Die Rahmenbedingungen der Studienkollegs stimmen in der Tat nicht

Bei den Einlassungen am 26. Oktober haben wir uns auch gefragt: Wie wird die Qualität von Studienkollegs gemessen? ­ Denn wenn Frau Ministerin Sommer eine logische Verknüpfung zwischen der Durchfallquote und der Qualität von Studienkollegs herstellt, dann müssen die Studienkollegs in die Lage versetzt werden, Qualität bieten zu können. Aber diese logische Konsequenz ist kein Qualitätsmerkmal, sondern ganz im Gegenteil: Das heißt nur, dass die Rahmenbedingungen der Studienkollegs nicht stimmen.

Die Rahmenbedingungen der Studienkollegs stimmen in der Tat nicht. Denn ­ das möchte ich deutlich sagen ­ die Studienkollegs haben 20

Lehrerstellen. An vielen Studienkollegs sind diese 20 Lehrerstellen gar nicht vorhanden. Es gibt Studienkollegs, die haben nur 17 oder 18 Lehrerstellen. Sie bekommen keine Zuweisung nach Köpfen, sondern müssen mit diesen Lehrerstellen zurecht kommen.

Wir wissen alle, dass den Studienkollegs die Lehrerstellen nur im Abordnungsverfahren zugewiesen werden. Und es sind nicht immer Qualitätsmerkmale, die bei der Abordnung an die Studienkollegs zugrunde gelegt werden.

Das Instrument „Geld statt Stellen" steht den Studienkollegs nicht zur Verfügung. Die Studienkollegs würden unendlich gerne Profile bilden und mit den Hochschulen zusammenarbeiten, um mit diesen Profilen die jungen Studierenden auszubilden, die anschließend erfolgreich die entsprechenden Studiengänge an den Hochschulen durchführen würden. Das alles sind Dinge, die wir auf den Weg bringen müssen.

Wenn Sie in dieser Weise eine Aufgabenentwicklung für die Studienkollegs betreiben wollen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Aber wenn Sie die Studienkollegs eliminieren und auf diese Art und Weise auch einen wesentlichen Beitrag der Entwicklungspolitik abschaffen wollen, dann haben Sie uns mit Sicherheit nicht an Ihrer Seite.

Es kann nicht sein, dass wir nur auf die besten Köpfe schauen. Das ist keine Breitenförderung.

Das sind anschließend auch nicht die Botschafter, die nach Hause fahren und unser Land in ihrem eigenen Land repräsentieren, sondern wir brauchen viele junge Menschen aus den Dritte-WeltLändern, die anschließend nach Hause gehen.

(Zuruf)

­ Natürlich brauchen wir auch gute Leute.

Wir können das nicht nur an den Studiengebühren festmachen. Es scheint mir dringend notwendig zu sein, dass wir eine Weiterentwicklung an den Bedürfnissen der jungen Menschen, nicht nur an den Bedürfnissen der Hochschulen festmachen.

Die Studienkollegs sind nämlich keine Hochschulen.

Die Studienkollegs sollen sie befähigen, anschließend an den Hochschulen studieren zu können.

Dazu müssen wir die Rahmenbedingungen der Studienkollegs in der Kooperation mit der Hochschule so gestalten, dass sie eine „Win-winSituation" ergeben. Und diese Win-win-Situation setzt voraus, dass hier ernsthaft zusammengearbeitet wird. Wir bieten Ihnen die Zusammenarbeit an. Wir wehren uns aber dagegen, dass die Studienkollegs aufgelöst werden.

(Beifall von GRÜNEN, SPD und Michael Solf [CDU]) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. ­ Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt uns, den Antrag Drucksache 14/3035 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie ­ federführend ­, an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich, die Hand zu erheben. ­ Gegenstimmen? ­ Enthaltungen? ­ Somit ist diese Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.

