Wir appellieren daher nachdringlich und eindringlich wieder zu einer sachorientierten Debatte zurückzukehren

Ausschuss für Kommunalpolitik 18.03. tenanpassung berücksichtigt. Für das hier diskutierte GFG 2011 hat sie keinerlei Auswirkungen.

Wir appellieren daher nachdringlich und eindringlich, wieder zu einer sachorientierten Debatte zurückzukehren. Der kommunale Finanzausgleich ist für die Kommunen zu wichtig, als dass der eklatante Anpassungsbedarf ignoriert werden kann.

Aus unserer Sicht lautet das Fazit: Die Anpassung beim Soziallastenansatz ist richtig. Wir erwarten ein klares Signal, dass der zweite Schritt in erforderlichem Maße im nächsten GFG kommt. Wir können nicht nachvollziehen, dass hier eine Zwei-SchrittLösung beim Hauptansatz, bei den Hebesätzen aber eine Ein-Schritt-Lösung gewählt wird. Wir lehnen die Abflachung der Hauptansatzstaffel, die, wie gesehen, uns richtig viel Geld kostet, nachdrücklich ab.

Claus Hamacher (Städte- und Gemeindebund NRW): Auch wenn ich der Kollegin zugestehe, dass das Maß der Empörung natürlich kein Indikator für die Verteilungsgerechtigkeit ist, möchte ich aber doch darauf hinweisen, dass ein Gesetzentwurf wie dieser selten in unserer Mitgliedschaft so heftige Reaktionen hervorgerufen hat. Der Entwurf wurde uns praktisch wie ein Weihnachtsgeschenk am 23. Dezember 2010 auf den Gabentisch gelegt. Für die weitaus überwiegende Zahl der kreisangehörigen Städte und Gemeinden hat sich dieses Präsent dann leider als böse Überraschung herausgestellt. Bei mehr als zwei Drittel unserer Mitgliedskommunen würde die sogenannte Grunddatenanpassung teilweise zu erheblichen Kürzungen der Schlüsselzuweisungen führen. Selbst einige derjenigen Kommunen, die auf den ersten Blick als Gewinner erscheinen, erweisen sich bei näherem Hinsehen als Verlierer, da sie durch die Schwächung der Finanzkraft ihrer Nachbarkommunen einen höheren Teil der Kreisumlage übernehmen müssen. Wenn man das zusammenrechnet, wird der absolute Anteil noch höher.

Insgesamt gehen dem kreisangehörigen Raum 135 Millionen verloren. Das war sicherlich auch der Grund, warum wir noch nie so viele empörte Anrufe, E-Mails, Resolutionen und persönliche Gespräche hatten wie in den Tagen und Wochen nach Veröffentlichung des Gesetzentwurfs.

Zahlreiche Kommunen, die bislang mit großer haushaltspolitischer Zurückhaltung zumindest einen fiktiven Haushalt sicherstellen konnten, werden jetzt in eine finanzielle Schieflage gebracht, die sie aus eigener Kraft nicht mehr beheben können. Teilweise werden Kommunen ­ das sind keine Einzelbeispiele, sondern es gibt zahlreiche Fälle ­ mit zumindest fiktiv ausgeglichenen Haushalten bislang direkt ins Nothaushaltsrecht durchgereicht. Sie werden verstehen, dass es manchem Kommunalpolitiker schwerfällt, dies mit der Aussage aus dem Koalitionsvertrag in Einklang zu bringen, die da lautet: Wir werden die kommunale Selbstverwaltung wieder stärken und die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen erweitern.

Unabhängig von inhaltlichen Bedenken gegen die vorgeschlagenen Änderungen kann ich nicht umhin, etwas zum zeitlichen Ablauf zu sagen, auch wenn Sie das bereits in der schriftlichen Stellungnahme lesen konnten. Es kann aus unserer Sicht nicht angehen, dass man die Kommunen auf der einen Seite ermahnt, die gesetzlichen Fristen zur Aufstellung der Haushalte einzuhalten, um dann nach Ablauf dieser Fristen völlig geänderte Planungsgrundlagen zu präsentieren. Das ist nicht das, was wir uns unter einem partnerschaftlichen Umgang miteinander vorstellen.

Nun ist ­ darauf ist hingewiesen worden ­ die Grunddatenanpassung nicht aus völlig heiterem Himmel erfolgt, sondern es ist durchaus versucht worden, das unter Hinweis auf die Rechtsprechung des NRW-Verfassungsgerichtshofs sachlich zu begründen, der zu regelmäßigen Grunddatenanpassungen auffordert. Es ist auch darauf verwiesen worden, dass bereits ein Verfahren seitens der Gemeinden des Kreises Recklinghausen und des Kreises Recklinghausen anhängig ist, wo auch diese Frage thematisiert worden ist.

Ein Satz dazu: Das Verfahren Recklinghausen kann man nicht mit Operationen im GFG 2011 retten. Dabei geht es um das GFG 2008. Sollte der Verfassungsgerichtshof zu der Einschätzung kommen, dass die Verteilungsparameter da nicht in Ordnung waren, ist das völlig unabhängig davon, was jetzt in Bezug auf das GFG 2011 passiert. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Was genau war denn die Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs? Wer das Urteil vom 9. Juli 1998 liest, sucht vergeblich nach dem Begriff „Grunddatenanpassung". Stattdessen findet sich dort nur folgende Aussage:

Der Gesetzgeber muss allerdings die Grundlagen seiner Einschätzungen und Prognosen regelmäßig überprüfen und sich bei Bedarf des Sachverstandes Dritter bedienen.

