Das was Sie hier betreiben ist reine Bilanzfälschung
Das, was Sie hier betreiben, ist reine Bilanzfälschung. Das Problem ist nicht vom Tisch, denn selbst das quantitative Problem ist nicht gelöst, auch wenn ich betone das konjunkturell bedingt eine leichte Besserung eingetreten ist. Das ist aber kein Verdienst von Schwarz-Gelb, denn auch in anderen im Übrigen auch in rot geführten Bundesländern hat sich die Situation verbessert.
(Minister Karl-Josef Laumann: Aber wie?)
Sie ist teilweise deutlich besser geworden, (Minister Karl-Josef Laumann: Wo Sie regieren, ist es am schlimmsten!) und zwar ausgehend von einem ganz anderen Niveau als das ist Ihnen von den Kolleginnen und Kollegen auch schon gesagt worden in Nordrhein-Westfalen. Ihre Bilanz der letzten Jahre ist schlicht katastrophal, denn Nordrhein-Westfalen kommt von einem sehr niedrigen Niveau. De facto münden seit Jahren immer weniger Schulabgänger in das duale Ausbildungssystem.
(Dietmar Brockes [FDP]: An der niedrigen Quote haben Sie schon mitgewirkt!)
In den letzten Jahren, sagte ich. Und Sie sind mittlerweile schon seit zweieinhalb Jahren an der Regierung. Das ist die Situation. Ihre Bilanz im letzten Jahr war schlicht katastrophal. So sieht das aus!
Die Ausbildungsquote sinkt, und zwar in Nordrhein-Westfalen von 65 % auf nur noch 52 % im Jahr 2006. Von den dramatisch gesunkenen Ausbildungsquoten bei den Migrantenjugendlichen ganz zu schweigen! Das geht auch an Herrn Minister Laschet, der im Moment leider nicht hier ist.
Jugendliche bleiben unversorgt, obwohl sie hätten versorgt werden müssen.
Außerdem stellt sich die Frage nach der Quote der Abschlüsse.
Schwarz-Gelb hat keinen Grund zum Jubeln, denn im öffentlichen Dienst gibt es eine Senkung um 8,8 %. Das ist übrigens die Stellschraube, an der Sie tatsächlich etwas hätten drehen können; da haben Sie absolut versagt und haben weiter Ausbildungsplätze abgebaut. Das ist die reale Bilanz, die Sie konkret vorzuweisen haben.
Sie beziehen sich auf das Landesamt für Statistik, welches Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung auswertete. Diese weisen für NRW eine Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze um 14 % gegenüber dem Vorjahr aus. Das ist aber weil ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau schon alles. Schaut man sich indes dieselbe Auswertung der BA genauer an, wird offensichtlich, dass dieser angebliche Rang 1 für NRW in den letzten Jahren nicht existiert.
NRW kommt von einem sehr niedrigen Niveau.
NRW liegt im Bundesländervergleich bezüglich der Steigerung der Ausbildungsquote nur noch auf Rang 7. Lässt man die ostdeutschen Bundesländer außen vor und betrachtet bloß die alten Bundesländer, liegt NRW sogar mit minus 1,1 % Ausbildungsquote im Vergleich zu 1999 unter dem Durchschnitt.
Schließlich: Der DGB NRW hat ganz klar gesagt, dass zum Stichtag 30. September 2007 insgesamt 48.000 junge Menschen in NRW keinen Ausbildungsplatz hatten. Das ist die reale Situation.
Der vielbeschworene gelungene Ausbildungskonsens ist eine Seifenblase, und zwar sowohl bundes- als auch landesweit. Noch einmal Herr Guntram Schneider vom DGB:
Laut Deutschem Jugendinstitut sind 28 % der jungen Menschen bis 25 Jahre in NRW ohne beruflichen Abschluss der höchste Wert bundesweit. Dieser Anteil, der sich auf die versicherungspflichtig Beschäftigten und die gemeldeten Arbeitslosen bezieht, liegt bundesweit bei 22 %.
Das heißt, Sie sind hier in Nordrhein-Westfalen deutlich schlechter. Was das in heutigen Zahlen für betroffene Jugendliche bedeutet, können Sie sich ausmalen.
Meine Schlussfolgerungen lauten: Notwendig ist ein ehrlicher Umgang mit der Ausbildungsstatistik, um die Wirklichkeit der tatsächlichen Ausbildungssituation abzubilden. Geschieht dies ohne Schönrederei, offenbart sich schnell, dass der Ausbildungskonsens gescheitert ist.
