Ich rufe auf 6 Pharmarückstände in unseren Gewässern und im Trinkwasser reduzieren Antrag der Fraktion der SPD Drucksache

­ Enthält sich jemand? ­ Herr Sagel enthält sich. ­

Damit ist auch der Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich rufe auf: 6 Pharmarückstände in unseren Gewässern und im Trinkwasser reduzieren Antrag der Fraktion der SPD

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Karthaus das Wort. Bitte schön.

Dr. Gero Karthaus (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Sie haben heute Morgen wahrscheinlich genauso wie ich den Wasserhahn geöffnet, ohne irgendwelche Gedanken daran zu verschwenden, ob das herausströmende Wasser nicht von bester Qualität ist und ob es völlig unbedenklich zu verwenden ist. Mit Recht dürfen wir einem Trinkwasserstandard vertrauen, der uns höchste Sauberkeit garantiert und dafür sorgt, dass belastende Stoffe ein gewisses Maß nicht überschreiten.

Aber was wäre Ihre Reaktion gewesen, wenn uns dargestellt worden wäre, dass ein Cocktail ­ wenn auch nur in Spuren ­ an Antibiotika, Entzündungshemmern, Antiepileptika, Lipidhemmern, Östrogenen und Röntgenkontrastmittel in diesem Wasser nicht ganz auszuschließen wäre? Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die von der Trinkwasserkommission empfohlene Obergrenze an Pharmawirkstoffen wird aktuell nicht erreicht, und das ist gut so.

Aber schon in unseren Flüssen und Seen und in unseren Kläranlagen sieht das ganz anders aus.

Meine Damen und Herren, nach dem aktuellen Bericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz werden im Grundwasser bisher 25, im Trinkwasser 15 Humanarzneistoffe nachgewiesen. Ein Großteil davon wird als umweltrelevant, wie es heißt, eingestuft.

Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, denn die meisten der insgesamt 2.700 in Deutschland zugelassenen Humanpharmaka wurden in ihrem Vorkommen in der Ressource Wasser noch gar nicht untersucht, ganz zu schweigen von der fehlenden Kenntnis darüber, wie sich diese Stoffe in der Umwelt anreichern, welche Wirkung auf Organismen von ihnen ausgehen und in welcher Weise sie überhaupt abgebaut werden. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns einig, dass es bei dieser Unsicherheit nicht bleiben kann und darf.

(Beifall von der SPD) Unsere Kenntnisse reichen einfach nicht aus, abschließend zu beurteilen, welches Risiko von diesen Pharmarückständen nicht nur für aquatische Lebewesen, sondern gerade auch für die menschliche Gesundheit ausgeht. Die demografische Entwicklung, das heißt, der weitere Anstieg des Medikamentenverbrauchs, den wir zu erwarten haben, aber auch der Zuwachs an neuen Wirkstoffen müssen wir dabei zusätzlich berücksichtigen. Sie werden dieses Problem immer dringlicher machen.

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt der PFTSkandal hat gezeigt, dass Wasser als unser Lebensmittel Nummer eins jederzeit neuen Gefährdungen ausgesetzt sein kann. Wir möchten deshalb beim Thema Pharmaka nicht warten, bis uns unliebsame Überraschungen einholen. Der Bericht des LANUV und die Aussagen des Sachverständigenrats für Umweltfragen dürfen nicht so einfach im Raum stehen bleiben. Es darf kein Abwarten geben. Lassen Sie uns daher gemeinsam eine Forschungsinitiative starten, die Licht in das Dunkel der Umweltrelevanz von Pharmastoffen bringt.

(Beifall von der SPD) Lassen Sie uns gemeinsam ein Warnsystem einrichten, das uns die Belastung unserer Gewässer für diese Wirkstoffe aufzeigt. Lassen Sie uns gemeinsam die Entwicklung von Technologien made in NRW vorantreiben, um Pharmarückstände aus den Abwässern zu entfernen. Das sind wir den Menschen, unserer Umwelt, den Chancen unserer Wirtschaft und letztlich unserer Zukunft als Trinkwasserproduzent schuldig.

(Beifall von der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Notwendigkeit, jetzt zu handeln, ist unabweisbar. Deshalb sage ich Ihnen, lieber Herr Minister Uhlenberg, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Kommen Sie mir bitte nicht mit dem üblichen „stimmt doch so nicht", „ist doch anders", „machen wir doch schon", „wollen wir in anderer Form". Bitte überlegen Sie sich das. Wasser ist eine unverzichtbare Lebensgrundlage. Sie eignet sich nicht zum Taktieren, erst recht taugt sie nicht zur ideologischen Abgrenzung. Denken Sie daran, wenn

Sie unseren Antrag hier kommentieren und im Ausschuss beraten. ­ Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Dr. Karthaus. ­ Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Kress.