Diese Vorgabe betrifft nach unserer Lesart das gesamte System der Bedarfsermittlung auf der einen Seite, aber auch der Methodik der Ermittlung der Steuerkraft auf der anderen Seite. Genau solch eine Überprüfung hat das Land mit der Beauftragung des ifo-Gutachtens initiiert. Die einzelnen Parameter stehen dabei nicht zusammenhanglos nebeneinander, sondern ergänzen sich im besten Fall zu einem sinnvollen System. Von daher finden wir es auch nicht ganz überzeugend, die für das GFG 2011 vorgesehenen Maßnahmen als technische Maßnahmen zu etikettieren, während die politischen Entscheidungen noch zu treffen seien. Die fiktiven Hebesätze zu verändern, ohne über die Angemessenheit eines einheitlichen Hebesatzes zu befinden, ist eine politische Entscheidung. Den Soziallastenansatz anzupassen, die Entscheidung über einen Flächenansatz hinauszuschieben, ist eine politische Entscheidung. Den Schüleransatz auf der zweiten Stufe zu verändern, die erste Stufe aber mangels valider Daten einfach fortzuschreiben, ist letztlich auch eine politische Entscheidung.

Unseres Erachtens wäre es vor dem Hintergrund der umfassenden Diskussion über die Struktur des Finanzausgleichs vertretbar und auch dem Verfassungsgerichtshof im Ernstfall vermittelbar gewesen, dass die Ergebnisse der geforderten Überprüfungen im Jahr 2012 im Zusammenhang umgesetzt werden.

Noch ein Wort zum Soziallastenansatz. Wir haben es nicht beschrieben, und Sie werden auch von uns nicht hören, dass eine Anpassung des Soziallastenansatzes per se falsch ist. Das haben wir nie gesagt. Im Gegenteil, wir sind der Auffassung, dass das derzeitige Gewicht des Soziallastenansatzes so nicht die tatsächliche Ent3

Ausschuss für Kommunalpolitik 18.03. wicklung bei den sozialen Kosten widerspiegelt. Dass das höher gewichtet werden muss: daccord. Wenn man aber dem Soziallastenansatz ein solches Gewicht zukommen lässt, wie es jetzt in einem ersten Schritt und dann womöglich noch in einem zweiten Schritt geschieht, dann müssen auch die Parameter richtig und belastbar sein. Wir dürfen uns da, denke ich, auch nicht davon abhalten lassen, dass während der Beratungen der ifo-Kommission noch nicht alle Informationen vorlagen, die zu einer validen Beurteilung der Tragfähigkeit dieser Parameter erforderlich waren.

Ich nenne beispielsweise den Umstand, dass in Einzelfällen über diesen Parameter mehr Geld verteilt werden könnte, als konkret an Kosten für eine Bedarfsgemeinschaft anfallen. Das ist nie Gegenstand der Beratungen der ifo-Kommission gewesen. Dies sind Erkenntnisse, die sich erst aus den konkreten Probeberechnungen ergeben haben, die wir deswegen aber auch nicht einfach ignorieren sollten.

Zur Frage nach alternativen Indikatoren: Ich unterstütze die Aufforderung der Kollegin, sich das noch einmal durchzulesen. Dann möge aber auch jeder berücksichtigen, mit welchen Alternativen da gerechnet worden ist. Das sind ­ abgesehen vom Vergleichsparameter „Köpfe in den Bedarfsgemeinschaften" ­ keine Alternativen, die irgendwie besonders an den Empfang von sozialen Leistungen angeknüpft haben.

Im Vergleich zu allen anderen Parametern ­ also Dinge wie „Einwohner pro Hektar" oder ähnliche ­ liegt es auf der Hand, dass „Zahl der Bedarfsgemeinschaften" denen überlegen ist. Ich wundere mich insoweit nicht über das Ergebnis des ifo-Gutachtens.

Ich will ­ weil ich gut die Sichtweise der großen Städte nachvollziehen kann; da muss im Bereich der sozialen Lasten reagiert werden ­ einen Hinweis geben: Es sind nicht nur die großen Städte, die den Eindruck haben, dass ihnen in der Vergangenheit Mittel vorenthalten worden sind. Ich sage ­ aus Sicht der kreisangehörigen Städte und Gemeinden ­ ganz deutlich: Das gesamte System der Einwohner-Veredelung oder der Nichtberücksichtigung von Lasten, die über die Fläche erwachsen, wird bei unserer Mitgliedschaft ebenfalls als eine langandauernde Vorenthaltung von Mitteln wahrgenommen, die ihnen bei einer systemgerechten Verteilung eigentlich zukommen müssten. Ich will nur einmal die Befindlichkeit deutlich machen. Es ist nicht so, dass gesagt wird: Gott sei Dank haben wir das Geld die ganze Zeit über eingesteckt.

Vielmehr wird schon gesagt: Okay, wir sehen ein, dass beim Soziallastenansatz zu korrigieren ist. Dann sind, bitte, aber auch die anderen Ansätze zu korrigieren, die sich möglicherweise zu unseren Gunsten auswirken könnten.

Beim Thema „Einwohner-Veredelung" dürfen durchaus Nachfragen erlaubt sein. Ich will das nicht vertiefen, aber ich lade jeden ein, sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich bzw. die Aussagen, die dort man zum Thema „Einwohner-Veredelung" findet, anzusehen.

Es gibt den Vorschlag des Landkreistages, den Soziallastenansatz bei den Kreisen zu verorten. Dazu haben wir Stellung genommen. Das ist meines Erachtens wahrscheinlich aber auch kein Thema für das GFG 2011, sondern wir werden uns darüber noch einmal verstärkt unterhalten müssen, wenn es um das GFG 2012 und die Folgejahre geht. Unsere Bedenken dagegen hatten wir in der Stellungnahme dargelegt. Ich habe aber aus Neugier nachgelesen, was der Verfassungsgerichtshof dazu in der Vergangenheit gesagt hat: