Beifall von den GRÜNEN Diese Noten sind nicht justiziabel beeinträchtigen aber den Lebensweg von Kindern und Jugendlichen

Man kann sich lediglich bei der Schulleitung darüber beschweren, wenn einem die Kopfnote auf einem Nichtabgangszeugnis nicht passt. Das ist ein Skandal. Die Schülerinnen und Schüler bekommen diese Note einfach nicht weg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Noten sind nicht justiziabel, beeinträchtigen aber den Lebensweg von Kindern und Jugendlichen. Es ist also kein Wunder, dass Grundsatzklagen dazu erwogen werden.

Kopfnoten bedeuten immense Mehrarbeit für pädagogischen Unfug, 180 Noten im Halbjahr zusätzlich für 30 Schüler und Schülerinnen. Die GEW spricht zu Recht von einem Aufwand von ca. 1.100 Lehrerstellen. Das ist noch sehr freundlich gerechnet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Lehrkräfte sollten ihre Energien in die individuelle Förderung von Kindern stecken und nicht in Kopfnoten. Aber Herr Kaiser sagt ja immer so gerne ­ und dann geht es eigentlich gar nicht so sehr um die individuelle Förderung der Kinder ­. es gehe um die individuelle Förderung der Lehrkräfte, damit die einmal miteinander über die Schüler und Schülerinnen ins Gespräch kommen und Teamentwicklung lernen. Nachtigall, ick hör dir trapsen! Kopfnoten sind also eine Erziehungsmaßnahme für Lehrkräfte und eine Kompensation dafür, dass Sie die Fortbildungsmaßnahmen kaputt gemacht haben und nichts mehr im Land stattfindet. Das ist doch sehr entlarvend.

Dazu gibt es noch das Sahnehäubchen. Die Kopfnoten sind nämlich ein typischer Fall von WEW. Kennen Sie die Abkürzung? ­ WEW steht für Winands Erlasswahnsinn.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dem Protest der Lehrkräfte gegen diese unsinnige Mehrarbeit versucht nämlich der Staatssekretär, mit einem Erlass aus heiterem Weihnachtshimmel zu begegnen. Plötzlich kann ein ganzer Konferenztag beschlossen werden. Der damit verursachte Unterrichtsausfall spielt auf einmal keine Rolle mehr. Eltern- und Schülerberatungstage, Kollegiumsfortbildungen wurden zwangsabgesetzt. Für die Kopfnoten mit null Aussage darf tageweise Unterricht ausfallen. Das macht fast 7.000 Tage in Nordrhein-Westfalen aus. Dies produzieren Sie mit diesem Schulgesetz. Das ist wirklich Unfug. Jetzt wehren sich auch die kirchlichen Schulträger gegen den Kopfnotenzwang. Das christliche Menschenbild sei nicht mit einem System vereinbar, das die Persönlichkeit in Schulnoten messen wolle. Die Freiheit, die den kirchlichen Schulen zusteht, auch wenn der Staatssekretär das immer noch bestreitet, ist genauso den staatlichen Schulen, den öffentlichen Schulen einzuräumen. Frau Ministerin, Sie können den Schulen endlich das Geschenk machen, das sich die Schulen schon auf der ersten Gütesiegelveranstaltung ausdrücklich von Ihnen und vom Ministerpräsidenten gewünscht haben: Erlösen Sie die Schulen hier und heute von den Kopfnoten. Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Beer. ­ Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kaiser.

Klaus Kaiser (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Beer, eine Bitte vorweg ­ Sie wissen, dass ich durchaus Humor habe und nicht alles bierernst sehe ­: Wenn Sie mich zitieren, dann richtig oder lassen Sie es sein. Was Sie eben gemacht haben, das war nicht in Ordnung.

Wir haben es nicht anders erwartet, als dass die Frage der Kopfnoten zu einer kontroversen Auseinandersetzung werden würde, denn diese Fragestellung eignet sich wie kaum eine andere zur tagespolitischen Debatte. Diese Aktuelle Stunde und vor allem die begründenden Anträge sind der Beweis dafür. Bei keiner anderen Frage habe ich je erlebt, dass die Beurteilung zwischen Praxis und Interessenvertretungen stärker auseinanderfiel als bei den Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten. Die heutige Aktuelle Stunde ist Beleg dafür, dass die öffentliche Hysterie ­ es ist ja schon fast klamaukhaft, was hier vorgetragen wurde, Frau Beer ­ der einschlägig Interessierten (Beifall von der CDU) eine sachgerechte Erörterung verhindern soll.

Große Sprüche statt Argumente!

(Beifall von Bernhard Recker [CDU]) Sachliche Beurteilungen statt grenzenlose Übertreibungen und Polemiken sind aber angesagt.

Deshalb zur Sache: Bei den Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten sind zunächst zwei Dinge festzustellen. Beurteilungen zum Arbeits- und Sozialverhalten auf Zeugnissen sind nicht grundsätzlich neu; die Vorgängerregierung hatte sie bereits eingeführt. Neu ist aber deren Verbindlichkeit, neu ist das Zusammenfassen in Ziffernnoten und neu ist, dass die Ziffernnoten um beschreibende Beurteilungen ergänzt werden können. Das sind die Fakten, von denen wir reden.

Zur Zielsetzung der Kopfnoten sei gesagt: Der immer und stets laute Ruf nach mehr Erziehung und nach Erziehung zur Verantwortlichkeit in der Schule wird regelmäßig wiederholt. Beides wird nicht zuletzt von Kirchen und gesellschaftlich verantwortlichen Gruppen öffentlich eingefordert. Es geht um die Vermittlung von Werten und Verhaltensweisen, die ein besseres gesellschaftliches Miteinander ermöglichen und dem Einzelnen zusätzliche Chancen eröffnen. Die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten sind somit Teil der Innovationsstrategie unseres Bildungssystems. Wir wollen den erzieherischen Auftrag der Schule wieder stärker in den Blick nehmen (Zuruf von der SPD: Aber doch nicht so, Herr Kaiser) und deshalb hat er im Notensystem auch wieder ein stärkeres Gewicht.

Wir haben die individuelle Förderung zum zentralen programmatischen Leitsatz des neuen Schulgesetzes gemacht.

(Sören Link [SPD]: Das war es dann aber auch!) Daher sind die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten ein wichtiger Bestandteil dieser Bildungspolitik.

Die Proteste gehen vor allem von den Gymnasien aus, die sich schwertun, das umzusetzen. Doch, Frau Schäfer, ich lege Wert darauf, dass dies einige, aber nicht alle Gymnasien im Lande sind.

Das ist der kleine, aber feine Unterschied.

(Beifall von der CDU)

Denn auch hier gilt, dass nicht mehr allein der Fachunterricht, sondern der schülerzentrierte Unterricht im Mittelpunkt steht. Deshalb unsere Initiativen zur Verringerung der Zahl der Sitzenbleiber, deshalb unsere Initiativen gegen das Abschulen und deshalb Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten.

Wir befinden uns insofern in einer Zeit des Umbruchs. Daher sind die Proteste, die es jetzt gibt, nicht besonders überraschend. Es sind ja gerade die Gymnasien mit ihren vielen verschiedenen Fachlehrerinnen und Fachlehrern, die nun ­ nach der neuen Philosophie ­ über den einzelnen Schüler reden müssen. Gerade wenn das Arbeitsverhalten beispielsweise in Mathematik radikal von dem in Deutsch abweicht, werden die Lehrerinnen und Lehrer, die in dieser Klasse unterrichten, künftig gezwungen sein, über den einzelnen Schüler zu sprechen und sich ein gemeinsames Bild zu machen. Das ist eher eine neue Chance als Chancenverhinderung.

Der Zwang zum Konsens ist im Interesse jedes einzelnen Schülers. Ich bin sicher, dass ein Großteil aller Gymnasien diesen schülerorientierten Weg schon heute geht und dass die Umstellung daher kein Problem sein wird. Wenn manche Schulen jetzt neu damit anfangen müssen, dann ist das umso besser für die betroffenen Schülerinnen und Schüler.

(Beifall von der CDU)

Es geht bei der Einführung der Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten auch darum, Schülerinnen und Schülern, die ansonsten einen schwereren Weg haben, neue und grundsätzliche Chancen zu eröffnen. Gute Kopfnoten sind Hilfsund Zusatzargumente, um eine Lehrstelle oder einen Ausbildungsplatz zu erhalten.

(Beifall von der CDU)

Seitens des Ministeriums wird immer wieder betont: Kopfnoten sind keine Maßnahme zur Disziplinierung; Kopfnoten sind Anreize zur Leistungssteigerung.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN) Sie sind Hilfsmittel, um Bildungsbenachteiligten zusätzliche Chancen zu geben.

Deshalb ist es überhaupt nicht verwunderlich, wenn sich zum Beispiel gerade die Landeselternschaft der Gymnasien oder die Arbeitgeber für diese Kopfnoten einsetzen. Es gilt schlichtweg: Kopfnoten bringen zusätzliche Chancen für Schülerinnen und Schüler.

