Kartellamt

Beginn der Liberalisierung ging das Kartellamt erst ab einer Übernahme von 20 % der Gesellschaftsanteile von einer erheblichen Beteiligung aus. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass Beteiligungen unter 20 % den Tatbestand eines Zusammenschlusses ­ nur diesen überprüft das Kartellamt ­ formell nicht erfüllten. Folglich konnten die großen Versorger RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW, die gemäß der Legalvermutung im GWB ­ gemeint ist Art. 19 Abs. 3 ­ als marktmächtig gelten, ihren Beteiligungsbereich weiter ausbauen.

Seit dem Jahr 2003 unterliegen hingegen sämtliche finanziellen Beteiligungen im Strom- und Gasbereich der Zustimmung durch das Kartellamt. Für die zuvor genannten marktbeherrschenden Unternehmen bedeutet diese Praxis quasi ein Fusions- und Beteiligungsverbot auf dem deutschen Markt. Von daher, meine Damen und Herren, kann meine Fraktion die Bedenken der Grünen gegen die Gründung der Stadtwerke Investment Gesellschaft nicht nachvollziehen. Diese Gesellschaft ist völlig ungeeignet, um ­ wie es in Ihrem Antrag heißt ­ RWE als „Grundlage für die Akquisition von weiteren Beteiligungen an Stadtwerken" zu dienen. Der Vorwurf, die SIG sei für RWE eine „Park- und Einkaufsgesellschaft", ist ebenfalls nicht haltbar.

Sollte RWE nach Auflösung der Gesellschaft in neun Jahren Interesse an einer Erweiterung seines Beteiligungsportfolios haben, so wird sich das Bundeskartellamt dieses Anliegens annehmen.

Das Vorkaufsrecht von RWE ist sozusagen vergleichbar mit der Revisionsklausel beim Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau.

Wenn sich die Marktverhältnisse bis zu der Entscheidung nicht grundlegend ändern, bleiben beide wirkungslos.

Meine Damen und Herren, selbst das beste Vorkaufsrecht wird nicht verhindern können, dass sich das Kartellamt der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung entgegenstellt. Solange das Kartellamt seiner zentralen ordnungspolitischen Aufgabe, des Schutzes des Wettbewerbes, als unabhängige Bundesbehörde nachkommen kann, genießen Herr Böge und seine Mitarbeiter das vollste Vertrauen der FDP.

Heute ist aus Anlass der Stadtwerke-Demonstration zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts viel darüber gesprochen worden, welche Handlungsspielräume die kommunale Wirtschaft benötigt. Ich möchte auch an dieser Stelle deutlich machen, dass die kommunalen Unternehmen auf dem Weg zu einer wettbewerbsorientierten Energieversorgung eine wichtige Funktion haben. Sie stehen für ein Energieversorgungssystem mit vielen Akteuren. Wettbewerb funktioniert umso besser, je mehr aktive Marktteilnehmer miteinander konkurrieren. Das gilt vor allem für die Überwindung der Oligopolstrukturen in der Stromerzeugung.

Wenn man aber für die kommunale Wirtschaft Spielräume eigenverantwortlichen unternehmerischen Handelns einfordert, gehört dazu auch die Handlungsfreiheit der kommunalen Eigner, in den Grenzen des Kartellrechts über ihre Beteiligungen an Stadtwerken ganz oder teilweise zu verfügen.

Dies festzustellen gehört zu einer ehrlichen Diskussion des Stadtwerke-Themas.

(Horst Becker [GRÜNE] spricht mit einem anderen Mitglied seiner Fraktion.)

­ Herr Becker, wenn es Sie nicht interessiert, kann ich es Ihnen schriftlich geben.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP) Worum geht es bei dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? ­ Die Beteiligten WestLB, NRW.BANK und mehrere Sparkassen haben die Fondsgesellschaft Stadtwerke Investment Gesellschaft mbH unter dem Vorbehalt der kartellbehördlichen Billigung gegründet. Das Vorhaben ist dem Bundeskartellamt vorgelegt worden, das gegen die Gründung des Fonds und auch gegen die Einräumung eines Vorkaufsrechts zugunsten von RWE keine Bedenken erhoben hat.

Es ist selbstverständlich, dass später Beteiligungen von RWE nicht kontrollfrei zurückerobert werden können. Auch die Ausübung des Vorkaufsrechts durch RWE an Stadtwerke-Beteiligungen, die von SIG gehalten werden, unterläge vielmehr einer erneuten Kontrolle durch das Bundeskartell amt und könnte untersagt werden, wenn die kartellrechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Die Landesregierung, Herr Becker, versteckt sich übrigens nicht hinter dem operativen Geschäft, sondern sie respektiert Aufgabenzuweisungen, die Gesetz, Geschäftsordnung und Satzung vorsehen. Ich habe in verschiedenen Sitzungen deutlich gemacht, dass ich mich an dieser Ecke, obwohl das rechtlich nicht zu beanstanden war, darüber geärgert habe, dass wir vorher nicht informiert worden sind. Aber hier so etwas Abwegiges zu konstruieren, entbehrt jeder Grundlage; das muss ich unterstreichen.

Ich fasse zusammen: Wir brauchen die kommunale Wirtschaft für eine wettbewerbsorientierte Energieversorgung. Wir respektieren hierbei die eigenverantwortliche Entscheidung kommunaler Eigner, wie die Gemeindewirtschaft diesen Beitrag leisten will. Das gilt auch für die Entscheidung, Stadtwerke-Anteile im Rahmen des geltenden Kartellrechts an den Fonds zu übertragen. ­

Wenn Ihnen solche Gedankengänge ganz fremd sind, vermeiden Sie bitte zukünftig den Gebrauch des Wortes „Ordnungspolitik". (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Ministerin. ­ Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir stimmen ab. Der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/3859, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Drucksache 14/2728 abzulehnen. Wer diesen Beschluss mittragen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. ­ Das sind CDU, FDP und SPD. ­

Wer ist dagegen? ­ Das sind die Grünen. Wer enthält sich? ­ Niemand. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf: 13 Staatsverträge über die Übertragung von Aufgaben nach § 9 Abs. August 2006 (Bundestagsdrucksachen 16/2098 und 16/2412) die Antragsgegnerin die Antragsteller und den Deutschen Bundestag in ihren Rechten aus Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG und Artikel 20 Abs. Wer ist damit einverstanden? ­ Wer ist dagegen? ­

Wer enthält sich? ­ Dann ist das einstimmig so beschlossen.