Ich und die Linke fordern deshalb, dass Betriebe, die nicht ausbilden, endlich zahlen müssen. Es muss eine Ausbildungsplatzumlage her, und zwar von den zwei Dritteln der nicht ausbildenden Betriebe, um mehr Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen zu finanzieren. Es muss das Recht auf einen Ausbildungsplatz geben, und zwar für jeden Jugendlichen. Last but not least: Allein die im öffentlichen Dienst gegenüber dem Vorjahr um 8,8 % gesunkene Ausbildungsquote zu steigern, wäre für die Landesregierung eine angemessene Aufgabe. Das ist das Einzige, was Sie hier ganz konkret machen können. Alles andere ist Konjunk tur. Und wir werden sehen, wie sich das in den nächsten Jahren fortsetzt. Sie haben sich hier ein absolutes Negativzeugnis ausgestellt.
Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Sagel. Es spricht für die Landesregierung noch einmal Herr Minister Laumann.
Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag ja sein, dass man mit Statistiken das eine oder andere belegen kann und dass prozentuale Steigerungsraten so oder so zu begründen sind. Aber verständigen wir uns doch einmal darauf, dass wir über die abgeschlossenen Ausbildungsverträge reden.
Im Jahre 2005 gab es im Land Nordrhein Westfalen 111.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Im vorigen Jahr gab es in Nordrhein Westfalen 116.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Und jetzt gibt es 132.000 abgeschlossene Ausbildungsverträge.
Wenn Sie sagen, wir kommen von einem geringen Niveau, dann ist das wahr: Die 111.000 im Jahre 2005 die Schlussbilanz von Rot-Grün war ein niedriges Niveau!
Das ist wahr. Aber wir haben es dann doch kontinuierlich gesteigert.
Der zweite Punkt, den ich gerne einmal nennen will, ist: Das Land Nordrhein-Westfalen ist an der geschilderten Entwicklung beteiligt, und zwar noch einmal und in aller Ruhe mit 800 Ausbildungsplätzen im dritten Weg. Das ist eine modulare Ausbildung für ganz Schwache, bei der wir die Berufsbilder in Teilabschnitte zerlegt haben, bei der die jungen Leute einen Ausbildungsvertrag mit einem Träger das heißt, mit einem Bildungsinstitut abschließen, bei der sie lange Praktika in den Betrieben machen und bei der wir im Ganzen fünf Jahre für die Lehrzeit ansetzen. Denn wir sagen: Die, die nicht so gut lernen können, sollen mehr Zeit haben, oben anzukommen.
(Beifall von der CDU)
Das sind Ausbildungsplätze, die ausschließlich über den Landeshaushalt finanziert werden. 800!
Wir werden auch im nächsten Jahr wieder 800 solcher Plätze schaffen, weil wir gesehen haben, dass sich dieses Instrument bewährt hat weil die jungen Leute nicht abbrechen, weil sie durchhalten und weil sie sich gut entwickeln.
Diesen dritten Weg um das einmal ganz ruhig zu sagen hat es unter Ihnen nicht gegeben. Den haben wir eingeführt. Denn ich habe gesagt: Ich will, dass Kinder, die nicht so gut lernen können, mehr Zeit zum Lernen haben. Das ist doch auch in Ordnung. Schauen Sie, in der Lehre ist das so:
Die Gesellenprüfung muss man nach drei bis dreieinhalb Jahren ablegen; da werden alle jungen Leute durch eine Schablone gepresst. Für die meisten passt sie auch. Bei den Studenten ist das so: Der eine studiert 8 Semester, der andere 12 Semester, und die Linken studieren meistens 18 Semester, aber irgendwo kommen sie oben an.
(Beifall von CDU und FDP -Widerspruch von Rüdiger Sagel [fraktionslos]) Jetzt sage ich Ihnen: Warum sollen wir das denn in der Ausbildung nicht auch so machen, dass diejenigen, denen das Lernen schwerer fällt, mehr Zeit haben, das Ziel zu erreichen? Das ist eine Idee, die wir jetzt umsetzen.
Dann haben wir über das Lehrstellenprogramm ca. 3.000 Ausbildungsplätze geschaffen. Das kostet uns jedes Jahr ca. 30 Millionen. Pro Lehrling in dieser Ausbildung sind das 10.000 im Jahr.
Dann haben wir 1.400 junge Leute in die Altenpflegeausbildung genommen.