(Beifall von der FDP)

Ein weiterer Aspekt: Die SPD-Fraktion nennt in der Begründung ihres Antrags ausdrücklich die Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Im Sommer hatte Frau Kraft ja noch gesagt, dass es demnächst, wenn sie ihre Bildungspolitik umsetzte, keine bischöflichen Gymnasien mehr geben werde.

(Hannelore Kraft [SPD]: Quatsch! Das wissen Sie genau! ­ Gisela Walsken [SPD]:

Wenn Sie schon zitieren, dann richtig, Herr Kollege! ­ Marc Jan Eumann [SPD]: Zitieren Sie doch mal richtig, Herr Kaiser!) Sicherlich haben die Ersatzschulen nicht vergessen, dass die SPD, als sie noch an der Regierung war, ihnen empfindliche Kürzungen zugemutet (Beifall von der CDU) und kirchliche Ersatzschulen sogar in ihrer Existenz gefährdet hatte.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist doch ein Ablenkungsmanöver!) Offensichtlich galt es nun, da wieder etwas gut zu machen.

Natürlich gilt für alle Ersatzschulen, dass sie das Schulgesetz in Bezug auf Noten komplett umsetzen müssen; es gibt insofern für diese kein Wahlrecht. Das ergibt sich eindeutig aus dem Kommentar von Jülich und anderen zum Schulgesetz, wo es heißt: „Nach Abs. 4 werden Ersatzschulen im Rahmen einer auf Zeugnisse, Abschlüsse und Prüfungen beschränkten Beleihung mit staatlichen Rechten tätig, sodass ihren Entscheidungen insoweit öffentlich-rechtliche Außenwirkung zukommt. Die entsprechenden Vorschriften, zum Beispiel der Kopfnoten, gelten für Ersatzschulen unmittelbar."

Das ist also eindeutig geregelt. Genauso wie sich die Ersatzschulen auf die Zusage der Koalition, keine Kürzungen vorzunehmen, verlassen können, verlassen wir uns bei der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben auf die Ersatzschulen. Eindeutig ist das beispielsweise im Kirchlichen Schulgesetz des Erzbistums Köln geregelt, in dem in § 22 Abs. 1 steht: „Die Leistungen werden durch Noten bewertet.

Das Nähere regeln die staatlichen Ausbildungsund Prüfungsordnungen."

Daraus wird deutlich, dass Leistungsnoten auch in Bezug auf das Arbeits- und Sozialverhalten durchaus mit dem christlichen Menschenbild vereinbar sind.

Ich habe einen sehr differenzierten Artikel in der „Rheinischen Post online" gefunden, (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Lesen Sie mal die Ausgabe vom 14. Dezember!) der unter der Überschrift „Kopfnoten in NRW ­ ein politischer Fehlgriff?" zu bemerkenswerten Urteilen kommt: Alles in allem, das Positive überwiegt in meinen Augen. Ein erfahrener Fachmann für Personalrekrutierung hat einmal gesagt: Wir werden eingestellt für unsere guten fachlichen Zeugnisse. Gefeuert aber werden wir für unsere mitmenschlichen Defizite am Arbeitsplatz oder zwischen den Kollegen.

Genau das ist der Grund, warum wir die Kopfnoten eingeführt haben.

Die Grünen haben in Ihrem Antrag differenzierter argumentiert. Sie haben gesagt, Kritik müsse ernst genommen werden. Darauf können Sie sich verlassen! Frau Ministerin Sommer hat ja bereits in der Anhörung gesagt, dass wir das Verfahren auf Dauer auch evaluieren werden. Für die SPD gilt: Völlig unpassend zum vorweihnachtlichen Wetter verbreitet sie heute lediglich heiße Luft. ­

Vielen Dank. Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Kaiser. Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Pieper-von-Heiden. Bitte schön.

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Kopfnoten sind ein angemessenes Instrument, um Schülern übergreifende soziale und persönliche Kompetenzen zu vermitteln.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Quatsch!) Kopfnoten bieten den Schülern die Möglichkeit, sowohl ihre Sozialkompetenz als auch ihr Arbeitsverhalten zu verbessern. Zudem können Schüler auf diese Weise lernen, die Wirkung des eigenen Verhaltens auf die sie umgebende Umwelt besser einzuschätzen. Daher ist die von den Sozialdemokraten und Grünen geäußerte Kritik an den erstmalig bei den nächsten Zeugnissen zu vergebenden Kopfnoten unangemessen.

Entgegen der fälschlich von rot-grünen Interessenvertretern verbreiteten Darstellung sind Kopfnoten weder ein bürokratisches noch ein unfaires