Die zum Teil erhobene Behauptung Aufgabe HT 3 sei nicht vorgabenkonform gewesen ist fachlich nicht nachvollziehbar

Zur Aufgabe HT 2 war am Tag vor der Klausur eine Mail mit Empfehlungen zu geringfügigen Korrekturen in der Aufgabenstellung versandt worden. Dabei ging es ebenfalls nicht um die Beseitigung von Fehlern, sondern darum, mögliche Missverständnisse auszuräumen bzw. die Aufgabe noch klarer zu formulieren. Diese Aufgabe HT 2 ist von sehr vielen Lehrkräften dann auch für ihre Abiturientinnen und Abiturienten gewählt und als unproblematisch bezeichnet worden.

Die zum Teil erhobene Behauptung, Aufgabe HT 3 sei nicht vorgabenkonform gewesen, ist fachlich nicht nachvollziehbar. Dies ist von der unabhängigen Fachkommission bestätigt worden, die unmittelbar nach Bekanntwerden der Irritationen bezüglich der Funktionsscharen in Aufgabe 1 gebeten wurde, zusammenzutreten und eine Stellungnahme zur Mathematik-Klausur abzugeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fehler im engeren Sinne oder die Unlösbarkeit der Aufgabe hat es bis zu diesem Zeitpunkt im Grundkurs Mathematik also nicht gegeben, wohl aber Irritationen, von denen ich nicht ausschließen kann, dass sie zum Nachteil der Schülerinnen und Schüler führten. Dabei geht es mir vor allem um diejenigen, die sich durch die Funktionsscharen beim Einstieg in die Lösung ihrer Klausur irritiert gefühlt und sich dadurch nicht in der Lage gesehen haben, ihr volles Leistungspotenzial abzurufen. Es gab aber auch Lehrkräfte, die sich durch die vermeintlichen Funktionsscharen irritiert gefühlt und auf Aufgabe HT 1 verzichtet haben, sodass sie dann eine der beiden anderen Aufgaben wählen mussten, obwohl Aufgabe HT 1 an sich für ihre Schülerschaft ansonsten durchaus geeignet gewesen wäre.

Hier konnte also den Schülerinnen und Schülern ein Nachteil entstehen, weil die Lehrkräfte nicht aus drei Aufgaben eine Aufgabe ausgewählt haben, sondern nur aus zweien. Dies ist der Grund dafür, dass ich es allen Schülerinnen und Schülern ermöglicht habe, eine neue Klausur zu schreiben - nicht nur denjenigen, die tatsächlich mit Aufgabe HT 1 konfrontiert wurden. Diese Entscheidung habe ich nicht leichtfertig getroffen. Zum einen bin ich mir bewusst, dass sie zu einer zusätzlichen Belastung für die Schulen, und zwar vor allem für die Fachlehrkräfte geführt hat. Das bedauere ich.

Zum anderen ist mir auch klar, dass es für Schülerinnen und Schüler nicht einfach ist, den Stress einer weiteren Abiturklausur auf sich zu nehmen. Aber es war ein Angebot und aus meiner Sicht keine zwingend erforderliche Maßnahme. Darauf legt auch die unabhängige Kommission Wert. Darum habe ich betont, dass dies aus pädagogischen Gründen erfolgt ist. Es versteht sich von selbst, dass es mit wichtigen Akteuren und Betroffenen Gespräche zur Einschätzung der Sachlage gegeben hat.

Nach dieser grundsätzlichen Entscheidung wurden sehr schnell weiter gehende Forderungen gestellt. Die Schülerinnen hätten zunächst die Note der ersten Klausur mitgeteilt bekommen müssen, bevor sie sich entscheiden, ob sie neu schreiben wollen ­ angeblich analog einer Regelung in Hessen 2009. Sie hätten dann eine zweite Klausur schreiben können sollen und anschließend die bessere Note wählen dürfen. Der Termin für die neu zu schreibende Klausur hätte später liegen müssen.

Hierzu ist Folgendes zu sagen: Das Angebot des Neuschreibens richtete sich ausschließlich an die Schülerinnen und Schüler, die sich aus den genannten Gründen bei der Lösung der Aufgabe irritiert sahen im Sinne einer zweiten Chance, nicht im Sinne einer sogenannten Freischussregelung. Eine Bekanntgabe der Note der ersten Klausur, die Abwägung, ob sich eine zweite Klausur lohnt und eine danach vorzunehmende Art „Günstiger-Prüfung" ist nicht angezeigt gewesen.

Hätte man einigen Schülerinnen und Schülern die Noten mitgeteilt, wären sie dadurch bessergestellt gewesen als jene, die sie nicht erfahren haben. Denn diese waren mit dem Ablauf ihrer Klausur ohnehin zufrieden und wollte keine, aus ihrer Sicht unnötige neue Klausur schreiben.

Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt grundsätzlich von dem zu Vergleichen herangezogenen Vorgängen in Hessen vor zwei Jahren. Dort war eine Aufgabe definitiv nicht lösbar. Irritationen in Bezug auf den Zugang zu einer Aufgabe unterscheiden sich auch kategorial von den Problemen beim sogenannten „Oktaeder des Grauens" vor drei Jahren in Nordrhein-Westfalen.

Was den Zeitpunkt angeht: Mir war an einer zügigen und klaren Entscheidung gelegen, auch damit die Schulen die Schülerinnen und Schüler zeitnah erreichen konnten. Beim Oktaeder vor drei Jahren hat es Wochen gedauert, bis den Schülerinnen und Schülern endlich die Möglichkeit eingeräumt wurde, eine neue Klausur zu schreiben ­ meiner Erinnerung nach erst nach massivem öffentlichem und politischem Druck durch eine Chefentscheidung von Ex-Ministerpräsident Rüttgers.

