Rente

­ richtiger und wichtiger Schritt auf dem Weg ist, weitere geeignete Maßnahmen zur Milderung der Beeinträchtigungen zu identifizieren und einzuleiten.

Die Gesellschafter der Firma Grünenthal und die Vertreter des Bundesverbands ConterganGeschädigter stehen in einem engen Dialog mit dem Ziel, gemeinsam tragfähige Lösungen für die Betroffenen zu finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ich gehe davon aus, dass Ihnen all das nicht neu ist. Frau Steffens, wir haben das gerade von Ihnen gehört. Deshalb werte ich Ihren Antrag als Aufforderung zu einer aufmerksamen Begleitung ­ so habe ich es formuliert, Sie haben es „Aufschlag" genannt ­, um die weiteren Entwicklungen im Sinne der betroffenen Contergan-geschädigten Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen begleiten zu können.

Das wollen wir im Ausschuss gemeinsam mit Ihnen machen, und somit stimmen wir der Überweisung gern zu. ­ Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Herzlichen Dank für Ihre Rede, Frau Kordowski. ­ Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Veldhues.

Elisabeth Veldhues (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Mehrzahl sind es Kolleginnen, wie es so oft bei sozialpolitischen Themen der Fall ist. Der Name „Contergan" wirkt für uns als eine ständige Erinnerung an die Bedeutung der Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln. Die schrecklichen Ereignisse vor rund 50 Jahren waren unter anderem der Anlass für die Verabschiedung des deutschen Arzneimittelgesetzes, das nunmehr einen weltweit führenden Standard garantieren soll.

Sie merken schon bei dieser Einleitung, dass auch wir ­ der Staat ­ Verantwortung tragen. Die Verantwortung befand sich damals eben nicht auf einem führenden Standard.

Die betroffenen Familien mussten diesen schweren Schicksalsschlag akzeptieren. Sie haben ihre Kinder angenommen. Sie mussten auch akzeptieren, dass ihr Leben ganz anders verlaufen würde.

Viele Eltern haben versucht, ihren Kindern die bestmögliche medizinische und therapeutische Versorgung zu ermöglichen.

Belastend für diese Eltern war daneben auch der ständige Kampf um Anerkennung, Unterstützung und die Haftung der Verantwortlichen. Contergan steht daher auch als ein skandalöses Beispiel dafür, wie Menschen für ihr Recht, ihre Anerkennung und den ihnen zustehenden Schadenersatz jahrelang kämpfen mussten und weiterhin müssen.

Das war in der Vergangenheit unwürdig und menschenverachtend. Wir alle stehen heute im Wort, das nicht fortzusetzen.

Nach jahrelangem juristischem Hickhack ­ die betroffenen Kinder waren bereits im Schulalter ­ kam 1970 der Vergleich zustande, der vorhin schon zitiert wurde. Die Firma Grünenthal erklärte sich bereit, einmalig 100 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Die Betroffenen mussten im Gegenzug einzeln schriftlich auf alle weiteren Forderungen verzichten.

Sie haben sich bemüht, über die Medien Verständnis für Ihre Situation zu erlangen. Aber wir alle haben zum Beispiel noch sehr bewusst den Eiertanz vor Augen, den der Pharmahersteller bei dem Versuch unternommen hat, die Ausstrahlung des hervorragenden, äußerst sensiblen Films zu verhindern, in dem das Schicksal einer betroffenen Familie sehr unter die Haut gehend dargestellt wird. Das alles hat uns sehr bedrückt, und es war meines Erachtens peinlich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN) Rund 2.800 betroffene Menschen, zwischen 45 und 50 Jahren alt, leben heute in Deutschland.

Wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, beziehen sie derzeit eine Rente von maximal 545 monatlich. Diese Rente wird seit 1997 allein aus Steuermitteln aufgebracht. Die Stiftungsmittel sind längst aufgebraucht.

Diese schwerbehinderten Menschen haben versucht, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und zum Teil unter großen Schmerzen lebenspraktische Tätigkeiten eigenständig zu verrichten, mit der Folge, dass sie nach Jahren jetzt, als Erwachsene, schlimme körperliche Beeinträchtigungen haben und dadurch zusätzlich behindert werden.

