Die Regionalverbände sind Zusammenschlüsse der Ortsvereine
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007
194 Islamismus Struktur
In Deutschland ist die IGMG organisatorisch in 15 Regionalverbände untergliedert.
Die Regionalverbände sind Zusammenschlüsse der Ortsvereine. In Nordrhein-Westfalen gibt es mit Ruhr-Nord, Ruhr A, Düsseldorf und Köln vier dieser Regionalverbände. Weitere 15 Regionalverbände bestehen in zehn anderen westeuropäischen Staaten, außerdem gibt es Zweigstellen in Australien und Kanada. Die Zentrale der IGMG befindet sich in Kerpen, Nordrhein-Westfalen. Neben dem Generalsekretariat sind die Tätigkeitsbereiche Organisation, Jugend, Frauen, Bildung, Darstellung und religiöse Weisung eigene Abteilungen.
Insgesamt gehören der IGMG nach eigenen Angaben 514 Gemeinden in Europa an, davon 323 in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen befinden sich rund 100 Ortsvereine der IGMG. Die Angaben der IGMG zur Zahl ihrer Mitglieder (87.000) und „Freitagsgemeinde" (300.000) sind nicht belegt und erscheinen übertrieben.
Aktivitäten Abgesehen von der religiösen Betreuung in den Moscheen, zu den islamischen Festen und Feiern, der Pilgerfahrt oder der Bestattung, bietet die IGMG auch ein breitgefächertes Angebot auf kulturellem, sozialem und pädagogischem Gebiet an.
So werden Vortragsveranstaltungen, Gesprächskreise, Kurse für Frauen, Koranlesewettbewerbe und geschlechtergetrennte Ferienlager für Kinder oder Computerkurse angeboten. Auch Sportvereine und Studentenvereinigungen gehören zur IGMG. Sie unterhält darüber hinaus eine Rechtsabteilung, die die Mitglieder in juristischen Fragen, wie der Abmeldung von Mädchen vom Schwimmunterricht in der Schule oder in Einbürgerungsverfahren unterstützt.
Publikationen und Medien
Die IGMG gibt eine eigene Monatszeitschrift heraus, die IGMG Perspektive, die in türkischer Sprache erscheint. Einige Artikel werden aber immer auch in deutscher Übersetzung abgedruckt. Darüber hinaus werden weitere regionale oder für bestimmte Zielgruppen, etwa Kinder, gedachte Publikationen herausgegeben. Auch Materialien und Bücher für einen islamischen Religionsunterricht oder allgemein zum Islam gibt es von der IGMG. Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007
Islamismus 195
Ihre Homepage im Internet hat die IGMG im Jahr 2007 erneuert. Der Internetauftritt der IGMG ist vor allem vielseitiger und anspruchsvoller geworden. Jetzt wird auch hier über die Aktivitäten des Vereins bis hin zur Ortsvereinsebene berichtet. Sie bietet Presseerklärungen der Organisation und die Möglichkeit, Publikationen der IGMG herunter zu laden. Ferner kann hier das Internetradio der IGMG empfangen werden.
Als ein Medium zur Verbreitung islamistischer Einstellungen kann das IGMG-Portal nicht bezeichnet werde.
IGMG und Milli-Görüs-Ideologie
Die ideologische Propaganda der Milli Görüs in Europa hat sich inzwischen zu einem erheblichen Teil von der IGMG als solcher abgekoppelt. Neben der Milli Gazete, dem inoffiziellen Sprachrohr der Milli Görüs, wird die Ideologie heute vor allem über Internetforen verbreitet. In einem der bekanntesten dieser Foren wird jedoch unter der Rubrik Milli Görüs (Unterforum) neben der Saadet Partisi (SP), der Jugendorganisation (AGD) und der Hilfsorganisation Cansuyu auch die IGMG als Teil der Bewegung aufgeführt. Zum Teil sind die im Internet geäußerten Meinungen sogar erheblich radikaler als die Milli Görüs gemeinhin ist. Gerade junge Leute scheinen sich hier „auszutoben". Dabei kann es sich sowohl um verfestigte extremistische Ansichten und radikale Einstellungen handeln, als auch um jugendlichen „Überschwang". Die IGMG scheint jedenfalls das Problem zu haben, dass weit radikalere islamistische Kreise junge Muslime, die zur Milli Görüs gehören, beeinflussen und auf ihre Linie einschwören.
