Absolventen

Sie sprechen in Ihrem Antrag von einer Flut von Widersprüchen. Das entspricht nicht der Wirklichkeit. Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, dass die Jugendlichen „auf ihren Abschlusszeugnissen mit lebenslanger Wirkung Kopfnoten mit sich schleppen". Es fehlt mir schlichtweg die Fantasie, hier einen seriösen Kern oder eine politischprogrammatische Absicht zu erkennen. Ihnen geht es um platte Stimmungsmache, mehr nicht.

Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, genau wie unsere Lehrerinnen und Lehrer seriös und nach bestem Wissen und Gewissen Fachnoten erteilen, genauso seriös erteilen sie Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Da bin ich ganz sicher, weil sich die Lehrerinnen und Lehrer in ihrem Beruf auch als Erzieher verstehen, und zwar sowohl beim Erteilen von Fachnoten als auch beim Erteilen von Kopfnoten. Ein großer Teil unserer Schulabsolventinnen und absolventen wird durch gute Kopfnoten seine Chancen wahren und verbessern.

(Beifall von der FDP)

Ich bin sicher: Bei den Kopfnoten gibt es weitaus mehr Gewinner als Verlierer. Genau diese politische Absicht verfolgen wir damit. Ihre Stimmungsmache lassen die Bürgerinnen und Bürger Ihnen nicht durchgehen. ­ Herzlichen Dank. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. ­ Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Pieper-von Heiden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: In Lila heute schon wieder! ­ Heiterkeit) Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Ja, das ist der letzte Versuch, Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Thema vom Tisch zu bekommen.

Denn das ist bei SPD und Grünen wie ein angeborener Reflex: Stellt die eine Fraktion einen Antrag, kommt die zweite mit der Entschließung ­ und umgekehrt. Das kennen wir alles schon.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Das Thema Kopfnoten erinnert mich an das Thema Aufhebung der Schulbezirksgrenzen. Mein Gott, was haben Sie sich hier aufgeregt! Gleich dutzendfach haben Sie sich hier aufgeregt. Das Thema ist durch. Das ist so selbstverständlich.

(Beifall von FDP und CDU ­ Zurufe von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Das interessiert überhaupt niemanden mehr. Genauso werden Sie es hier erleben.

Um es gleich vorauszuschicken: Es ist völlig klar, dass FDP und CDU zu diesem Instrument stehen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Das ist doch gar keine Frage.

Dass wir uns angucken, wie das im ersten und zweiten Durchgang gelaufen ist, das evaluieren und dann sicherlich zu einer gewissen Art der Abspeckung, was die Anzahl anbetrifft, kommen werden und zu einer Klarstellung, damit überhaupt keine Zweifel bestehen können, wie das gemeint ist, sei einmal dahingestellt. Aber das ist heute nicht das Thema. Sie beklagen sich ja über ganz andere Dinge, nämlich darüber, wie gebrandmarkt Schüler sein könnten, wenn sie denn eine Kopfnote auf dem Abschlusszeugnis haben. Die SPD schreibt: Die Noten wirken lebenslang. ­ Ja, meine Kolleginnen und Kollegen, das haben Noten so an sich. Die stehen nun einmal lebenslang auf dem Zeugnis. Das ist völlig normal; das ist doch klar.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die Grünen schreiben in ihrem Antrag ­ das hat mich wirklich erschüttert ­: „Die Lehrerinnen und Lehrer sind für die Benotung des Arbeits- und Sozialverhaltens nicht ausgebildet; zudem sollte grundsätzlich in der Schule nur benotet werden, was dort auch erlernbar ist." Welches Zeugnis stellen Sie denn damit den Lehrerinnen und Lehrern dieses Landes aus?

(Beifall von FDP und CDU)

Die sind nicht dafür ausgebildet? Jeder Personalleiter, jeder Abteilungsleiter, jeder Gruppenleiter in einem Unternehmen muss seine Mitarbeiter bewerten ­ auch im Sozialverhalten und im Arbeitsverhalten.

(Zurufe von Sylvia Löhrmann [GRÜNE], Rüdiger Sagel [fraktionslos] und von der SPD)

Das ist doch völlig selbstverständlich. Lehrerinnen und Lehrer sind eine Berufsgruppe mit einer fundierten pädagogischen Vorbildung. Denen wollen Sie die Fähigkeit absprechen, eine Bewertung über Kopfnoten vorzunehmen? Wie denken Sie denn über unser Lehrpersonal hier im Land?

Wenn eine Gruppe das können muss, dann doch wohl die Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall von FDP und CDU)

Das möchte ich hier doch einmal feststellen.

Sie sprechen in Ihren Anträgen die Abschlusszeugnisse an. Die Jugendlichen gehen ja nicht erst seit gestern zur Schule. Unsere Lehrerinnen und Lehrer kennen ihre Pappenheimer, die kennen ihre Schülerinnen und Schüler ganz genau.

Ich würde ihnen niemals absprechen, völlig klar bewerten zu können, wo es bei dem einen hapert und was der andere besonders gut kann, und entsprechende Noten zu geben.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Dass eine ehrliche Bewertung stattfinden sollte, das ist doch völlig klar. Es ist nicht hinnehmbar, wenn eine Schule eine Pauschalnote vergibt. Das sei an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Löhrmann?

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Gerne ­ wenn Sie die Zeit stoppen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Zeit wird immer gestoppt. Bitte.

Sylvia Löhrmann (GRÜNE): Schönen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. Eines interessiert die Öffentlichkeit jetzt ­ nachdem sich ja schon abzeichnet, dass es eine andere Anzahl an Kopfnoten geben soll ­ aber schon: Erzählen Sie uns doch einmal, wessen Idee es war, sechs Kopfnoten zu vergeben! War es die Idee der CDU, die Idee der FDP oder die Idee des Schulministeriums? Wer wollte ursprünglich diese sechs Noten?

Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Sie wissen wie ich, dass dieses Schulgesetz mit den Stimmen von FDP und CDU verabschiedet worden ist und dass es so von beiden getragen wird. Im Schulgesetz gibt es Ausführungen dazu, dass es Bewertungen des Arbeits- und Sozialverhaltens geben soll. Nun hat es eine inhaltliche Ausgestaltung dieser Vorgabe gegeben. Das werden wir uns anschauen, denn wir sind nicht so stolz und so borniert, wie Sie ­ nicht Sie persönlich, ich möchte keine Beleidigung aussprechen ­ es während Ihrer Regierungszeit waren. Bei Ihnen galt:

Was einmal zementiert war, das existierte dann auch für alle Zeiten. Wir haben gesagt: Wir schauen uns das sehr genau an, und dann werden wir sehen, was wir daraus machen.

(Beifall von der FDP)

Dazu stehen wir. Das sage ich hiermit noch einmal sehr deutlich; und ich hoffe, dass Sie das jetzt auch so verstanden haben. Wir müssen das jetzt erst einmal auswerten. Wir hatten gesagt, dass wir es auswerten und dann zu einer dauerhaften Regelung kommen werden. Verzichten Sie deswegen auf eine Benotung in Mathematik? Nein, tun Sie nicht!

(Zuruf von der SPD: Bildungspolitische Kreidezeit!) Mich erschüttert es, wenn die Grünen sagen, man solle nur das bewerten, was man in der Schule lernt. Ich sage Ihnen: Wenn man in der Schule kein Sozialverhalten lernt, wenn man in der Schule kein Arbeitsverhalten lernt, wenn man in der Schule all das nicht lernt, dann ist Schule fehl am Platz. Ich bin froh, dass man das in den Schulen lernt und dass das selbstverständlich begleitende Schritte des normalen, des täglichen Unterrichts sind. Weil das so ist, gehört das auch in eine Bewertung.

(Beifall von FDP und CDU) Machen Sie sich keine Illusion: Wir werden die Regelungen zur Vergabe von Kopfnoten auch in Abschlusszeugnissen ganz bestimmt nicht aufhe ben. Wir werden vielleicht ein Feintuning bei der Kopfnotenvergabe insgesamt machen.

(Zuruf von der SPD: Verbaltuning!) Aber Kopfnoten gehören nun einmal durchgehend auf die Zeugnisse.

Frau Beer, wenn ich Ihren Antrag lese, muss ich sagen, dass uns heute wirklich nur eines eint: die gleiche Farbe der Oberteile.

(Beifall von FDP und CDU ­ Zuruf von der SPD: Und noch nicht einmal das stimmt! ­ Heiterkeit) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. ­ Für die Fraktion der Grünen spricht nun Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit einigen Zuschriften aus Schulen beginnen, die widerspiegeln, wie in der Wirklichkeit die Einstellung zu den Kopfnoten ist und wie die Erfahrungen damit sind.

Ich zitiere zunächst aus einem Brief der Schulpflegschaft des Gymnasiums Köln-Nippes: „Viele haben mit der Einführung der Kopfnoten in NRW große Erwartungen verbunden. Für die Elternschaft des Gymnasiums haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt. Die Förderung der Entwicklung des Arbeits- und Sozialverhaltens war und ist uns ein wichtiges Anliegen. Aber unklare Zielvorstellungen und gravierende Ungleichbehandlung schaden unseren Kindern mehr, als dass ein möglicherweise zu erwartender Nutzen es zu rechtfertigen vermag."

Außerdem wird ausgeführt: „Ein Verharren auf dem derzeitigen Zustand ist unserer Meinung nach eine gravierende Schwächung der Ausbildungschancen unserer Kinder. Kommen Sie einer rechtlichen Auseinandersetzung zuvor, indem Sie die Kopfnoten abschaffen. Frau Dr. Brigitte Hintzen-Bohlen und andere."

Aus dem Gymnasium Stift Keppel, Hilchenbach, hat auch die Ministerin ein Brief von Frau Dr." (Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich zitiere außerdem Frau Dr. Hohnemann aus einem Brief der Schulpflegschaft des Gymnasiums Porta Westfalica: „Sicher haben auch Sie Kontakte zu Schulen und Lehrern, sodass Sie sich ein eigenes Bild von der Praxis der Vergabe der Kopfnoten machen können. Sie ist, schlicht gesagt, eine Katastrophe. Sicher haben Sie auch Kontakte zu Personalchefs, zu Ausbildungs- und Jobvermittlungsagenturen, sodass Sie in Erfahrung bringen können, was wir Eltern allenthalben hören:

Die Kopfnoten werden für die Auswahl zum Beispiel bei einem Vorstellungsgespräch wesentlich höher bewertet als die Fachnoten, und das, obwohl die Vergabe alles andere als gerecht ist." (Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die Vergabe der Kopfnoten auszusetzen ist auch die Forderung dieser Schulpflegschaft. Dem können wir uns in der Tat nur anschließen.

Kommen Sie endlich zur Vernunft! Ziehen Sie die Reißleine! Der Vollzug der Regelungen zu den Kopfnoten muss sofort ausgesetzt werden. Es ist nicht zu verantworten, dass dieser schulpolitische Unfug einen Tag länger betrieben wird als nötig.

Sie können dann auch endlich die Drohung gegenüber den kirchlichen Schulen einstellen, die sich in nicht unerheblicher Zahl geweigert haben, Kopfnoten auszustellen, und das aus gutem Grund.

Lehrerinnen und Lehrer brauchen auch keine Beschäftigungstherapie. Schülerinnen und Schüler brauchen keine zusätzlichen Benachteiligungen im Schulsystem, wie Sie sie ihnen mit den Kopfnoten verschaffen.

(Beifall von den GRÜNEN) Schwarz-Gelb ist dafür verantwortlich, dass Schulen in NRW aus Notwehr Kopfnotenkartelle mit Pauschalnoten gebildet haben. Es werden Einheitsnoten vergeben, und zwar von Region zu Region ganz unterschiedlich.