Armin Laschet Minister für Generationen Familie Frauen und Integration An dem Punkt waren wir ja noch nicht

­, dann vergisst er das offensichtlich. Er vergisst auch ganz offensichtlich, darauf hinzuweisen, dass es noch andere Entwicklungsscreenings gibt als das von ihm präferierte.

Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration: An dem Punkt waren wir ja noch nicht. Erst einmal gilt die Bildungsvereinbarung. Das weiß auch Herr Prof. Tietze. Aber die nächste Frage ist doch, dass die SPD jetzt fordert, die sogenannte Leuvener Engagiertheitsskala zu berücksichtigen.

Wer nicht weiß, was das ist: Es ist die flämische, katholische Universität Leuven, die Prinzipien entwickelt hat, die wir in der Überprüfung der Bildungsvereinbarung anwenden. Die Skala wird in den Familienzentren auch angewandt ­ das ist selbstverständlich ­, soweit die Kindertagesstätte als Familienzentrum davon betroffen ist.

Nicht möglich ist hingegen die Anwendung der Leuvener Engagiertheitsskala, wenn es um die besonderen Aufgaben des Familienzentrums geht. Dafür ist die nämlich gar nicht entwickelt worden. Das ist eine Methodik, um eine Bildungsvereinbarung mit Kindertagesstätten zu evaluieren, aber keine Methodik, um diese Sonderaufgabe der Familienzentren zu überprüfen.

Dieses Leuvener Modell ist ein wirkungsvolles Instrument im Rahmen der Bildungsarbeit in den Kindertageseinrichtungen im Allgemeinen. Es reicht aber nicht aus, um das Besondere des Familienzentrums zu untersuchen. Deshalb kann das Leuvener Modell bei der Zertifizierung der Familienzentren nicht zum Zuge kommen. Andererseits erwächst den Einrichtungen, die die Leuvener Engagiertheitsskala zugrunde legen, aber auch kein Nachteil daraus. Niemand kassiert Minuspunkte bei der Zertifizierung, weil er das Leuvener Modell anwendet. Es ist für die Zertifizierung schlicht nicht relevant.

Die Antragsteller unterstellen darüber hinaus, dass PädQUIS statt der Leuvener Engagiertheitsskala sein eigenes Entwicklungsscreening in die Familienzentren implementiert ­ das hat besonders Frau Asch vorgetragen ­, um sich, wie Sie es nennen, Zuverdienstmöglichkeiten zu verschaffen. Sie verweisen dabei auf das von PädQUIS entwickelte Instrument KES ­ KindergartenEinschätz-Skala. Abgesehen davon, dass ich diese Behauptung unseriös finde, übersehen Sie zwei Dinge: Erstens. KES ist kein Instrument zur Früherkennung von Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern, sondern zur Sicherung der pädagogischen Qualität der Einrichtung.

(Beifall von der FDP)

Das ist das Erste, was fachlich nicht verstanden ist.

Zweitens. PädQUIS kann das von ihr selbst entwickelte Instrument KES bei der Zertifizierung überhaupt nicht anerkennen, weil KES ausschließlich zur Qualitätssicherung von Bildung, Betreuung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen konzipiert wurde und nicht für die Besonderheiten der Familienzentren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, ich habe noch zwei Zwischenfragen. Außerdem ist Ihre Redezeit schon zu Ende. Würden Sie noch zwei Zwischenfragen zulassen?

Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Meurer hat eine erste Zwischenfrage. Bitte schön, Frau Meurer.

Ursula Meurer (SPD): Vielen Dank, Herr Minister.

Ist Ihnen bekannt, dass es darüber, was ein Entwicklungsscreening ist und ob die Leuvener Engagiertheitsskala auch unter Entwicklungsscreening fällt, unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen gibt, die überhaupt nicht geklärt werden, und dass PädQUIS einseitig festlegt, was ein Entwicklungsscreening sein sollte, und PädQUIS auf seiner KES-Skala aufbaut?

Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Ich habe gerade schon mal versucht, es zu erklären.

(Ursula Meurer [SPD]: Nein!)

Die Leuvener Methodik gilt für alle Kindertageseinrichtungen. Soweit das Familienzentrum als Kindertageseinrichtung arbeitet, ist sie auch anwendbar. Aber es gibt überhaupt keinen wissenschaftlichen Streit. Es gab, als die Leuvener Kriterien entwickelt wurden, noch keine Familienzentren. Das ist eine innovative Idee, die wir eingeführt haben und für die wir eine eigene Zertifizierung machen. Jeder, der an diesem Prozess mitwirkt, ist auch bereit, diese eigene Methodik für Familienzentren zu akzeptieren.

Wenn Sie in Deutschland etwas Neues einführen, können Sie nicht nachschauen, was Leuven irgendwann einmal entwickelt hat, sondern müssen für das Innovative, das inzwischen viele Kindertagesstätten anwenden, eine eigene Zertifizierungsmethode entwickeln. Da hilft es nicht, frühere Kriterien, die aktuell immer noch auf Kindertageseinrichtungen wirken, anzuwenden, sondern Sie brauchen etwas Neues. Deshalb ist das wissenschaftlich ausgeschrieben worden, und deshalb ist die Methodik, die PädQUIS anwendet, genau die richtige.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Herr Minister. ­ Frau Asch hatte sich noch zu einer Zwischenfrage gemeldet. Bitte, Frau Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Laschet, ist es richtig, dass in Ihrem Haus Gespräche mit den Trägern genau zu diesem Problem stattfinden, nämlich zur Implementierung dieser von Prof. Tietze entwickelten Kindergarten-Einschätz-Skala, weil die Träger darin einen Eingriff in ihre Trägerhoheit sehen? Warum finden diese Gespräche statt, wenn all das kein Problem ist?

Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Da wir schlaue Menschen sind, führen wir immer wieder Gespräche mit jedem, der das will. Jeder kann übrigens auch alles erfahren, was er braucht, wenn er bei uns anfragt. Wir sind in einem dauerhaften Gespräch mit allen Trägern, um die Qualität zu verbessern.

Dass die Zertifizierung ein Eingriff in die Trägerautonomie ist, ist allein dadurch widerlegt, dass sie, wenn das so wäre, kein einziger Träger beantragen würde. Die Träger würden doch sagen: Landesregierung, mach deine komischen Zertifizierungen alleine; wir machen das nicht mit! ­ Aber die Wirkung vor Ort ist ganz anders. Sie sagen:

Wir machen mit; wir finden es richtig. Die Idee ist richtig, und das ständig besser zu machen ­ auch in Gesprächen ­, ist ebenfalls richtig.

Selbstverständlich kennen wir den Fall Essen, den Sie eben vorgetragen haben. Dem Fall wird nachgegangen. Aber wenn unter tausend Familienzentren in einem einzigen Familienzentrum möglicherweise etwas formuliert wurde, was Sie so deuten können, wie Sie das getan haben, ist doch nicht die komplette Idee schlecht, ist doch nicht die Zertifizierung schlecht, können Sie doch nicht am Pult des Landtags sagen: PädQUIS macht das nur aufgrund von Zuverdienstmöglichkeiten. Bildungspolitik und Familienzentren als frühkindliches Bildungsinstrument sind schon etwas weiter, als nur in Kategorien wie Misstrauen, Zuverdienstmöglichkeiten und mangelnde wissenschaftliche Qualifizierung zu denken.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Wir werden, Frau Asch, die Probleme, die Sie benannt haben, natürlich mit den Trägern besprechen. Tag für Tag kommt es bei den Familienzentren zu Verbesserungen. Im August starten weitere 500. Im Jahr 2012 haben wir 3.000, und es sind noch weitere auf dem Weg, die gar nicht vorgesehen sind, für sich aber gesagt haben: Wir wollen diese Zertifizierung ebenfalls anstreben.

Ich wünsche mir, dass die Familienzentren weiter Erfolg haben und dass wir in diesem Landtag noch oft über eine Qualitätsverbesserung dort sprechen. Heute Morgen ist übrigens beim Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag von all den anderen, die nach Nordrhein-Westfalen anreisen, genau dieser Ansatz gewürdigt worden ­ in Anwesenheit des Bundespräsidenten. Wir sollten uns das hier im Landtag nicht mit solchen Nickeligkeiten kaputtreden.

(Beifall von der CDU) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Laschet. ­ Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Kollege Lindner noch mal zu Wort gemeldet.

Christian Lindner (FDP): Danke, Herr Präsident!

Bisher waren in dieser Debatte zwei Dinge überraschend: Erstens. Offenbar ist nicht jedem hier bekannt, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen Entwicklungsscreenings und Qualitätssicherungssystemen gibt.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Das sind zwei grundverschiedene Dinge, die aber von der Opposition in einen Topf geworfen werden.

Zweitens. Trotz anders lautender Medienberichterstattung gibt es keine besondere inhaltliche Nähe zwischen Herrn Laschet und den Grünen ­ zumindest nicht in dieser Frage.

Zwei überraschende Feststellungen, die ich zum Anlass nehmen will, um den Hintergrund zu erläutern: Liebe Frau Meurer, manchmal hilft es, sich ein bisschen im Internet zu tummeln und zu recherchieren. Hätten Sie das gemacht, hätten Sie festgestellt, dass das Unternehmen PädQUIS selbst keinerlei Entwicklungsscreening anbietet ­ auch keine Schulungen dafür ­ und nichts in dieser Art entwickelt hat. Vielmehr machen sie Qualitätsmanagementsysteme. Da haben sie auch ein eigenes, das Deutsche Kindergarten-Gütesiegel.

Es basiert auf der Kindergarten-Einschätz-Skala.

Das hat allerdings mit Entwicklungsscreening ­ ich sage es noch mal ­ nichts zu tun.

Bei den Qualitätsmanagementsystemen wird geprüft: Wie ist die Strukturqualität? Das bedeutet:

Ist die Einrichtung sauber? Gibt es dort genügend Spielflächen? Gibt es im Außenbereich genug Angebote? Die Prozessqualität wird untersucht.

Wie werden die Kinder empfangen? Wie werden die Kinder verabschiedet? Gibt es eine Mahlzeit?

Wie ist die Mahlzeit organisiert? Wie ist das Frühstück? Welche Weiterbildungsangebote gibt es? ­ Das hat mit Entwicklungsscreening nichts zu tun.

Ein letzter Satz, Herr Präsident, zum Leuvener Modell: Es ist zweifellos eine Methode, die in der Praxis angewendet wird. Ich erlaube mir aber eine politische Bewertung: Ich will ein Entwicklungsscreening haben, das objektiv ist und klare Orientierungswerte hat. Das Leuvener Modell kann das nicht leisten, weil es als Engagiertheitsskala nur Bezugspunkte innerhalb einer Kindergartengruppe hat. Es gibt keinen äußeren Bezug. Es ist für eine echte Entwicklungsdiagnostik nicht geeignet, weil es subjektiv ist und keine externen Orientierungspunkte hat. Deshalb kann ich nachvollziehen, dass man dieses Modell in der politischen Debatte kritisch überdenken muss. Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. ­ Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind am Ende der Beratungen.

Die Abstimmung soll jetzt erfolgen, und zwar wollen wir über die Überweisungsempfehlung beschließen. Der Ältestenrat empfiehlt, den Antrag

Drucksache 14/6953 an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration zu überweisen. Dort soll über ihn in öffentlicher Sitzung abschließend beraten und abgestimmt werden. Wer ist für diese Überweisung? ­ Wer ist dagegen? ­ Wer enthält sich? ­ Die Überweisung ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9 Fragestunde

Mit dieser Drucksache liegen Ihnen die Mündliche Anfrage 202 aus der letzten Fragestunde sowie die Mündlichen Anfragen 207 bis 222 vor.

Ich rufe die Mündliche Anfrage 202 aus der letzten Fragestunde von der Abgeordneten Frau Löhrmann, Bündnis 90/Die Grünen, auf. ­ Ich höre, dass wir diese Anfrage schriftlich beantwortet bekommen sollen. (Siehe Anlage) Frau Löhrmann ist damit einverstanden.

Somit kommen wir zur Mündlichen Anfrage 207 der Frau Abgeordneten Asch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Erneute Rückmeldung aus den Kommunen: Kinder mit Sprachförderbedarf erhalten keine zusätzliche Förderung.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Meldungen aus Kommunen, Kindergärten und von Eltern weisen auch in diesem Jahr wieder auf eklatante Mängel des Verfahrens zur Sprachstandserhebung bei vierjährigen Kindern hin. „Kinder, die keinen einfachen Satz sprechen können, keine Pluralbildung kennen und nicht ein Wort zu einer Bildergeschichte sagen können, erreichen trotzdem so viele Punkte im Test, dass sie aus der zusätzlichen Sprachförderung herausfallen", heißt es in einer Pressemitteilung der GEW vom 05.06.2008. Bereits 2007 hatte der Städtetag in einer Stichprobe erhebliche Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen der früher von den Fachkräften in den Kindertagesstätten durchgeführten Spracherhebungsverfahren und dem landesweiten Verfahren „Delfin" gemeldet. In einer aktuellen Beschlussvorlage der Stadt Gelsenkirchen für die kommunalen Gremien heißt es bezogen auf den im Rahmen der Sprachstandserhebung dokumentierten Sprachförderbedarf: „Laut Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte liegt die Anzahl der vierjährigen Kinder mit Sprachförderbedarf jedoch höher als laut Testergebnis."

Wie bewertet die Landesregierung die Kritik von GEW und aus den Kommunen, dass weiterhin Kinder mit Sprachförderbedarf diesen Förderbedarf durch das Delfin-Verfahren nicht bestätigt bekommen und daher aus der Sprachförderung herausfallen?

Wer antwortet auf diese Frage? Auf meinem Blatt steht Frau Sommer, aber Herr Laschet ist im Raum. Ich weiß nicht, wer den Zettel mit der Antwort hat. Das müssen Sie jetzt entscheiden.

(Carina Gödecke [SPD]: Antworten Sie doch ohne Zettel!) Frau Sommer beginnt. Frau Ministerin, bitte schön.