Das lange Zögern hat damals dazu geführt, dass nur noch ca. 1.800 Schülerinnen und Schüler schon Nachschreiben bereit waren. In diesem Jahr ist das Problem bei weitem nicht so groß wie beim Oktaeder. Das schnelle und entschlossene Handeln der Landesregierung hat aber dazu geführt, dass in der vergangenen Woche ca. 3.000 Schülerinnen und Schüler die Mathematik-Grundkurs-Klausur neu geschrieben haben, zusammen mit jenen, die krankheitsbedingt am ersten Termin nicht teilgenommen haben, also dem regulären Nachschreibtermin. Die große Zahl werte ich als Bestätigung meiner Entscheidung zugunsten der Schülerinnen und Schüler.

Leider war es damit nicht erledigt. Der tatsächliche Ärger begann erst. Um es vorwegzunehmen: Den Schülerinnen und Schülern ist, soweit wir wissen, kein Nachteil entstanden. Aber das haben wir aufmerksamen Mathematik-Lehrkräften zu verdanken, denen bei der Aufgabenauswahl ein Fehler aufgefallen ist, durch dessen Korrektur den Schülerinnen und Schülern eine korrekte Aufgabenstellung vorgelegt werden konnte.

Ich bin in den vergangenen Tagen oft von den Medien, aber auch in dienstlichen, politischen und privaten Zusammenhängen gefragt worden, wie es denn sein kann, dass Fehler in einer Klausur vorkommen, wo doch alle Fachleute in absoluter Alarmstellung sein müssen und man doch alles doppelt, dreifach oder vierfach prüfen müsse. Ja, genau. Das habe ich mich auch gefragt. Und eine zu 100 % überzeugende Antwort kann ich Ihnen nicht bieten. Aber ich glaube, der Fehler ist gerade deshalb passiert, weil man bis zur letzten Minute darum gerungen hat, nun wirklich alles richtig zu machen. Lassen Sie mich zunächst eines klarstellen: Die unabhängige Aufgabenkommission unter Leitung von Prof. Bos hat mit den Vorgängen zur Klausur für den Neuschreibtermin nichts zu tun. Die gelegentlich geäußerte Kritik an dem teuren AbiTÜV, den die Vorgängerregierung eingeführt hat, ist hier also völlig fehl am Platze.

Insofern geht auch Ihr Vorwurf, meine Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion

Die Linke, dass ich ohne Not an dieser teuren Lösung festhalte, ins Leere.

Die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung hat noch im letzten Jahr den Vertrag mit der Universität Dortmund um zwei Jahre bis zum Abitur 2012 verlängert.

Und im privaten wie im öffentlichen Recht gilt nun einmal der Grundsatz „Pacta sunt servanda". Da in den beiden letzten Jahren keine nennenswerten Fehler aufgetreten waren, hatte ich auch überhaupt keine Veranlassung für Veränderungen gesehen, genauso wenig, wie ich in die Abläufe der Vorbereitung des Zentralabiturs eingegriffen habe, die bereits seit Frühjahr letzten Jahres laufen.

Die Aufgabenstellung der Neuschreibklausur wurde von einer vom Ministerium einberufenen Aufgabenkommission erarbeitet. Diese Aufgabenstellung wurde nun mehrfach hin- und hergewendet, einem Praxistext unterzogen und von Lehrkräften überprüft, die in diesem Jahr keine Schülerinnen und Schüler im Abitur haben.

Im vielleicht übervorsichtigen Bemühen, nun wirklich keine Fehler zu machen und keine missverständlichen irritierenden Formulierungen zu verwenden, wurde bis zur letzten Minute an der Aufgabenstellung gefeilt. Dabei gab es auch mehrere kleine Verbesserungs- und Änderungsvorschläge. Der Fehler, also die falsche Zahl in einer Tabelle, ist dann leider erst bei der abschließenden Formatierung der Aufgaben vor dem Download in diese Klausur hineingekommen. Gerade weil die Aufgaben noch einmal bis zum Schluss auf Herz und Nieren geprüft wurden, gerade weil man absolut sichergehen wollte, reichte die Zeit am Ende nicht mehr, um sie auch nach der Formatierung noch einmal zu überprüfen.

Ich weiß, dass dies keine befriedigende Antwort ist, aber sie entspricht den Tatsachen ­ ein Übertragungsfehler, der nicht, wie genüsslich unterstellt, auf fachliche Inkompetenz des Auftragsteams oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, sondern auf menschliches Versagen, zurückzuführen ist. Dafür möchte ich mich auch ausdrücklich noch einmal entschuldigen und mein Bedauern zum Ausdruck bringen.

Zum Glück ist der Fehler noch rechtzeitig entdeckt und den Schulen unmittelbar mitgeteilt worden. Ich räume hier im Übrigen ein: Es gab auch noch einen weiteren Fehler, der zu keinem Schaden geführt hat, den nenne ich, obwohl er meines Wissens in der Presse nicht kommuniziert worden ist. Da man auf die Aufgaben für den Folgeabiturjahrgang bei der Erarbeitung der Nach- und Neuschreiblösungen zurückgriffen hat, hat man bei einem Blatt, das an Lehrerinnen und Lehrer gegangen ist, versäumt, aus Abitur 2012 Abitur 2011 zu machen. Ich sage das dazu, weil mir daran gelegen ist, die Dinge anzusprechen, die bekannt sind.

Nun bedarf es eines kleinen Exkurses zum Schul-Mail-Verfahren.