Immissionsschutzgesetz

Landwirtschaft und Verbraucherschutz (9.) mr-hoe Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (10.)

Wir stehen also hinter der Situation mit Kindergeräuschen, so, wie Sie es auch in Ihrer Vorlage haben, aber wir erweitern das noch um etwas. In Wohngebieten, die zuhauf entstanden sind, wachsen Kinder aus den Kinderspielplätzen heraus, werden größer und brauchen sie nicht mehr. Diese Kinderspielplätze verkommen, werden kaputtgemacht, zerstört und irgendwann beseitigt, in vielen Fällen versiegelt. Wir sind dafür, ebenfalls in den Fokus zu nehmen, aus diesen Kinderspielplätzen Mehrgenerationenplätze zu machen, für die die anderen Generationen, auch die älteren Menschen, als Spielplatzwarte da sind, um sich mit den jungen Leuten der Sache anzunehmen.

Die Vorgaben, die damit zusammenhängen, damit auch der sogenannte Mehrgenerationenplatz weiterhin unter dieses „Spielplatz-Immissionsgesetz" fällt, möchten wir gerne von Ihnen berücksichtigt wissen. Denn wir haben dann immer große Diskussionen, dass Mehrgenerationenplätze anderen Maßstäben unterliegen. Ich möchte Sie bitten, diese Mehrgenerationenplätze ­ so haben wir sie einfach genannt ­ mit in das Bild miteinzufügen. Ich habe das Problem der Mehrgenerationenplätze in der Ihnen vorliegenden Stellungnahme, die Sie sicherlich zur Kenntnis nehmen, etwas detaillierter beschrieben.

Mit dieser Stellungnahme der Landesseniorenvertretung habe ich 150 Gemeinden und Städte in Nordrhein-Westfalen zum Kinderlärm vertreten. Wir wünschten uns nichts mehr, als dass es in Zukunft mehr Kinderlärm gäbe, ergo eine Menge mehr Kinder, die wir auch hören können.

Marlis Herterich (DKSB Landesverband NRW e. V.): Herzlichen Dank für die Einladung. Ein dickes Brett ist zunächst zur Hälfte gebohrt. So ganz sind wir noch nicht durch alles durch. Es fehlen noch weitere ergänzende Gesetzgebungen, auf die wir noch hoffen können. Ich bin aber erst einmal froh, dass Nordrhein-Westfalen jetzt das Landes-Immissionsschutzgesetz anpasst. Ich hätte mir, ehrlich gesagt, eine etwas breitere Formulierung gewünscht. Die Rheinland-Pfälzer schreiben: Kinderlärm stellt grundsätzlich keine schädliche Umwelteinwirkung dar. ­ Erst dann kommt der Satz mit „sozialadäquat" und „in der Regel zumutbar". Das gefällt mir persönlich besser, weil es das ein bisschen stärker macht. In Ihrer Änderung ist es sehr knapp. An der Sache jedoch ändert es nichts; auch die knappe Formulierung stellt den gleichen Sachverhalt dar.

Wichtig wäre für uns als Kinderschutzbund, dass es weitergeht und auch die Baunutzungsverordnung und das Bundesbaugesetz entsprechend angepasst werden ­ versprochen ist das, aber zwischen Versprechen und Tun können große Lücken klaffen ­, damit es auch die Möglichkeit geben wird, in reinen Wohngebieten entsprechend dem Bedarf zum Beispiel Kindertagesstätten und Spielplätze einzurichten.

Aber das ist nicht Ihre Sache im Landtag. Sie können aber ein Auge darauf haben und das mitbefördern. Darauf warten wir jetzt noch. Es gibt auch noch die eine oder andere BGB-Formulierung, die geändert werden muss. Wir werden das weiter verfolgen.

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Wir haben uns lange um den heutigen Aspekt bemüht, sind sehr froh, dass es jetzt dazu gekommen ist und danken Ihnen herzlich dafür.

Georg Ehrmann (Deutsche Kinderhilfe e. V.): Ich bin ein bisschen eher gekommen und habe Ihre wunderschöne Terrasse draußen genießen dürfen. Ich habe dort eine halbe Stunde gesessen, einen Tee getrunken, auf den Rhein geschaut und die Vögel zwitschern gehört. Ich stellte mir vor: Was ist los, wenn neben mir ein Presslufthammer ­ 80 bis 85 dB(A) ­ losgeht? Ich wäre sicher nach drinnen verschwunden. Dann stellte ich mir vor, die örtliche Kita kommt mit 20 Kindern an, die auf der Wiese Ball spielen ­ mindestens 90 dB(A) ­, und ich hätte mich gefreut und gesagt: Schön, da spielt unsere Zukunft.