Seit langem wird von den Verfassungsschutzbehörden festgestellt, dass Äußerungen von Funktionären der IGMG den Eindruck hervorrufen, die IGMG halte an der islamistischen Ideologie von Necmettin Erbakan fest. Dies war auch 2007 so. Laut einem Bericht aus der Milli Gazete erklärte beispielsweise ein Funktionär aus der Generalzentrale in Kerpen auf einer IGMG-Bildungsveranstaltung in Österreich: „Seit den ersten Menschen gibt es einen Kampf; das ist der Kampf zwischen Hak [Gott/Wahrheit/Recht] und Batil [Aberglaube/Nichtigem]" (Milli Gazete, 11. Dezember 2007, S. 11).
Ein führender Funktionär aus der Generalzentrale sagte an anderer Stelle: „Unsere eigentliche Aufgabe ist es, daran zu arbeiten, dass auf der Welt das Recht/die Gerechtigkeit (hak) herrsche" (Milli Gazete, 13. März 2007, S. 2). Ein weiterer IGMGFunktionär sprach auf einer Veranstaltung davon, dass Gott den Islam und den Koran auf der Welt (vor)herrschen lassen möge (Milli Gazete, 21. November 2007, S. 10). Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2007
196 Islamismus Solche Formulierungen, die so oder ähnlich vielfach zu entdecken sind, müssen nicht ideologisch und damit als extremistisch aufgefasst werden. Es ist zweifellos möglich, diese Äußerungen in einem religiösen Zusammenhang zu verstehen. Andererseits übernehmen sie aber auch Passagen der islamistischen Ideologie von „Adil Düzen", mit der dort verbreiteten Vorstellung des Kampfes von „Hak und „Batil" und der letztendlichen Überwindung des „Batil"-Systems durch die „islamische Zivilisation". Sie erinnern stark an Äußerungen von Necmettin Erbakan, von SP-Funktionären oder Kolumnisten, die in der Tageszeitung Milli Gazete zu lesen sind, die ebenfalls den Kampf zwischen „Hak" und „Batil" thematisieren und außerdem die westliche Demokratie zum Feind erklären, die von ihnen als „rassistischer Imperialismus" verunglimpft wird. Selbstverständlich können und sollen die Meinungen von Erbakan, den SPFunktionären oder der Kolumnisten nicht uneingeschränkt der IGMG zugerechnet werden. Die Verbindungen, die zwischen der IGMG und der Milli Görüs in der Türkei bestehen, sind jedoch nicht zu übersehen, und führen dazu, dass möglicherweise nicht politisch gemeinte Formulierungen von Zuhörern und Lesern als politische verstanden werden.
Die Nähe der IGMG zur politischen Bewegung Milli Görüs drückt sich unter anderem in ihren Anzeigen in der Milli Gazete aus. Dort sind regelmäßig Kondolenzanzeigen, Genesungs- oder Glückwünsche und ähnliche Annoncen sowie Ankündigungen und Verlaufsberichte von regionalen und überregionalen Veranstaltungen der IGMG zu lesen. Dies deutet darauf hin, dass es sich hierbei um das Publikationsorgan handelt, mit dessen Hilfe die IGMG ihre Anhänger am besten zu erreichen glaubt. Daraus wiederum kann geschlussfolgert werden, dass die Leserschaft der Milli Gazete mit der Anhängerschaft der IGMG zumindest in weiten Teilen deckungsgleich ist. Da die Milli Gazete aber entschieden für politische Inhalte auf der ideologischen Linie von Necmettin Erbakan und der Saadet Partisi eintritt, muss man davon ausgehen, dass diese Inhalte von Teilen der IGMG mitgetragen werden.
Aufschlussreich im Hinblick auf eine Verbindung der IGMG zur Milli Görüs in der Türkei sind auch jene Meldungen, in denen über die Einbindung von „Milli-GörüsFunktionären" aus der Türkei durch die IGMG in Europa einerseits, und die Auftritte und Besuche von IGMG-Funktionären bei Führungspersonen, Einrichtungen oder Veranstaltungen der Milli Görüs in der Türkei andererseits, berichtet wird.
Zu den Personen, die immer wieder zu IGMG-Veranstaltungen eingeladen werden und dort auftreten, gehören unter anderem: zwei stellvertretende Vorsitzende der Saadet Partisi, ein Mitglied dem Führungsgremium der Saadet Partisi.