Für die SPD-Fraktion darf ich Ihnen hier versichern, dass wir uns mit den Betroffenen und ihren Familien solidarisch erklären. Gern nehmen wir das Angebot an, uns in einem dialogischen Verfahren, auch im Rahmen einer Anhörung, mit dem Problem auseinanderzusetzen und für Abhilfe zu sorgen, statt es nur auf andere zu schieben und auf andere zu zeigen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Bei der gesundheitlichen Versorgung steht auch die Landesregierung im Wort. Wir begrüßen, dass aktuell bundesgesetzlich eine Verbesserung der Rentenregelung erreicht wird. Die damaligen Regelungen wurden nämlich vereinbart, als alle glaubten, diese Menschen hätten kaum eine Lebenserwartung ­ so zum Beispiel das Zitat des stellvertretenden Vorsitzenden des nordrheinwestfälischen Interessenverbandes. Aber diese Menschen haben uns allen gezeigt, wie man auch mit schweren Handicaps ein selbstbestimmtes Leben meistern kann.

Jetzt werden diese schwerbehinderten Menschen älter, leiden zunehmend unter den Folgeschäden der Behinderung und brauchen immer mehr Hilfe.

Diese gilt es abzusichern.

Die Firma Grünenthal äußert sich auf ihrer Homepage auf die selbst gestellte Frage: „Was bedeutet die Contergan-Tragödie für Grünenthal?" wie folgt ­ ich zitiere ­: „Die Contergan-Tragödie ist und bleibt Teil unserer Firmengeschichte. Grünenthal und die Familie Wirtz bedauern die Folgen der Contergan-Tragödie sehr."

Der Satz lässt hoffen. Wir nehmen ihn sehr ernst, denn die Contergan-Tragödie ist ein Teil, und zwar ein bestimmender Teil, des Lebens der Betroffenen.

(Beifall von Ewald Groth [GRÜNE]) Aber mit Bedauern allein ist ihnen nicht geholfen.

Neben der Fürsorge des Staates geht es hier auch um die Verantwortung des Herstellerkonzerns.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir mit Spannung die sonst stereotyp erhobene Forderung der FDP „Privat vor Staat". Für die SPD-Fraktion darf ich Ihnen versichern: In diesem Fall werden wir Sie nach Kräften unterstützen. ­ Danke schön.

(Beifall von der SPD) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Veldhues. ­ Für die FDP-Fraktion spricht Herr Dr. Romberg.

Dr. Stefan Romberg (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Einschätzung dieser Tragödie und der Einschätzung dessen, was das für die Einzelschicksale bedeutet, besteht unabdingbar politische Einigkeit. Ich denke, das Parlament steht geschlossen dazu.

Die Koalitionsfraktionen in Berlin haben schon am 27. Februar 2008 angekündigt, dass der Fonds aufgestockt wird und die Renten erhöht werden.

Es hat mich etwas gewundert, dass dies überhaupt keinen Eingang in den vorliegenden Antrag gefunden hat, obwohl dieser das Datum 4. März trägt. Das hätte man zumindest ergänzen sollen.

Es ist ein wichtiger Schritt, wenn die Hilfen des Bundes verdoppelt werden. Das ist sicherlich gut und richtig. Die Contergan-Geschädigten selbst haben diese Aufstockung ausdrücklich als wichtigen ersten Schritt in die richtige Richtung begrüßt.

Der Vizevorsitzende des Bundesverbandes der Contergan-Geschädigten, Michael Ashcroft, hat gegenüber dpa erklärt, es sei besser spät als nie über weitere Hilfen für die Opfer nachzudenken.

Die Firma Grünenthal wurde gerade angesprochen. Sie steht sicherlich in besonderer Verantwortung. Ich deute es als gute Nachricht, dass auch die Firma Grünenthal weitere Zahlungen leisten will und eine gemeinsame Lösung mit der Bundesregierung anstrebt. Die Höhe ist zwar zurzeit noch nicht bekannt, aber aus dem Unternehmen heißt es, Grünenthal unterstütze die politische Initiative der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag, die Contergan-Renten zu verdoppeln, weil die Geschädigten als Erwachsene mehr Hilfen und medizinische Versorgung benötigen, als mit den derzeitigen Renten darstellbar sei.

Das ist zumindest ein Bekenntnis von der Firma.

Jetzt gibt es hohe Erwartungen, dass die Firma auch handelt. Das sehen die Freien Demokraten natürlich auch so.

Gestattet ist sicherlich noch der Hinweis, dass Menschen, die aufgrund einer Schädigung durch Contergan behindert sind, auch Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX haben.

Diese Leistungen werden unabhängig von der Ursache der Behinderung gewährt, denn der Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik wurde durch die Orientierung an der Teilhabefähigkeit eingeleitet und ist nicht von den Defiziten einer Person abhängig.