Karl Kress (CDU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat: „Der demografische Wandel in unserer Gesellschaft ist die treibende Kraft für einen in Zukunft immer weiter steigenden Arzneimittelgebrauch. Die Zeitspanne zwischen Erkrankung und Tod verlängert sich immer mehr ­ und damit auch die Behandlungsdauer."

Mit diesen Sätzen hat Herr Prof. Dr. Dingermann von der Frankfurter Goethe-Universität seinen Diskussionsbeitrag im Rahmen des zehnten Berliner Kolloquiums am 13. Mai 2006 in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung genau zu dem Thema, über das heute gesprochen wird, „Arzneimittelrückstände in Gewässern" eingeleitet.

Im Rahmen dieser Veranstaltung der KonradAdenauer-Stiftung haben anerkannte europäische Wissenschaftler aus den Fachbereichen Wasserchemie, Lebensmittelchemie und Pharmazie, Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Fachleute für Mikrobiologie, aber auch Experten der Arzneimittelhersteller sowie aus dem Umweltbundesamt und den Verbraucherschutzministerien aller Bundesländer ­ auch unser Ministerium war vertreten ­ über das heute angesprochene Thema vertiefend diskutiert und das Verhältnis des Arzneimitteleinsatzes zu den ökologischen Folgen dargestellt.

Risikoanalysen aus der Schweiz, den USA und Deutschland wurden besonders bewertet. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass die zurzeit in Deutschland gemessenen Konzentrationen zwar keine akuten toxischen Effekte erwarten lassen; sie zeigen jedoch, dass wir im Sinne eines vorbeugenden Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzes an die Verursacherquellen gehen müssen.

Vieles von dem, was heute in dem SPD-Antrag gefordert wird, zum Beispiel der Aufbau einer Grundlagenforschung, wurde im Rahmen des Kolloquiums der Konrad-Adenauer-Stiftung vorgestellt und bereits auf den Weg gebracht.

Auch wurde sehr ausführlich über eine Umweltrisikobewertung diskutiert, und es wurde die hervorragende Mitarbeit der deutschen Apotheken gewürdigt. Wie nach Rücksprache mit der Apothekerkammer NRW zu erfahren ist, beteiligen sich in unserem Land mittlerweile 98 % der Apotheken an dem im SPD-Antrag angesprochenen Rücknahmesystem. Circa 50 % aller zu entsorgenden Wirkstoffe werden über diesen Rücknahmeweg der Verbrennung zugeleitet.

Das ist gut so, heißt aber auch, dass jeder zweite zu entsorgende Wirkstoff einen anderen Weg nimmt. Hoffentlich wird er über die graue Tonne ebenfalls der Verbrennung zugeführt. Hier müssen ­ dem stimme ich zu ­ die Bürger noch mehr sensibilisiert werden. Ich bin davon überzeugt, dass der vom MAGS in den Apotheken ausgelegte modifizierte Flyer dazu beiträgt.

Ob moderne Techniken, zum Beispiel eine Membranfilteranlage in den Krankenhäusern, zielführend sind, wird das Ergebnis des vom MUNLV initiierten Pilotprojektes zeigen. Nachdenklich stimmt es mich schon, dass Bundesumweltminister Gabriel auf eine schriftliche Anfrage vom 18.05.

Herr Dr. Karthaus, mich erstaunt, dass die SPD dieses durchaus wichtige Thema erst heute aufgreift und somit auf eigene Unterlassungen in der Vergangenheit hinweist.

(Svenja Schulze [SPD]: Was?)

Das bestätigt Ihnen auch Ihr ehemaliger Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen in seinem sogenannten Zehn-Punkte-Aktionsplan „Sauberes Trinkwasser". Ich zitiere wieder wörtlich: „Behindert wurden die grünen Aktivitäten zum Schutz des NRW-Trinkwassers nicht zuletzt durch den damaligen Koalitionspartner SPD."

Als ich diese Aussage gelesen habe, war ich ­ ich sage das offen ­ sehr erschrocken. Ich verstehe aber jetzt die im Vorjahr erfolgte Anzeige des grünen Kreistagsabgeordneten Schulte-Huermann, der Frau Höhn im Zusammenhang mit den PFTFunden vorgehalten hat, dass sie die Verantwortung für die in ihrer Amtszeit völlig unzureichende Überwachung der Gewässer trägt. Das war eine schwere Anschuldigung; aber das sind Sünden der Vergangenheit.