Wir kommen damit zu: 4 Gesamtschulen dürfen nicht benachteiligt werden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der Kollegin Beer das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute geht es um die „Gretchenfrage". (Beifall von den GRÜNEN ­ Zurufe von der CDU: Hoi, hoi, hoi!)

Ich möchte von Ihnen wissen, wie ernst Sie es mit der individuellen Förderung meinen. Gilt sie wirklich, und gilt sie für alle?Koalition der Fehlsteuerung" nur tiefenpsychologisch fassbare Motive durchsetzen oder gilt: Individuelle Förderung hat absolute Priorität, und wir unterstützen alle Schulen dabei, dieses Prinzip konsequent weiterzuentwickeln?

Wenn Sie sich zum Letzteren bekennen wollen, dann müssen Sie auch die Unterschiede zwischen den Schulen zur Kenntnis nehmen. Sie wollen die Einheitspauschale. Leider ist die Gesamtschule keine Einheitsschule. Im fundamentalen Gegensatz zum gegliederten Schulsystem und auch zum Berufskolleg, das Sie gerne als Hilfskonstruktion bemühen, ist das Lernen an Gesamtschulen nicht in Bildungsgängen organisiert.

Ich weiß, Herr Witzel, würde das den Gesamtschulen am liebsten verordnen. Sie wollen auch die Gesamtschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, zu Schulen mit Einheitsschubladen machen.

Die Gesamtschule ist aber eine Schule, die die Bildungswege offenhält. Dafür braucht sie auch maßgeblich die Ressource Schulleitungspauschale und, wohlgemerkt, nicht Schulleiter, sondern Schulleitungsteams. Dazu gehören unter anderem auch Abteilungsleiter und Abteilungsleiterinnen, die sich um eine Schülerzahl kümmern müssen, die im gegliederten System eine ganze Schule mit Konrektorat ausmacht.

Unter anderem geht es um die gezielte Beratung von Schülerinnen und Schülern und Eltern ab dem siebten Jahrgang, um die individuell bestmögliche Lerngruppenzuweisung und Kurswahl ­ und das in verschiedenen Fächern und das zweimal im Jahr.

Wer auf der einen Seite im Mathe-E-Kurs sitzt, muss nicht gezwungenermaßen auch im Englisch-E-Kurs oder im Deutsch-E-Kurs sitzen, sondern kann da auch im Grundkurs starten. Bildungswege werden individuell gestaltet und durch Beratung von Schülerinnen und Schülern, Eltern und übrigens auch Lehrkräften begleitet, damit der Übergang von einem Grundkurs zu einem EKurs zum Bildungserfolg werden kann. Das braucht schlicht und einfach Zeit. Dafür ist die Schulleitungspauschale an Gesamtschulen mit ihrem Löwenanteil da.

Wenn Sie wirklich möchten, dass in unserem Schulsystem der Zusammenhang von sozialer und ethnischer Herkunft und Schulerfolg aufgebrochen wird, dann müssen Sie gerade in solche individuelle Beratung und Unterstützung investieren.

(Beifall von den GRÜNEN ­ Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

In der Tat gelingt es den Gesamtschulen mehr, benachteiligte Jugendliche zum Bildungserfolg zu führen. Ich führe dabei gerne die Ministerin als Kronzeugin mit ihren Ausführungen zu den Ergebnissen der Probeklausuren zum Zentralabitur an, welche Schülerzusammensetzung die Gesamtschule repräsentiert und wie erfolgreich sie sie repräsentiert.

Sie setzen das bewusst mit dem fadenscheinigen Etikett der Gleichbehandlung aufs Spiel. Ungleiches gleich zu behandeln, schafft Ungerechtigkeit.

Das proklamieren Sie sonst mindestens einmal in der Woche in diesem Plenum. Aber an dieser Stelle soll es keine Bedeutung mehr haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Gesamtschule, die der FDP offenbar wie ein Stachel im Fleisch sitzt, soll mit der Kürzung der Schulleitungspauschale abgestraft werden. Dabei treffen Sie nur die Schülerinnen und Schüler.

(Ralf Witzel [FDP]: Es geht um Gleichberechtigung!) Nehmen Sie endlich zur Kenntnis: Wenn Sie die Schulleiter und Schulleiterinnen in den entsprechenden Schulformen des gegliederten Systems hätten, müssten Sie mindestens genau so viele Schulleitungsstunden bereitstellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte von Ihnen schwarz auf weiß vorgerechnet bekommen, wo die Gesamtschule, gerechnet auf die gemeinsame Schülerzahl in den drei Schulformen Hauptschule, Realschule und Gymnasium, bevorzugt wird. Das können Sie nicht nachweisen. Deswegen kommt da auch nichts. Auch im Berufskolleg haben Sie eine strikte Trennung nach Bildungs- und Berufsgängen.

An keiner Stelle haben Sie mit den Jugendlichen aus dem Berufsgrundschuljahr, den zukünftigen Abiturienten, Frisören, Elektrotechnikern eine Klasse gebildet.

In der Gesamtschule lernen aber Jugendliche mit unterschiedlichen Abschlussoptionen in der Sekundarstufe II gemeinsam. Und das ist gut so, und das ist das erfolgreiche europäische Modell.

(Heiterkeit bei der FDP)

Es lohnt sich in der Tat, grundsätzlich über einen Aufgabenkatalog von Schulleitungen gerade in der selbstständiger werdenden Schule zu reden.

Es muss geklärt werden, ... Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Sigrid Beer (GRÜNE):... welche Serviceleistungen erbracht werden müssen, zum Beispiel in der Personal- und Organisationsentwicklung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu brauchen wir Konzepte. Das müssen wir gemeinsam beraten. Die Gesamtschulen dürfen in der Tat nicht benachteiligt werden. Dem stimmen wir zu; das ist richtig.

(Demonstrativer Beifall von den GRÜNEN)

Im Umkehrschluss heißt das aber ebenso, dass die Gesamtschulen nicht einseitig bevorzugt werden dürfen. Genau um diesen Punkt geht es hier.

Die Koalition der Mitte hat festgelegt, dass alle Schulformen Bestandsschutz genießen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

­ Frau Beer, ich habe Ihnen doch auch zugehört.

Das tue ich immer mit Freude. Ich lese auch mit Freude Ihre Anträge. Manchmal habe ich bei Ihren Anträgen natürlich mehr Freude als heute, weil sie einfach besser sind. Der heutige Antrag trägt ein bisschen sehr die Handschrift der Emotion. Lassen Sie mich deshalb einmal zu Ende ausführen.

Damit gibt es von unserer Seite aus auch für die Gesamtschule Bestandsschutz.

Wir haben festgelegt, dass sich alle Schulen einem Wettbewerb stellen sollen. Wir haben festgestellt, dass es zur Qualitätsverbesserung beiträgt, wenn Schulen auch miteinander in Wettbewerb treten.

Wie Sie richtigerweise angesprochen haben, brauchen wir weiterhin mehr soziale Gerechtigkeit in unserem Schulwesen. Das haben Rot und RotGrün über Jahrzehnte nicht geleistet. Damit müssen wir uns in der heutigen Schulsituation auseinandersetzen.

Die Gesamtschulen in unserem Lande haben auch nicht grundsätzlich besser abgeschnitten als die etablierten Schulen des dreigliedrigen Systems. ­ Das sind zunächst einmal die Fakten.

Der jetzige Abbau der Besserstellungen der Gesamtschulen bei den Schulleitungspauschalen ist keine Benachteiligung, sondern schlichtweg die Gleichstellung mit den übrigen Schulen im Lande

­ nicht mehr und nicht weniger. Völlig unverständlich und sachlich falsch ist es, wenn die Grünen den Eindruck erwecken, die Koalition der Mitte führe eine gezielte Strategie gegen die Gesamtschule. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch falsch (Sigrid Beer [GRÜNE]: Doch, das stimmt!)