In den 1960er Jahren wurde in Aachen die BilalMoschee errichtet

Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007

Islamismus 185

Im Februar 2007 wurde bekannt, dass sich in Ägypten 40 Mitglieder der dort verbotenen Muslimbruderschaft vor einem Militärgericht verantworten sollten. Ihnen wurde unter anderem die Nutzung terroristischer Methoden zur Durchsetzung ihrer Ziele und Geldwäsche vorgeworfen. Acht Angeklagten soll der Prozess in Abwesenheit gemacht werden; hierzu gehört der deutsche Präsident der IGD, den der in Ägypten lebende oberste Führer der Muslimbruderschaft, Muhammad Mahdi Akif, in einem Filmbeitrag der ARD als Chef der Muslimbrüder in Deutschland bezeichnete. Bis zum Januar 2008 hat der Prozess noch nicht begonnen.

In den 1960er Jahren wurde in Aachen die Bilal-Moschee errichtet. Auf Initiative des exilierten Führers der syrischen Muslimbruderschaft wurde am 29. Juni 1978 das Islamische Zentrum Aachen e.V. (IZA) als offizieller Trägerverein gegründet.

Finanzierung:

Die Organisationen finanzieren sich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen sowie dem Verkauf von Publikationen. Die Spendenbereitschaft der Anhänger ist weiterhin rückläufig, so dass anlässlich von Veranstaltungen ständig an die Mitglieder zu höherer Spendenbereitschaft appelliert wird.

Aktivitäten der MB in Deutschland Öffentliche Aktivitäten der Muslimbruderschaft sind in der Bundesrepublik Deutschland nur gelegentlich anlässlich von Jahresveranstaltungen feststellbar. Die dort festzustellenden Äußerungen sind gemäßigt, Vertreter der Organisation weisen immer wieder darauf hin, dass man sich vom islamistischen Terrorismus zu distanzieren und die Gesetze des Gastlandes zu beachten habe. Gewalttätige Aktionen von Anhängern der Muslimbruderschaft waren in Nordrhein-Westfalen bislang nicht zu verzeichnen.

Vom 3. bis 5. August 2007 fand der 30. Jahreskongress des Islamischen Zentrums Aachen (IZA) unter dem Motto „Die islamische Kultur und die westliche Kultur" in den Räumlichkeiten des Zentrums sowie in einen Hörsaal der Technischen Hochschule in Aachen statt. Die Vortragsveranstaltungen wurden von etwa 500 Zuhörern vorwiegend arabischer Herkunft besucht.

Die anlässlich der Veranstaltung aufgetretenen Redner äußerten sich überwiegend moderat und sprachen sich für ein friedliches Nebeneinander der verschiedenen Kulturen aus. Es wurde seitens der Vortragenden dazu aufgerufen, den Islam AnVerfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007

186 Islamismus dersgläubigen durch vorbildliches Handeln näher zu bringen. Kritik an der westlichen Welt wurde insoweit geübt, dass dort auch Ablehnungstendenzen gegenüber der islamischen Kultur festzustellen seien. Der inhaltliche Verlauf der Veranstaltung bestätigt das seit Jahren festzustellende Bemühen der Verantwortlichen des IZA, öffentlich gemäßigt und dialogbereit zu erscheinen.

Die 29. Jahreskonferenz der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) fand am 17. November 2007 im Sportpark Leverkusen und am 18. November 2007 in der Columbiahalle in Berlin statt. In Leverkusen nahmen etwa 600 Personen teil.

Überwiegend handelte es sich um Muslime arabischer Herkunft.

Die geringe Besucherzahl führten die Veranstalter auf das Fehlen zugkräftiger Redner zurück. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Und so haben wir euch zu einer Gemeinschaft des Mittelwegs gemacht!". In Reden und Diskussionsrunden betonten die Teilnehmer den Wert gemeinsamer Bemühungen von Christen und Muslimen für ein friedliches Zusammenleben und im Kampf gegen den Extremismus. Nur vereinzelt wurde Kritik gegenüber der deutschen Gesellschaft laut. Betont wurde die Bedeutung fundierter Kenntnisse der islamischen Religion, damit der „wahre Islam" Verbreitung in Deutschland und Europa finde. Ziel der IGD ist es, ihrem Verständnis vom Islam einen Platz in der deutschen Gesellschaft zu verschaffen.

Die Front Islamique du Salut (FIS) wurde 1988 als nationaler algerischer Zweig der Muslimbruderschaft gegründet und im Frühjahr 1989 als erste islamische politische Partei zugelassen. Der Ideologie der FIS zufolge sollen Staat und Gesellschaft strikt an der Scharia ausgerichtet sein. Als sich bei den Wahlen 1991 ein Sieg der FIS abzeichnete, wurden die Wahlen vom algerischen Regime annulliert und das Militär ergriff die Macht. Die FIS wurde Anfang 1992 verboten, ihre Gründer und Führer Abbassi Madani und Ali Belhadj wurden inhaftiert. Zur Verfolgung ihrer Ziele bediente sich die FIS im Widerstand gegen die algerische Regierung bis 1997 ihres bewaffneten Arms, der Armee Islamique du Salut (AIS). Sollten die seit geraumer Zeit im Rahmen der Charta für Frieden und nationale Aussöhnung angestrebten Bemühungen Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007

Islamismus 187 zur Versöhnung fehlschlagen, so ist zu befürchten, dass hier lebende FIS-Anhänger die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland dann durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen zur Änderung der Verhältnisse in ihrem Heimatland, gefährden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 VSG NRW). Struktur

Seit 1992 leben sowohl die Söhne des FIS-Gründers Madani als auch der Leiter der ehemaligen Exekutivinstanz der FIS im Ausland (IEFE) in Nordrhein-Westfalen. Von diesem Personenkreis wird der Kurs der Aussöhnung mit dem algerischen Regime unterstützt, wobei dieses Verhalten nicht auf ungeteilte Zustimmung aller FIS-Anhänger stößt. Aus den Reihen sogenannter Hardliner gründete sich 1997 der Koordinationsrat der FIS (CCFIS), dessen Gefolgsleute unter ihrem in der Schweiz lebenden kommissarischen Leiter die Rückkehr zur kompromisslosen Durchsetzung der politischen Ziele der FIS fordern.

Die beiden widerstreitenden Auslandsvertretungen IEFE und CCFIS haben sich 2002 aufgelöst. Eine politisch verantwortliche Auslandsvertretung der FIS ist derzeit nicht erkennbar. Wie dieses Machtvakuum zukünftig ausgefüllt werden wird, kann nicht vorhergesagt werden; von Bedeutung dürfte hierfür jedoch sein, wie sich die Verhältnisse im Heimatland Algerien entwickeln werden.

Aktuelle Entwicklung

Am 29. September 2005 entschieden sich bei der Volksabstimmung über das Projekt einer „Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" 97% der Beteiligten für den Plan der Regierung von Präsident Bouteflika und damit auch für eine Amnestie für viele islamistische Extremisten.

Während sich der in NRW ansässige Leiter der ehemaligen IEFE für die Durchführung des Referendums aussprach, lehnte der in der Schweiz ansässige Leiter der ehemaligen CCFIS die Initiative des algerischen Präsidenten kategorisch ab.

Kritik wurde auch unter in Deutschland lebenden FIS-Anhängern, die zunächst das Referendum begrüßt hatten, dahingehend laut, dass Zusagen des Staatspräsidenten Bouteflika nicht eingehalten wurden.