Bundesnetzagentur

Generell muss gesagt werden: Auch aus wettbewerbspolitischer Sicht ist der Staat meist der ineffizientere Unternehmer. Private sind effizientere Unternehmer. Das haben wir im Bereich der Telekommunikation gesehen. Das kommt den Verbrauchern zugute. Insoweit, denke ich, bedarf eine Verstaatlichung immer einer besonderen Rechtfertigung.

Prof. Dr. Ralf Marquardt (Fachhochschule Gelsenkirchen): Ich möchte auf einen Grundsatzkonflikt eingehen, der hier bislang ein bisschen „wegthematisiert" worden ist. Im Grunde genommen ist der komplette Netzbetrieb in das energiewirtschaftliche Dreieck einzubinden. Es geht dabei ­ das ist gar keine Frage ­ um Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und ökologische Ausrichtung.

Wir können dieses natürliche Monopol auf verschiedenen Wegen aussteuern. Bislang haben wir es durch eine Regulierung ausgesteuert. Bei dieser Regulierung gibt es eigentlich ein permanentes Hinterherlaufen wegen des sogenannten PrinzipalAgenten-Problems. Der Staat hat ein Interesse daran, dass unsere Netze im Sinne der Gesellschaft ausgesteuert werden. Ein privater Betreiber hat dieses Interesse originär nicht. Er hat zunächst einmal ein reines Renditeinteresse.

Die Regulierung hat eine besondere Herausforderung. Sie muss dieses privatwirtschaftliche Interesse in Richtung des gesellschaftlichen Wohls lenken. In dieser Hinsicht hat die Bundesnetzagentur, rückblickend gesehen, bezogen auf das Thema „Wirtschaftlichkeit und Entgelte" einen ganz guten Job gemacht. Ich frage mich allerdings, ob das auch bezüglich der Versorgungssicherheit der Fall ist. Denn wenn wir die dena-Netzstudie nehmen und sehen, welche Verzögerungen sich beim prioritären Übertragungsnetzausbau ergeben werden, muss ich sagen: Hier gibt es schlicht und ergreifend Defizite. Ich frage mich da in der Tat: Ist ein privater Investor in einem für unsere Volkswirtschaft so essentiell wichtigen Bereich ­ ich nenne in diesem Zusammenhang mal, auch wenn es abgedroschen ist, das Stichwort „Daseinsvorsorge"

­ wirklich der geeignete Akteur, um die Versorgung sicherzustellen? Da habe ich meine Bedenken.

Mit Blick auf das RWE ist noch zu erwähnen, dass das Unternehmen plant ­ so war es jedenfalls der Presse zu entnehmen ­, 75 % des Übertragungsnetzes zu verkaufen. Die Rede war von einem privaten Finanzinvestor. Das „Prinzipal-AgentenProblem" stellt sich da umso mehr. Zwar haben die Kommunen bei RWE nach wie vor noch einen Einfluss in Höhe von 25 %. Mit Blick auf die Netze wird das aber total verwässert. Dann wird einfach nur noch privatwirtschaftliches Rendite-Kalkül im Vordergrund stehen. Deshalb habe ich da größte Bedenken.

Heinz Werner Gottlob (Bundesnetzagentur): Man darf ja die Frage stellen, ob das Regulierungssystem in der Lage ist, die Ausbaubedarfe, die wir erkennbar vor uns haben, so zu befördern, dass insbesondere auch ein privater Investor genügend Anreize sieht, hier tätig zu werden. In dieser Hinsicht möchte ich auf verschiedene Elemente hinweisen, die erkennbar wirksam werden.

Es gibt in der Anreizregulierungssystematik das Instrument der Investitionsbudgets.

Die werden im Moment von den Übertragungsnetzbetreibern mit einem Umfang von

Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie 16.03. Milliarden befüllt. Dabei geht es um Projekte, die dann auch ausgelöst werden. Hier werden verbindliche Anträge ­ dabei geht es um sehr hohe Beträge ­ bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Sie zielen darauf, diese Investitionsbedarfe abzuarbeiten. Im Raum steht allerdings die eben gestellte Frage: Bekommen wir denn auch die Genehmigungen für die Trassen? Das ist ein Thema, das man im Moment im Regulierungsrahmen nicht unmittelbar abbilden kann.

Für die Verteilnetzbetreiber gibt es ein analoges Institut. Das ist der Erweiterungsfaktor. Auch der wird in erheblichem Umfang zum Beispiel für den Anschluss von dezentralen Erzeugungsanlagen genutzt. Jüngst hat die zuständige Beschlusskammer dazu die vom Verordnungsgeber vorgesehene Formel so erweitert, dass auch Einspeisepunkte jetzt mit berücksichtigt werden, die zu einem Cashflow beim Netzbetreiber führen. Das macht es nicht zuletzt auch für den privaten Netzbetreiber attraktiv, insofern seine Geschäftsgrundlage bzw. sein Geschäftsmodell zu erweitern. Es ist nicht so, dass er das nur macht, weil er nach § 11 EnWG oder nach EEG zu bestimmten Aufgaben verpflichtet ist, sondern es ist auch für einen privatwirtschaftlich organisierten Netzbetreiber durchaus attraktiv, seine Erlösobergrenzenbasis dergestalt auszuweiten, dass er diese Dinge hier eben angibt.

