Eines ist aber ganz klar Ein Laufzeitverlängerung vergrößert das Atommüllproblem

Nur zur Erinnerung: Seit 1973 suchen wir ein Endlager. Bis zum planmäßigen Ausstieg aus der Atomenergie werden dann 50 Jahre vergangen sein. An der Zeit scheint es dann doch nicht zu liegen.

Eines ist aber ganz klar: Ein Laufzeitverlängerung vergrößert das Atommüllproblem. Wieso mehr Müll helfen soll, das Endlagerproblem zu lösen, ist mit Logik nicht zu erklären.

(Beifall von der SPD)

Genau hier liegt das Problem: Mit Logik kommen Sie nicht weiter, weil nämlich Herr B. unter Klaustrophobie leidet. Ihm ist nicht zu erklären, dass es ungefährlich ist, in einen Aufzug zu steigen. Da kommt man auf der Sachebene einfach nicht weiter. Da ist Therapie erforderlich, denn eine Phobie ist eine krankhafte, unbegründete und anhaltende Angst vor bestimmten Dingen. Sie äußert sich im übermäßigen und auch unangemessenen Wunsch, den Anlass der Angst zu vermeiden. Eben deshalb steigen Menschen, die an Klaustrophobie leiden, nicht in Aufzüge.

Das, was wir in den letzten Jahren und auch gestern und heute gehört haben, kommt allerdings in die Nähe eines neuen Krankheitsbildes, einer neuen Phobie, ich nenne sie mal Vento-Phobie: eine unbegründete, fast krankhafte Angst vor der Windenergie und anderen erneuerbaren Energien.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Zur Behandlung von Phobien werden Selbsthilfegruppen empfohlen. Als Gründungsmitglieder einer Selbsthilfegruppe Vento-Phobie drängen sich mir die Kollegen Ellerbrock, Weisbrich und Brockes geradezu auf. Ein Tipp dazu: In den letzten Jahren wurde das Internet für die Hilfe Betroffener vielfältig genutzt. Vielleicht sollten Sie das auch tun.

Die Gründe Ihrer Phobie sind irrational ­ die Wirkungen leider ganz real. Die Auswirkungen sehen wir in Ihrem Antrag. Demütig bitten Sie die Landesregierung, auf Bundesebene den Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen zu schaden. Sie fordern längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und behaupten, dies würde die Strompreise begrenzen.

Die tatsächlichen Wirkungen konnten Sie heute Morgen in der „Westdeutschen Zeitung" nachlesen: E.ON plant den Abbau von bis zu 1.800 Stellen und von 40 der bislang 60 Servicestandorte.

Höhere Preise für Strom und Gas hatten den Gewinn von E.ON um 9 % steigen lassen. Der bereinigte Konzernüberschuss stieg auf 5,1 Milliarden.

Die Wirklichkeit in diesem Land hat mit den realitätsfremden Reden und Anträgen von CDU und FDP nichts zu tun. Die Realität sieht wie folgt aus: explodierende Unternehmensgewinne, Arbeitsplatzabbau bei den großen Energiekonzernen und immer weniger Service für den Kunden. Die derzeit noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke haben dies alles nicht verhindern können. Sie zementieren vielmehr monopolartige Strukturen und blockieren mehr Wettbewerb und Innovation.

Die Forderung von CDU und FDP nach möglichen Laufzeitverlängerungen blockiert Investitionen in neue, hoch effiziente Kraftwerke, den Durchbruch der Kraft-Wärme-Kopplung sowie den stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Nordrhein Westfalen ist vor Jahrzehnten aus guten Gründen aus der Atomenergie ausgestiegen. Eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atommeiler würde Nordrhein-Westfalen schwer schaden.

Gleiches gilt für die unsinnige Forderung nach einer Verhinderung der Vollauktionierung von Emissionszertifikaten während der 2013 beginnenden dritten Handelsperiode. Was soll das bringen?

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Die Zertifikate sind doch längst eingepreist. Das Geld bleibt derzeit noch bei den Unternehmen.

RWE begründet den Weiterbetrieb seiner uralten Blöcke in Frimmersdorf mit dem Emissionshandel.

Ich zitiere aus einem Interview im „Kölner StadtAnzeiger" vom 2. Mai 2008:

Auf die Frage „Hatte RWE nicht zugesagt, mit der Inbetriebnahme von BoA 1 alte Anlagen abzuschalten?", antwortete Herr Lambertz, Vorstandsvorsitzender von RWE Power: Statt des Emissionshandels... wollte die deutsche Industrie eine freiwillige Selbstverpflichtung eingehen.... In diesem Zusammenhang ist gesagt worden, für BoA 1 würden 150-MWBlöcke stillgelegt. Aber dann ist der Emissionshandel eingeführt worden, und das hat die Situation grundlegend verändert.

Auf die Nachfrage „Sie fühlen sich also an dieses Paket nicht mehr gebunden?" kam die Antwort: „Richtig."

