlige Klarheit über die Zukunft des Unternehmens. Das Unternehmen selbst hat die Möglichkeit, seine Stärke auf nationalen und internationalen Märkten zu erfahren. Diese Chance sollte die LEG bekommen.

Ich bin sicher: Bei der hohen Motivation aller Mitarbeiter wird es gelingen, sich auf dem europäischen Markt als Wohnungs- und Entwicklungsunternehmen eine herausragende Position zu erarbeiten. Deswegen blicken wir sehr freudig auf einen Vollzug dieser Entscheidung der Landesregierung. ­ Vielen Dank. Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulte. ­ Für Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Debatten und die Reden der letzten Monate gehört und wenn man den Koalitionsvertrag gelesen hat, kommt man zu dem Schluss, dass sich auf der Strecke ein Wechsel in der Argumentation für den von Ihnen geplanten Verkauf der LEG ergeben hat.

Während Sie am Anfang hauptsächlich ordnungspolitisch und auch finanzpolitisch argumentiert haben, versuchen Sie heute darzustellen, dass es sich ­ ich überspitze es bewusst ­ geradezu um eine sozialpolitische Wohltat, um eine Wohltat für Mieterinnen und Mieter handelt, dass Sie die LEG verkaufen wollen. Sie erkennen an der Reaktion der Volksinitiative, des Deutschen Mieterbundes, des Gewerkschaftsbundes, des Deutschen Architektenbundes und des Städtetages, dass sich Ihr PropagandaMinisterium „an der Stelle noch nicht durchgesetzt hat". Ihr „Neusprech" hat sich noch nicht durchgesetzt, und das hat Gründe.

Es hat, meine Damen und Herren, Gründe, die in der Politik dieser Landesregierung liegen.

Bevor ich auf den Verkauf selber komme, will ich ihn bewusst noch einmal in einen Kontext stellen.

Was haben wir gesehen, seitdem Sie die Landesregierung stellen? Wir haben gesehen, dass Sie die Ausgleichsabgabe abgeschafft und damit dem Wohnungsbauvermögen 35 Millionen jährlich entzogen haben.

Wir haben gesehen, dass Sie angekündigt haben, die Kündigungssperrfristverordnung, die übrigens genau für einen solchen Fall wie jetzt bei dem geplanten Verkauf der LEG wesentliche Bedeutung hätte, aufzuheben.

Das heißt, Sie wollen zurückfallen hinter einen Standard, der in Bundesländern wie Hessen, Baden-Württemberg und Bayern nach wie vor weit verbreitet ist. Sie wollen nordrhein-westfälische Mieterinnen und Mieter schlechter stellen als die Mieterinnen und Mieter in diesen Ländern. Sie wollen im Jahre 2007 dem Wohnungsbauvermögen für den Wohnungsbau weitere rund 25 Millionen dafür entziehen, dass Sie den Grundstücksfonds finanzieren ­ auch ein Punkt, der nicht gerade Vertrauen in Ihre Wohnungsmarktpolitik hervorrufen kann.

Meine Damen und Herren, wenn man das alles sieht und dann Ihre heutigen Begründungen und Ihre heutigen Argumentationsfiguren zur Kenntnis nimmt, dann hat man einen Eindruck davon, warum Ihnen zu Recht im Land nicht geglaubt wird.

Bevor ich mich der LEG und ihrem Verkauf im Detail zuwende, will ich noch einen weiteren Punkt einbeziehen, nämlich § 107 der Gemeindeordnung und seine Bedeutung für die Wohnungswirtschaft, wenn er so geändert wird, wie Sie das, meine Damen und Herren von der CDU, mit der FDP vorhaben.

Auch das Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft, auch das macht sich nachdrücklich negativ bemerkbar, wie Ihnen unter anderem der CDU-Bürgermeister Napp in Neuss immer wieder bestätigt, wenn er darauf hinweist, welche Folgen dies für das Bauträgergeschäft, für die Kommunen und für die Stadtentwicklungspolitik hätte. Deshalb dürfen Sie auch nicht den Eindruck zu erwecken versuchen, als könnten Sie Stadtentwicklungspolitik mit privaten Unternehmen noch ansatzweise so machen wie vorher mit öffentlichen Unternehmen.

Das ist eine der Lebenslügen, an denen Sie sich messen lassen müssen und die Ihr Ministerpräsident in Berlin vorgeblich permanent bekämpft, während er sie hier mit Ihnen zusammen konstruiert. Ich bedaure ausdrücklich, dass der Ministerpräsident bei dieser Debatte über eine so weitreichende Entscheidung, die Sie einleiten, fehlt.

(Beifall von den GRÜNEN ­ Minister Oliver Wittke: Gut, dass Ihre Fraktion komplett da ist!)