(Beifall von Walter Kern [CDU])
Das heißt, wir haben auf der Payroll meines Ministeriums allein an richtig eingetragenen Lehrstellen zurzeit 5.200.
Davon ist nichts von der BA, sondern alles vom MAGS. Zusätzlich haben wir in den Berufsschulen dafür gesorgt haben, dass in einigen kaufmännischen Bereichen die jungen Leute bis zur Gesellenprüfung gebracht werden, ohne dass sie das Duale System belasten.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Belasten?)
In dieser Ausbildung, die es vorher gar nicht gegeben hat, befinden sich zurzeit weitere 1.
Leute. Das sind schon 6.200.
Dann haben wir, wie Sie wissen, bei den Bergwerken noch einmal die 220, die die Bergwerke nicht mehr eingestellt haben. Ich denke, dass wir das im Januar voreinander haben. Sie werden ausschließlich über das MAGS finanziert.
Sich dann hier hinzustellen und zu behaupten, Minister Laumann, die Landesregierung und das Ministerium hätten mit dieser Entwicklung nun wirklich gar nichts zu tun, ist irgendwie nicht ganz in Ordnung.
(Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU])
Die Wahrheit ist, dass wir auf jeden Fall ein Drittel dieses Zuwachses ausschließlich durch die politischen Programme des Landes erreicht haben.
Dabei wiederum handelt es sich ausschließlich um Programme des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
(Beifall von der CDU)
Das sind ausschließlich Programme, die es zu Ihrer Zeit noch gar nicht gegeben hat, weil Sie in Modellprojekte verliebt waren, die tausendmal in Nordrhein-Westfalen stattgefunden und am meisten denjenigen geholfen haben, die in diesen Modellprojekten gearbeitet und sie selber veranstaltet haben. Das war Ihre Politik in diesem Bereich.
Die anderen gut 10.000 haben wir über die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Als wir uns vor einem Jahr im Landtag über Ausbildung unterhalten haben, war Ihre Antwort: Knebelt die Wirtschaft.
Macht eine Ausbildungsplatzumlage. Macht einen Zwang zur Errichtung von Lehrstellen. Ihre Politik war nicht von Vertrauen, sondern von Misstrauen bestimmt.
(Beifall von CDU und FDP Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Wir haben ganz bewusst einen anderen Akzent gesetzt, indem wir dafür gesorgt haben, dass in der Wirtschaft Ausbildung attraktiver wird. Ich habe eben das Beispiel Berufsschule genannt und gesagt, dass wir uns erhebliche Mühe geben, auch die schwierigen Jugendlichen beim Übergang von der Schule zum Beruf zu begleiten lange Jahre über Programme des MAGS, Gott sei Dank heute über Programme der Bundesagentur für Arbeit und des Schulministeriums, sodass wir uns mit unserem knappen Geld aus der Finanzierung zurückziehen können. Das gönne ich der Bundesagentur für Arbeit von ganzem Herzen.
In diesem Sinne schönen Dank.
(Beifall von CDU und FDP Norbert Killewald [SPD]: Der hätte jeden Matheschein nicht geschafft! Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Der war ja auch zu blöd zum Studieren!) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Minister. Herr Schmeltzer hat sich noch gemeldet.
Rainer Schmeltzer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist selten, dass ich Herrn Brockes dadurch erstaunt habe, dass ich nicht laut geworden bin, aber da hat der Herr Minister in seinem ersten Wortbeitrag massiv aufgeholt, den Sie dann bei Ihrer Kritik vergessen haben.
Lassen Sie mich nur noch wenige Worte zu dem sagen, was hier eben ausgeführt worden ist. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung nichts tut, und sie aufgefordert, etwas zu unternehmen. Ihm scheint dabei entgangen zu sein, dass im Sommer dieses Jahres einiges vom Kabinett dieser Bundesregierung auf Initiative des Bundesarbeitsministers Franz Müntefering auf den Weg gebracht wurde.
(Minister Karl-Josef Laumann: Was denn?)
Ich spreche nur die Arbeitgeberzuschüsse, den Eingliederungszuschuss und den Qualifizierungszuschuss an. Im Gegensatz zur Landesregierung hat die Bundesregierung für die nächsten drei Jahre den Ausbildungspakt und im Rahmen dessen das Sonderprogramm Einstiegsqualifizierung Jugendlicher EQJ gesichert. Sie hingegen ziehen sich nach einem Sonderprogramm 2006 im Jahre 2008 sofort wieder aus der Verantwortung heraus.
Ich will noch einmal deutlich machen, Herr Laumann: Es war in 2006 nicht Ihr Verdienst, es war der Verdienst von Gerd Pieper, IHK, von FranzJosef Knieps, Handwerkskammertag, Horst-Werner Maier-Hunke, Arbeitgeberverband und Guntram Scheider, DGB Bezirk NRW, die Ihnen in einer nie da gewesenen Allianz vorher mitgeteilt haben: „Laumann, tu was!", denn Sie waren nicht bereit dazu.
(Beifall von SPD, GRÜNEN und Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Sie haben anschließend, nachdem Sie gegen diese Allianz im Ausbildungskonsens überhaupt nicht mehr ankamen, diesem Notprogramm, diesem Sonderprogramm zugestimmt (Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos]) und haben von einem Tag auf den anderen Menschen, die in ESF-Projekten bereits Zusagen hatten, die Gelder genommen, sie draußen nackt auf der Straße stehen lassen und ihnen keine Perspektiven gegeben, nur damit Sie sich heute mit den Erfolgen des Ausbildungskonsenses schmücken können.
(Ursula Meurer [SPD]: Genau das!)
Das ist nicht lauter, das ist unschön. Es gebührt einem Minister nicht, sich mit falschen Lorbeeren zu schmücken.
(Beifall von Norbert Killewald [SPD])
Eben wurde die IG BCE-Kundgebung angesprochen; das war eine gute Kundgebung. Im Übrigen, Herr Brockes, wird Ihre Behauptung, was Frau Kraft gesagt habe, nicht dadurch besser, dass Sie diese Falschbehauptung immer wiederholen. Sie waren dabei. Frau Kraft hat diese Behauptung nicht aufgestellt.
(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der merkt das nicht! Dietmar Brockes [FDP]: Oh ja!) Sie leiden öfter an falschen Wahrnehmungen; das ist hier wieder einmal zum Ausdruck gekommen.
Herr Minister Laumann, ich finde es in Ordnung, dass Sie in Ibbenbüren bei den Ausbildungswerkstätten tätig geworden sind. Aber nicht allein das Münsterland ist Nordrhein-Westfalen.
(Minister Karl-Josef Laumann: Das ist wahr!) Machen Sie auch was in den anderen Ausbildungswerkstätten und erzählen Sie hier nicht immer, Sie gäben Geld. So, wie Sie in Ibbenbüren, in Ihrem Münsterland, tätig gewesen sind, müssen Sie auch vor Ort in allen anderen IG BCE-Ausbildungswerkstätten tätig werden (Minister Karl-Josef Laumann: Das tun wir ja!) und nicht immer nur sagen, ich tu was, und das Gegenteil ist der Fall.
(Beifall von der SPD Minister Karl-Josef Laumann: Da tun die das, was ich will!)
Da tun sie das, was Sie wollen, vor allem im Münsterland.
Ich will Gelsenkirchen noch einmal in Erinnerung rufen, damit Ihre Zahlen auch einmal ins rechte Licht gerückt werden. Derzeit gibt es in Gelsenkirchen 25 offene Ausbildungsstellen bei 598 Suchenden. Sie können doch unmöglich erklären, dass auch in diesen Städten die Versorgung hervorragend funktioniert hat.
Ein Letztes noch zu dem, was Herr Brockes, aber auch andere erwähnt haben. Herr Minister Laumann, Sie sprachen gerade noch einmal die vollzeitschulische Ausbildung mit Kammerabschlüssen an. Das ist eine gute Möglichkeit, die RotGrün durch die Änderung des Berufsbildungsgesetzes auf den Weg gebracht hat.
Nur: Wie können Sie sagen, damit werde das Duale System nicht mehr belastet? Diese Möglichkeit ist eine Notlösung. Das Duale System muss viel mehr in die Verantwortung genommen werden. Es darf nicht sein, dass sich Unternehmen aus der Verantwortung ziehen, weil diese Möglichkeit einer vollzeitschulischen Ausbildung mit Kammerabschlüssen existiert. Das kann nur eine temporäre Angelegenheit sein.
Schauen Sie sich bitte diese Sachen besser an, und hören Sie auf, mit dem Erfolg des Ausbildungsprogramms 2006 zu kokettieren, denn dabei haben doch diese vier, in einer noch nie dagewesenen Allianz verbunden, Sie getrieben, und Sie haben sich treiben lassen müssen.
(Beifall von der SPD) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Schmeltzer. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb können wir die Aktuelle Stunde jetzt beenden.