Wichtiger ist ein Blick in die Zukunft. Hier hat unser Umweltminister Eckhard Uhlenberg Akzente gesetzt und die Sicherung der öffentlichen Trinkwasserversorgung und ihrer Ressourcen als vorrangiges Ziel für Umwelthandeln, Gesundheitsvorsorge und Verbraucherschutz definiert. Ich verweise hier nur auf die Arnsberger Vereinbarung.

Verantwortung und kooperatives Handeln für eine hohe Trinkwasserqualität und für die Gesundheit sollten unser gemeinsames Ziel sein. In diesem Sinne sehen wir den Diskussionen im Fachausschuss mit großem Interesse entgegen. ­ Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kress. ­ Für die FDP-Fraktion erhält Herr Ellerbrock das Wort.

Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich erwartet, dass Frau Kraft heute zu diesem Thema spricht; denn sie hat laut einer Pressemitteilung des „Kölner Stadt-Anzeigers" gesagt, dass sie in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode einen politischen Schwerpunkt auf die Reinhaltung des Trink- und Grundwassers setzen werde.

Deshalb war ich interessiert, zu erfahren: Was steht darin? Gibt der Antrag auch bundespolitische Impulse? Das muss man schließlich fragen.

Was bleibt da übrig?

Wenn man den Antrag liest, stellt man fest, es gab zwei Kleine Anfragen. Sie sind beantwortet worden. Außerdem gab es einen LANUVFachbericht. Auch daraus ist abgeschrieben worden.

Ich halte also in Bezug auf den Antrag grundsätzlich fest: Die Strategie der SPD, in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode hier einen politischen Schwerpunkt zu setzen, beruht darauf, dass man erstens Informationen und Forschungsstand von der Landesregierung abfragt ­ das ist vernünftig ­, zweitens Sachkenntnis vortäuscht und drittens Maßnahmen der Landesregierung zum eigenen Programm erhebt. Meine Damen und Herren, das ist ein hoch effizienter Mitteleinsatz zur Vortäuschung eigener inhaltlicher Vorstellungen. Das muss man festhalten.

Unstrittig bei dieser ganzen Problematik ist, dass Arzneimittelwirkstoffe nicht in das Grundwasser und in die Gewässer gehören. Herr Karthaus, darin sind wir einer Meinung. Das Problem ist aber schon lange erkannt. Ebenso unstrittig ist, dass wir Arzneimittel brauchen. Wenn das zutrifft, müssen wir uns zwei Fragen beantworten.

Erstens. Wie schaffen wir es, dass nicht mehr gebrauchte und abgelaufene Arzneimittel und Arzneimittelreste ordnungsgemäß entsorgt werden?

Dafür gibt es die Restmülltonne. Dafür gibt es die Müllverbrennung. Das ist ein vernünftiger Weg.

Sie fordern in Ihrem Antrag Aktionen der Landesregierung, diesen Weg zu beschreiten. Die gibt es bereits. Der Flyer „Alte Arzneimittel richtig entsorgen" liegt in jeder Apotheke aus. Das ist eine vernünftige Sache. Der kann man nur zustimmen.

Meine Damen und Herren, damit wir uns gar nicht vertun: Arzneimittel gehören nicht in die Toilette; denn damit finden sie über die Kläranlage auch ihren Weg ins Gewässer. Auch da müssen wir aufpassen. Das ist nicht richtig.

Allerdings gehen ja die neueren Entwicklungen dahin, dass man gerade für Krankenhäuser und Altenheime, wo in großem Umfang solche Mittel anfallen, überlegt, eventuell Vorschaltanlagen zu installieren, bevor das Abwasser in den Kanal gegeben wird. Ich glaube, da wäre die Wasserwirtschaft gut beraten, ähnlich wie bei der Kooperationsvereinbarung zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft Kooperationen zur Elimination von Arzneimittelrückständen im Abwasser zu schaffen.

Zweitens. Eine weitere Frage, die sich uns stellt, lautet: Wie können wir bei den Ausscheidungen eingenommener Medikamente ­ ihre Abbauprodukte werden ja in unterschiedlichen Größenordnungen vom Stoffwechsel wieder ausgeschieden und landen so im Abwasser ­ die entsprechenden Folgewirkungen minimieren? Auch da sind wir uns sicherlich einig.

Meine Damen und Herren, bitte keine Horrormeldungen! Nicht jeder Arzneimittelwirkstoff muss zwangsläufig eine Gefährdung für Mensch und Umwelt bedeuten. Nehmen wir einfach einmal den Wirkstoff Aspirin. 840.000 kg werden pro Jahr verkauft.