Das zeigt so ein bisschen, dass der sogenannte Kinderlärm nicht mit den gleichen Maßstäben zu messen ist wie Industrieanlagen, Rasenmäher oder sonstige Dinge, für die das Immissionsschutzrecht gemacht worden ist. Das Immissionsschutzrecht ist zusammen mit der TA Lärm so aufgebaut worden, um Lärmquellen zu spezifizieren, ihnen gewisse Richt- und Grenzwerte zu geben. Es ist immer faszinierend, in Gerichtsverfahren die Messergebnisse mitzubekommen. Kinder kriegen noch einen „Juchz"-Zuschlag von 5 dB(A). Trotzdem reißen sie oft die Ziele, wenn es darum geht, im reinen Wohngebiet Lärmschutzwerte einzuhalten.

Die grundsätzliche Situation ist so, dass eine Mischung aus bundesrechtlicher Zuständigkeit und landesrechtlicher Zuständigkeit besteht, die sich nach der Föderalismusreform noch verschärft hat. Die Deutsche Kinderhilfe ist auch an dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren, das im Bund stattfindet, beteiligt. Da geht es um die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, um dort eine Regelung für Geräuscheinwirkungen zu treffen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen ausgehen. Der Bundesgesetzgeber macht sich den Anlagenbegriff zu eigen. Das Gesetz heißt auch Gesetz zur Erhöhung der Rechtssicherheit von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen. Letztendlich sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um den Kita-Ausbau vorantreiben zu können, damit die Anlagensicherheit da ist, wenn die Nachbarn die Möglichkeit haben zu klagen.

Was der Bundesgesetzgeber nicht geregelt hat und auch nicht regeln kann, ist die Frage: Was sind spielende Kinder im Wendehammer? Das OVG Koblenz hat entschieden: Spielende Kinder im Wendehammer eines Wohngebietes sind unzumutbarer Lärmverursacher, und deswegen hat die Stadt Sorge dafür zu tragen, dass sie dort nicht spielen.

Kinder, die auf der Straße spielen, sind von der Änderung auf Bundesebene nicht betroffen; sie erhöht also nur die Anlagensicherheit.

Die Länder haben dann die Möglichkeit in ihren Landes-Immissionsschutzbestimmungen Änderungen vorzunehmen. Die Kollegin vom Kinderschutzbund hat die rheinland-pfälzische Regelung angesprochen. Hamburg ist einen ganz anderen

Landwirtschaft und Verbraucherschutz (9.) mr-hoe Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend (10.) Weg gegangen, hat das Sozialgesetzbuch geändert und ist damit auf den Bauch gefallen. Das Problem war, dass die Verwaltungsgerichte nicht ins Sozialgesetzbuch geschaut haben, sondern nach den entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen. Eine Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes ist sicher der richtige Weg, um den sogenannten Kinderlärm in einer Art und Weise in den Griff zu bekommen, dass Kinderlärm Zukunftsmusik ist.

Zur konkreten Regelung in NRW ist anzumerken: Dadurch, dass Kinderlärm in § 3 genommen worden ist, ist er in die Systematik des Immissionsschutzgesetzes eingeordnet. Es wird weiter zu Messungen kommen. Über die Frage, ob er im Einzelfall zumutbar ist oder nicht werden Lärmschutzgutachter entscheiden. Deswegen hat der Bundesgesetzgeber in sein Gesetz geschrieben: „Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenzund -richtwerte nicht herangezogen werden."

Das wäre ein Appell, diesen Satz mit in das Landes-Immissionsschutzgesetz aufzunehmen. Denn immer, wenn im Gesetz steht „grundsätzlich", kommen die Kollegen Fachanwälte und versuchen aus der grundsätzlichen Sache für den konkreten Einzelfall Kapital zu schlagen. Wenn in das Landes-Immissionsschutzgesetzt hineingenommen wird, dass Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden, wäre diese Problematik entschärft.

Warum aber nicht einen Schritt mutiger sein? In § 1 Landes-Immissionsschutzgesetz wird definiert und geregelt, was Lärm ist. Wenn dort eine Formulierung reinkäme ­ also vor die Klammer ­, dass Kinderlärm grundsätzlich kein Lärm im Sinne des Immissionsschutzgesetzes ist, und bei Streitfragen keine Immissionsgrenzund -richtwerte berücksichtigt werden können, wird es zu einem Problem, das in Ihrer Gesetzesbegründung ausdrücklich genannt ist, nicht kommen. Ich zitiere Drucksache 15/976 ­ Begründung ­ „Die Regelung entbindet aber nicht von der Grundpflicht des § 3 Abs. 1 LImschG, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden."

Wir reden also gerade über Kinderlärm. Vorher wurde gesagt, das ist Zukunftsmusik, und hier sprechen wir schon wieder schön juristisch von „schädlichen Umwelteinwirkungen".

Weiter heißt es: „Daher sind insbesondere geeignete technische Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn dies möglich und zumutbar ist."

Dann kommen wir wieder dahin, dass entschieden wird ­ siehe OVG Hamburg oder OVG Frankfurt ­: Wenn eine Kita gebaut wird, muss sie die Lärmschutzwerte einhalten. Das heißt, da muss eine 3 m hohe Wand gebaut werden. Das ist sicher nicht im Interesse des Gesetzgebers.