Im nächsten Jahr wird das sogenannte Q-Element in der Anreizregulierung eingeführt. Das soll auch dazu führen, dass einerseits die Versorgungssicherheit ­ jedenfalls nicht unter einen besorgniserregenden Punkt; im Moment sind wir da, international gesehen, auf einem recht hohen Niveau ­ nicht abfällt. Andererseits soll mit diesem Q-Element auch ein Anreiz gegeben werden, zu investieren. Der Netzbetreiber, der hohe Zuverlässigkeit nachweist, bekommt, was seine Erlösobergrenze angeht, ein Extrasalär dafür.

Ich kann das nur aus dem Blickwinkel des Instrumentenkastens der Regulierung beantworten. Darin sind immerhin Elemente enthalten, die diese Dinge nach vorne befördern.

Dietmar Brockes (FDP): Prof. Marquardt hat einen ein wenig neuen, eigenen Ansatz vorgetragen. Deshalb frage ich die Vertreter des Kartellamtes, von „unternehmer nrw" und auch des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, inwiefern sie die Ansichten von Prof. Marquard teilen bzw. wie ihre Sicht dazu ist.

Dr. Felix Engelsing (Bundeskartellamt): „Privatbetreiber" hört sich immer so negativ an. Es wird in dem Zusammenhang von „reinem Renditeinteresse" gesprochen.

Im Grunde genommen will der Private gute Produkte zum besten Preis liefern. In der Privatwirtschaft ist der Wettbewerb als „Entdickungsverfahren" sicherlich die demokratischste Form. Von daher ist er grundsätzlich zu begrüßen.

Den Netzbetrieb sehen wir nicht als Daseinsvorsorge an. Wie sich bisher gezeigt hat, haben die Privaten das gut gemanagt und die Versorgungssicherheit gewährleistet.

Sie ist, bedingt durch die fluktuierende EEG-Einspeisung, nicht einfach. Letztendlich kommt es nur darauf an, dass es eine gute Regulierung der Netze und des Netzzugangs gibt. Die ist durch die Bundesnetzagentur gewährleistet.

Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie 16.03. Kai Mornhinweg (unternehmer nrw): Ich denke, dass schon viel dazu gesagt worden ist. Ich habe mich sehr gefreut, die Äußerung zu hören, dass der Private grundsätzlich vielleicht doch der bessere Unternehmer ist.

Nur ganz grundsätzlich: Wenn wir uns ansehen, wer den Ausbau der Netze besser bewerkstelligen kann ­ eine öffentliche oder eine private Gesellschaft ­, kommen wir sehr schnell zur Frage, wer überhaupt die Mittel dafür hat. Wir haben in Bezug auf zig PPP-Projekten und viele andere Bereiche gerade die Diskussion, dass gebetsmühlenartig wiederholt wird, dass man die Wirtschaft ins Boot nehmen müsse, weil der Staat dafür gar nicht das notwendige Geld hat. Deshalb muss man, denke ich, auch unter dem Aspekt einmal sagen: Wir sollen doch froh sein, wenn wir genügend private Investoren finden, die bereit sind, das Investitionsrisiko ­ so deutlich muss man es heute leider auch nennen ­ auf sich zu nehmen und sich für den Ausbau der Netze einzusetzen. Man sollte nicht den Verdacht erwägen, im Zweifel würde alles besser gehen, wenn es der Staat übernehmen würde. Dafür sehen wir bisher keinen Beleg. Da mag es vielleicht die Absicht geben. Aber solche Beispiele, dass eine Abteilung betreibt und die andere kontrolliert, haben bei uns, aber auch in anderen Ländern in der Vergangenheit oft gezeigt, dass eine gewisse Dynamik dabei doch sehr schnell verlorengeht. Und die brauchen wir in den nächsten Jahren.

Dr. Wolfgang van Rienen (BDEW): Es sind in unserem Verband ­ das geht vom kleinsten bis zum größten Energieversorger ­ alle Mischformen vertreten, was die rechtliche Ausgestaltung und die rechtliche Eigentümerschaft angeht. Wir beschäftigen uns im Verband mit den Sorgen und Problemen dieser Netzbetreiber insbesondere im Hinblick auf die großen Anforderungen der Regulierung. Das betrifft ­ um zwei Bereiche zu nennen ­ die Bürokratie und die Software.

Ich erkenne aus der Erfahrung bzw. aus unseren Gesprächen in Arbeitskreisen keine gravierenden Unterschiede, die ich einer bestimmten Eigentümerschaft oder Rechtsform zuordnen könnte. Wir setzen von daher ­ da würde ich mich den Vorrednern anschließen ­ eigentlich auf engagierte Unternehmen. Veränderungen der Rechtsform denotieren wir. Sie haben keinen unmittelbaren Einfluss auf das Verhalten dieser Unternehmen.

Vorsitzender Dr. Jens Petersen: Ich möchte jetzt gerne zu Block II übergehen. Er ist im Fragenkatalog mit „Eigentumsstruktur und bundesdeutsche Netzgesellschaft" überschrieben. Gibt es dazu ergänzende Fragen? ­ Herr Aggelidis, bitte schön.

Michael Aggelidis (LINKE): Ich möchte eine Frage stellvertretend für alle stellen. Ist die Überführung des Amprion-Netzes in öffentliches Eigentum ein erster Schritt hin zu einer deutschen, vielleicht sogar europäischen Netzgesellschaft? Kann das zum Nukleus einer europäischen Netzgesellschaft werden? Ich bitte jeden, diese Frage zu beantworten, der sie beantworten möchte. Vor allem aber geht meine Frage an Prof. Leprich und Prof. Marquardt. Ich bitte darum, dabei entstehende mögliche Probleme, aber auch die Vorteile zu schildern.