Im Klartext heißt das: Mit dem derzeitigen Emissionshandel begründet der Vorstandsvorsitzende den Weiterbetrieb von Uraltanlagen. Das ist das Gegenteil dessen, was erreicht werden sollte. Alte Dreckschleudern bleiben am Netz. Hier hilft nur die Auktionierung.

Mit ihrem Antrag ist die Koalition deshalb auf einem Weg zurück in die Vergangenheit. Alte Atommeiler bleiben länger am Netz. Die Atommüllmenge würde weiter wachsen. Alte CO2 Schleudern bleiben am Netz. Investitionen in neue Kraftwerke werden nicht getätigt. Keine Spur von mehr Wettbewerb!

Das alles richtet sich gegen die Interessen der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Mit unserem Entschließungsantrag, den Thomas Eiskirch gleich vorstellen wird, werden wir Ihnen den richtigen Weg zeigen. ­ Danke schön.

(Beifall von der SPD) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Leuchtenberg. ­ Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen.

Der entscheidende Punkt ist: Aus meiner Sicht ist der Antrag ein dokumentiertes Stück Politikverweigerung. Klar ist: Ihnen von der CDU steht es völlig frei, im Rahmen der Gesamtdebatte eine Laufzeitverlängerung zu fordern. Das ist Teil der Debatte in Berlin. Ich teile die Position nicht, aber das kann man machen.

Aber Sie müssten an irgendeiner Stelle klar sagen, was es für ein Benefit für Nordrhein Westfalen hat, wenn in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Niedersachsen die Reaktoren länger laufen. Das müssten Sie irgendwo erläutern.

(Beifall von der SPD)

Wir alle wissen: Es ist nicht realitätsnah, anzunehmen, dass es hier irgendeinen preislichen Benefit hätte. Der Strom ist in Baden-Württemberg oder in Bayern auch nicht billiger, obwohl es dort einen hohen Anteil Atomstrom gibt.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Wir kennen den Mechanismus der Merit-Order, nach dem das letzte ans Netz gehende Kraftwerk den Preis bestimmt. Der Profit bleibt bei den Unternehmen. Und Sie konnten keinen Beleg erbringen, dass das für uns in Nordrhein-Westfalen etwas bringt.

Natürlich stellt sich dann die Frage, warum Sie das machen. Man könnte vermuten, Sie wollten die Akzeptanz der Atomkraftwerke erhöhen. Herr Pinkwart fordert offen neue Reaktoren. ­ Sie sagen das ja nicht offen. Ich glaube auch nicht, dass Sie das in den nächsten zehn Jahren schaffen könnten. Insofern wird es auch keine Relevanz für Nordrhein-Westfalen in absehbaren Zeiträumen geben.

Was soll dann diese Debatte? Ich komme jetzt auf Ihren zweiten Punkt zu sprechen: gegen die Vollauktionierung. Dabei ist völlig klar: Wir reden über die Vollauktionierung der Emissionsrechte im Strombereich. Ich teile Ihre Argumentation, was die Stahlindustrie und andere Industriebereiche angeht.

In der ersten Periode haben RWE und andere die Rechte komplett umsonst bekommen, da es eine Phase des Ausprobierens war. In der zweiten Periode haben sie 10 % bezahlt und 90 % umsonst bekommen. Sie haben aber 100 % preislich eingestellt. Das haben sie gemacht, weil die Rechte einen gewissen Wert hatten. Der Profit blieb bei ihnen.

Insofern hat die CDU-Landesregierung von Baden-Württemberg Recht. Letzte Woche habe ich eine Antwort von ihr auf die Anfrage eines grünen Kollegen gelesen. Die CDU-Landesregierung sagt, die Unternehmen hätten es eingepreist. Also ist es richtig, das jetzt vollzuauktionieren. Die Frage ist doch: Bleibt das Geld bei den Aktionären oder kommt es zum Staat, damit er es positiv einsetzt?

Ich finde das, was Sie in diesem Punkt ­ ich komme gleich noch auf einen zweiten Punkt zu sprechen ­ machen, strategisch fatal für Nordrhein-Westfalen, weil Sie damit einen Prozess anlegen.

Wir reden über Vollauktionierung. Die Bundesregierung will das. Der Bundestag hat das beschlossen. Die EU will es. Das Emissionshandelssystem wird Zug um Zug andere Bereiche ergreifen. Sie positionieren Nordrhein-Westfalen strategisch katastrophal.

Doch die Position ist deswegen so schwierig, weil Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner hohen Kohlenstoffhaltigkeit 44 % des Emissionshandels tra gen muss. Normal liegen wir bei 21 % der Republik, Stichwort: Königsteiner Schlüssel. Beim Emissionshandel zahlen wir 44 %. Allein in diesem Jahr bringt der Emissionshandel dem Bund 1 Milliarde. Davon kommen 440 Millionen aus NRW. Die Frage ist: Wie viel kommt zurück? Diese Summe richtet sich nicht nach dem Königsteiner Schlüssel, sondern beträgt 66 Millionen knapp 7 % von 1 Milliarde.

Die Landesregierung, die gewählt worden ist, um für NRW zu handeln, müsste sich aufstellen und sagen: Ein überproportionaler Anteil dessen, was in Berlin ankommt, müsste nach Nordrhein Westfalen fließen, weil wir größere Probleme haben.

Wir haben einen erheblichen Gebäudebestand aus den 50er- und 60er-Jahren durch die großen Wiederaufbauleistungen nach dem Kriege. Er ist schlechter als der Bundesschnitt. Daher haben wir mehr Sanierungsbedarf als andere Länder. Zudem haben wir eine hohe Kohlenstofflastigkeit.

Deswegen müssen wir die Verschmutzungsabgabe zahlen. Also brauchten wir auch mehr Geld als andere Länder, um die energetischen Modernisierungsprozesse einzuleiten.

Alle anderen ­ die werden sich ja wehren ­ werden jetzt sagen: Ihr bekommt nicht das wieder, was aus NRW kommt. Aber als Strategie gegenüber Berlin müssten Sie sagen: Wir brauchen davon einen länderspezifischen Teil, um diese negativen Strukturen abzubauen. Den brauchen Sie dringend, weil Sie ja für Gebäudesanierung keine eigenen Haushaltsmittel einsetzen können. Wir wissen ja alle, wie der Haushalt aussieht.

An der Stelle rühren Sie sich aber nicht. Sie kämpfen um die eine Position: Wir sind gegen die vollständige Auktionierung ­ gegen alle anderen.

Das beinhaltet ja auch der Antrag.

Die baden-württembergische Landesregierung hat dankenswerter in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage eines Kollegen von mir geschrieben, sie sei gegen eine länderspezifische Verteilung. Sie würde von dem profitieren, was NRW zahlt, und sogar überproportional daraus Mittel erhalten. Die Bayern sehen das ähnlich.

Was Sie an der Stelle versäumen, ist eine strategische Aufstellung, die Nordrhein-Westfalen nützt.

In eine Verhandlung mit der Position hinzugehen, man sei gegen die Auktionierung, und hinterher zu sagen, wenn ihr sie aber durchgesetzt haben, wollen wir etwas mehr haben, ist eine sehr, sehr schlechte Verhandlungsstrategie.

Also, eine ganz eindeutige Aussage: Strategisch stellen Sie unser Land schlecht auf! Vielmehr müssten Sie fordern: Von dem, was der Bund einnimmt, muss ein Teil entsprechend dem Aufkommen wieder in die Länder zurückfließen.

Dann hätten Sie additive Mittel, um Gebäudesanierungsprogramme und andere Dinge zu bedienen. Das tun Sie nicht. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Sie machen das Gleiche bei den erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren sind nicht mehr additive Spinnerei von einigen Grünen und einigen Landwirten. Vielmehr sind die erneuerbaren Energien Ziel der Bundesregierung.

Zu 30 % soll der Strom in elf Jahren aus den erneuerbaren Energien kommen. Der Ausbau wird bundesweit wiederum über eine Umlage ­ über das EEG ­ finanziert. Jeder von uns zahlt auf eine Kilowattstunde 0,5 Cent für diesen Ausbau. Auch da liefern wir aus Nordrhein-Westfalen das Geld ab in andere Bundesländer.

Wir waren letzte Woche mit dem Wirtschaftsausschuss in Niedersachsen und in Sachsen. Wir haben bei Enercon in Niedersachsen gehört, dass 11.000 Leute für Enercon in der Windindustrie arbeiten. Wir bezahlen nicht nur die Windräder, die da stehen, sondern auch den dortigen industriellen Aufbau.

Danach waren wir in Sachsen. Jedes Jahr wird die Produktion der Solarfabriken verdoppelt. Die sind auf vier Jahre mit ihrer Produktion ausverkauft und erhalten entsprechend viele Aufträge.

Das heißt: Beim Emissionshandel finanziert Nordrhein-Westfalen eine industrielle Aufbauhilfe Nord, Ost und Süd. Und bei den erneuerbaren Energien machen wir das gleiche. Auf Heller und Pfennig kann man es ganz genau belegen. Wir zahlen immer überproportional. Aufgrund der ideologischen Blockaden und einer schlechten strategischen Ausrichtung bekommen wir nicht das wieder, was wir eigentlich dringend brauchten.

Präsidentin Regina van Dinther: Herr Priggen, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Weisbrich.

Wollen Sie die zulassen?

Reiner Priggen (GRÜNE): Ja.

Präsidentin Regina van Dinther: Bitte, Herr Weisbrich.

Christian Weisbrich (CDU): Kollege Priggen, können Sie mir sagen.