Erst ein halbes Jahr später am 25 Mai 2008 wurde Armeechef Michel Sulaiman zu seinem Nachfolger gewählt
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2006 war der christliche Minister Pierre Gemayel ermordet worden. Anlässlich seines Begräbnisses demonstrierten 800.000 Menschen gegen die politische Einflussnahme Syriens auf die Politik und gegen die Hizb Allah. Am 13. Juni 2007 wurde ein weiterer Syrien-kritischer Politiker ermordet.
Im November 2007 endete die Amtszeit des libanesischen Präsidenten Emile Lahoud.
Erst ein halbes Jahr später, am 25. Mai 2008 wurde Armeechef Michel Sulaiman zu seinem Nachfolger gewählt. Er genießt ein hohes Ansehen und wird von nahezu allen Libanesen unterstützt. Zuvor hatte die von der Hizb Allah angeführte Opposition eine Wahl verhindert, indem sie unter anderem auf die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und ein neues Wahlgesetz bestanden hatte. Anfang Mai 2008 kam es zu einer gewaltsamen Eskalation der Lage, als die Regierung das Hizb Allah-eigene Telefonnetz der abschalten wollte. Kämpfer der Hizb Allah und der mit ihr verbündeten Amal besetzten daraufhin gewaltsam Teile von Westbeirut und lieferten sich schwere Straßenkämpfe mit libanesischen Sicherheitskräften. Erst Verhandlungen der Parteien unter Vermittlung der Arabischen Liga führten zur Beilegung des offenen Machtkampfes zwischen der schiitischen Opposition und der von Sunniten dominierten Regierung. Ein weiteres Ergebnis der Verhandlungen ist, dass die Opposition jetzt mit 11 von 30 Ministern in der libanesischen Regierung über die von ihr geforderte Sperrminorität verfügt.
Im Juli 2008 kam es unter der Vermittlung deutscher Sicherheitsbehörden zwischen Israel und der Hizb Allah zu einem Austausch von Gefangenen und sterblichen Überresten von rund 200 Menschen. Israel ließ bei der Aktion vier Hizb Allah-Kämpfer sowie den palästinensischen Terroristen Samir Kuntar frei, der wegen mehrfachen Mordes in israelischer Haft gewesen war. Die Hizb Allah gab im Gegenzug die Leichen der beiden israelischen Soldaten zurück, deren Entführung an der israelisch-libanesischen Grenze im Juni 2006 Auslöser für den Krieg im Sommer 2006 gewesen war.
In einer Rede anlässlich der für die mit Israel ausgetauschten Gefangenen in Beirut abgehaltenen Willkommensfeier kündigte Generalsekretär Hassan Nasrallah an, auch die noch von Israel besetzten libanesischen Gebiete zu befreien.
Es ist daher für die nächste Zeit zu befürchten, dass die im Libanon innenpolitisch gestärkte Hizb Allah eine weitere Konfrontation mit Israel provozieren könnte.
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Betätigungsverbot des TV-Senders Al-Manar / Ghods-Tag in Berlin
Die hier lebenden Anhänger der Hizb Allah beobachten die Ereignisse im Libanon aufmerksam. Eine wichtige Informationsquelle ist für sie der über Satellit empfangbare TV-Sender Al-Manar, über den die Hizb Allah ihre Anhänger auch in Deutschland erreicht. Am 11. November 2008 erließ das Bundesministerium des Innern für das Bundesgebiet ein Betätigungsverbot gegen den Sender. Grund hierfür ist u.a., dass in Al-Manar regelmäßig dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen und zu dessen Vernichtung aufgerufen wird. Daneben wird antiisraelische und antijüdische Hetzpropaganda verbreitet, der bewaffnete Kampf gegen Israel als „islamischer Widerstand" propagiert und der dabei zu erleidende „Märtyrertod" glorifiziert.
Arabische, türkische und iranische Hizb Allah-Anhänger beteiligten sich auch im Jahr 2008 an der alljährlichen Demonstration zum Jerusalem-Tag (Ghods-Tag) in Berlin, der jeweils am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan begangen wird. Der Ghods-Tag war 1979 von Ayatollah Khomeini ausgerufen worden und soll an die „Besetzung" Jerusalems durch Israel erinnern. Am 27. September 2008 demonstrierten wie im Vorjahr mehrere Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Hauptstadt.
Dabei wurden auch Spruchbänder mit Titeln wie „Zionisten raus aus Jerusalem", „Merkel! Kein Schulterschluss mit den israelischen Kriegsverbrechern" sowie „Israel ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und ein Hindernis für die Völkerverständigung" öffentlich gezeigt.
Mit einer äußerst radikalen Agitation gegen den Staat Israel richten sich die Bestrebungen der Anhänger der Hizb ut-Tahrir (HuT) gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker (§ 3 Absatz 1 Nr. 4 VSG NRW).
Die HuT wurde 1952 von dem Rechtsgelehrten Scheikh Taqi al-Din al-Nabhani, einem ehemaligen Mitglied der ägyptischen und palästinensischen Muslimbruderschaft ge202 Islamismus Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2008Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2008 gründet. Es handelt sich um eine pan-islamistische Bewegung, die sich an alle Musli me richtet. Vorrangiges Ziel der Organisation ist die Wiedereinführung des Kalifats (Kalifat bezeichnet die Stellvertretung des Propheten Muhammad, in der der Kalif an dessen Stelle die Gemeinschaft der Muslime leitet) in einem islamischen Staat.
Die HuT kennzeichnet ein besonders stark ausgeprägter Antisemitismus. Juden gelten wie Christen als Ungläubige, deren Lebensform abzulehnen ist und mit denen möglichst kein Kontakt gehalten werden sollte, da sie ein Bündnis eingegangen seien, um den Islam zu zerstören.
Struktur
Die Partei, die einen streng hierarchischen Aufbau hat, ist heute weltweit aktiv und international vernetzt. Ihre Anhängerschaft verhält sich streng konspirativ abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Neue Mitglieder werden bevorzugt innerhalb der gesellschaftlichen Elite geworben, was sich aus der Kaderstruktur herleitet sowie der Auffassung, dass die Partei eine Vorreiterrolle für den Aufbau des islamischen Staates spielt. Von den Mitgliedern wird strikter Gehorsam erwartet, Positionen und Meinungen, die von der Parteiführung vertreten werden, sind für alle Mitglieder verbindlich. In der Bundesrepublik Deutschland ist die HuT in verschiedene Regionen aufgeteilt, in diesen Regionen existieren streng voneinander abgeschottete Kleinstgruppen (Zellen), die sich durch ein äußerst konspiratives Verhalten auszeichnen.
Am 16. August 2008 veranstaltete die HuT in London ihre Jahreskonferenz an der etwa 2000 bis 2500 Personen teilgenommen haben sollen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Khilafah The Need for Political Unity" (Übersetzung: Kalifatskonferenz die Notwendigkeit politischer Einheit). Die Konferenz, für die die HuT zuvor auf ihrer Internetseite www.hizb.org.uk geworben hatte, gilt als Teil einer weltweiten Kampagne der HuT anlässlich des Jahrestages der Zerstörung des osmanischen Reiches. Auf ihrer Internetseite führte sie hierzu aus: „Diese eintägige Konferenz soll die Notwendigkeit der Vereinigung unserer Ummah (Gemeinschaft) unter einer Führung aufzeigen und diskutieren, warum die politische Einheit für die Muslimische Ummah der einzig gangbare Weg vorwärts ist."