Die Grünen führen im Antrag frauenspezifische Probleme auf. Das sehe ich ein bisschen zwiespältig. Die männlichen Geschädigten leiden unter ähnlichen Gesundheitsaspekten. Dort eine geschlechterspezifische Betrachtung einzubauen, hilft der Sache oder den Contergan-geschädigten Menschen nicht.

Sicherlich ist auch eine stärkere Vernetzung des medizinischen Systems notwendig. Es gibt auch Spezialisten, die sich speziell mit Contergangeschädigten Menschen beschäftigen. In Nürnberg bietet der Orthopäde Jürgen Graf beispiels weise eine Contergan-Sprechstunde an. Dort ist ein Vernetzungsaufbau sicherlich sinnvoll.

Ob wir wirklich NRW-spezifische Versorgungskonzepte brauchen, wie es die Grünen fordern, halte ich für zweifelhaft. Darüber sollten wir im Ausschuss weiter diskutieren. ­ Danke schön.

(Beifall von der FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. ­ Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die medizinische Katastrophe durch Contergan ist vor 50 Jahren geschehen. Die Berichterstattung darüber hat auch dazu geführt, dass dies auf Bundesebene und durch den Antrag der Grünen hier im Landtag Thema und damit Teil der politischen Debatte ist.

Ich will offen zugeben: Wir haben im Ministerium auch nicht jeden Tag über die Frage nachgedacht, wie die Contergan-geschädigten Menschen zurechtkommen und wie sich die Lebensbedingungen durch das Altern verändern. Nun steht das Thema auf der Tagesordnung und wir werden sehen, wie wir damit umgehen.

In unserem Land Nordrhein-Westfalen leben rund 900 Betroffene. Das ist für den einen sicherlich schwieriger als für den anderen. Der eine hat besser im Beruf Fuß fassen können als der andere. Es gibt sicherlich sehr unterschiedliche Lebensumstände.

Wir sind gut beraten, zusammen mit den Betroffenen zu überlegen, was man passgenau tun kann, um die Lebenssituation dieser Menschen zu verbessern. Es kann nicht nur ein Dialog der Ministerialverwaltung mit der Politik sein. Die Betroffenen und deren Strukturen müssen mithelfen, passende Lösungen zu finden.

In der Frage der materiellen Absicherung liegt die Verantwortung beim Bund. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns als Land da einmischen. Ich finde es gut, dass die Renten verdoppelt wurden.

Es stand in den ersten Vorlagen nur eine Erhöhung um 5% zur Debatte. Der fünfzigste Jahrestag und die Medienberichterstattung haben sicherlich etwas mit dieser Entscheidung zu tun.

Das ist auch gut so.

Wir müssen schauen, welche Strukturen wir im Gesundheitssystem, im Versorgungssystem für Menschen mit diesen Handicaps haben. Es wird heute schon Versorgungsstrukturen geben. Es wird vielleicht Punkte geben, an denen man für diese kleine Gruppe von Menschen etwas entwickeln muss, was auch nur diese Gruppe benötigt.

Wir können aber auch Erkenntnisse erlangen, die wir ohnehin brauchen; denn auch Menschen, die aus anderen Gründen erhebliche Handicaps haben, werden heute älter als früher.

Ich finde, dieses Thema sollten wir in den nächsten Wochen zusammen angehen. In einer Runde mit Ministerien und Obleuten können wir überlegen, wie wir arbeitsfähige Strukturen schaffen, die Ergebnisse bringen, die nicht ewig auf sich warten lassen. Wenn das Ministerium mit seinen Möglichkeiten sowohl in der Administration als auch in der Organisation und von der Fachkompetenz her eine solche Gruppe begleiten kann, tun wir das gerne.

Ich möchte noch einen Punkt nennen, der mir wirklich wichtig ist. Wenn ich auf Veranstaltungen im Behindertenbereich bin, werde ich oft gefragt: Herr Laumann, glauben Sie, dass der Staat die Leistungen für Behinderte auf Dauer so hält, wie sie sind?

Ich sage immer: Der beste Schutzpatron für Behinderte in unserem Land ist der Parlamentarismus, weil im Parlament vernünftige Leute sind, die ein solches Thema immer vernünftig bearbeiten. Die Debatte heute gibt mir in diesem Punkt recht: Der Parlamentarismus ist der beste Schutzpatron für Behinderte, und das soll in unserem Land noch lange so bleiben. ­ Schönen Dank.

(Beifall von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Minister. ­ Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/6330 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Dort wird auch die abschließende Beratung und Abstimmung in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. ­ Ist jemand dagegen? ­

Gibt es Stimmenthaltungen? ­ Das ist nicht der Fall. Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf: