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Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007

182 Islamismus

Die aktuelle Situation könnte zu einem Machtvakuum im Libanon und in dessen Folge zu einem Wiederaufflammen des Bürgerkrieges führen. Auch ein erneuter bewaffneter Konflikt zwischen der politisch gestärkten Hizb Allah und Israel könnte zu einer gefährlichen Eskalation im Land führen.

Reaktionen in Deutschland

Die hier lebenden Anhänger der Hizb Allah haben auf die Ereignisse im Libanon mit Mahnwachen, Protestkundgebungen und Demonstrationen reagiert. Die Veranstaltungen verliefen insgesamt friedlich; nennenswerte Zwischenfälle gab es nicht. Die aktuelle Lage beobachten sie aufmerksam. Eine wichtige Informationsquelle ist für sie der über Satellit empfangbare TV-Sender „al-Manar", über den die Hizb Allah ihre Anhänger auch in Deutschland erreicht.

Hizb Allah-Anhänger beteiligten sich an der alljährlichen Demonstration zum Jerusalem- Tag (Ghods-Tag) in Berlin, der jeweils am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen wird. Dieser war 1979 von Ayatollah Khomeini ausgerufen worden und soll an die „Besetzung" Jerusalems durch Israel erinnern. Am 6. Oktober 2007 demonstrierten wie im Vorjahr circa 300 Teilnehmer, ohne dass es zu Störungen kam.

Mit einer äußerst radikalen Agitation gegen den Staat Israel richten sich die Bestrebungen der Anhänger der Hizb ut-Tahrir (HuT) gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW).

Die HuT wurde 1952 von dem Rechtsgelehrten Scheich Taqi ad-Din an-Nabhani, einem ehemaligen Mitglied der ägyptischen und palästinensischen Muslimbruderschaft gegründet. Es handelt sich um eine pan-islamistische Bewegung, die sich an alle Muslime richtet. Vorrangiges Ziel der Organisation ist die Wiedereinführung des Kalifats (Kalifat bezeichnet die Stellvertretung des Propheten Muhammad, in der der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007

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Kalif an dessen Stelle die Gemeinschaft der Muslime leitet) in einem islamischen Staat.

Die HuT kennzeichnet ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismus. Juden gelten ­ wie Christen ­ als Ungläubige, deren Lebensform abzulehnen ist und mit denen möglichst kein Kontakt gehalten werden sollte, da sie ein Bündnis eingegangen seien, um den Islam zu zerstören.

Struktur

Die Partei, die einen streng hierarchischen Aufbau hat, ist heute weltweit aktiv und international vernetzt. Ihre Anhängerschaft verhält sich streng konspirativ abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Neue Mitglieder werden bevorzugt innerhalb der gesellschaftlichen Elite geworben, was sich aus der Kaderstruktur herleitet sowie der Auffassung, dass die Partei eine Vorreiterrolle für den Aufbau des islamischen Staates spielen soll. Von den Mitgliedern wird strikter Gehorsam erwartet, Positionen und Meinungen, die von der Parteiführung vertreten werden, sind für alle Mitglieder verbindlich. In der Bundesrepublik Deutschland ist die HuT in verschiedene Regionen aufgeteilt, in diesen Regionen existieren streng voneinander abgeschottete Kleinstgruppen (Zellen), die sich durch ein äußerst konspiratives Verhalten auszeichnen.

Aktivitäten der HuT in Deutschland und NRW

Am 15. Januar 2003 hat der Bundesminister des Inneren ein Betätigungsverbot gegenüber der Organisation erlassen, das letztinstanzlich am 25. Januar 2006 durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigt wurde.

Trotz des Verbotes ist davon auszugehen, dass die Organisation ihr Wirken in bekannt konspirativer Weise fortsetzt. Nach wie vor hat der mutmaßliche Europaverantwortliche der Organisation seinen Wohnsitz in NRW, was darauf schließen lässt, dass der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der Organisation strategische Bedeutung zukommt.

Öffentlich wahrzunehmen ist die Organisation durch Verbreitung von Propaganda im Internet. Hierzu bedient man sich in erster Linie im europäischen Ausland befindlicher Server. Öffentliche Auftritte von Führungsfunktionären sind hingegen nicht mehr festzustellen. Dies dürfte vor dem Hintergrund des Betätigungsverbotes mit der Furcht vor möglichen staatlichen Sanktionen in Zusammenhang stehen.

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Muslimbruderschaft (MB); Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD); Islamisches Zentrum Aachen (Bilal-Moschee) e.V. (IZA) Mitglieder Bund NRW 2007 1.300 320

2006 1.300 320

Hintergrund

Das erklärte Ziel der Muslimbruderschaft (MB) ist die Ablösung der als unislamisch geltenden Regime in den muslimischen Staaten, notfalls unter Anwendung von Gewalt. Damit gefährden ihre Anhänger durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG NRW).

Die 1928 von Hassan al-Banna in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft ist die einflussreichste und älteste islamistische Bewegung des modernen politischen Islam.

Als pan-islamisch ausgerichtete Organisation ist sie nicht nur in allen arabischen Staaten verbreitet, sondern nach eigenen Angaben in 70 Ländern weltweit vertreten.

Nach ihrer Ideologie sind die meisten Regime in der muslimischen Welt unislamisch.

Ziel der MB ist die Umgestaltung in Staaten islamistischer Prägung auf der Grundlage der Scharia, der islamischen Rechts- und Lebensordnung.

Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland

Zu den Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland gehört die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD), die aus der 1960 in München von dem ägyptischen Muslimbruder Dr. Sayyid Ramadan gegründeten Moscheebau-Kommission e.V., hervorgegangen ist. Das ursprüngliche Vereinsziel, die Errichtung einer Moschee, wurde mit dem Bau des Islamischen Zentrums München (IZM) 1973 realisiert.

Die IGD gehört zu den Gründungsmitgliedern der Föderation islamischer Organisationen in Europa (FIOE), die als Sammelbecken für Organisationen der Muslimbruderschaft in Europa gilt. Die IGD unterhält in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche islamische Zentren, in Nordrhein-Westfalen werden ihr die islamischen Zentren Köln und Münster zugerechnet. Nach Angabe auf ihrer Homepage kooperiert die IGD mit den islamischen Zentren Wuppertal, Bonn, Gelsenkirchen, Siegen, Solingen, Düsseldorf, Iserlohn und Bielefeld.