24-Stunden-Observation

Die von uns durchgeführten Hausbesuche finden in Begleitung der Kriminalpolizei statt. Das hat sich in der Praxis sehr bewährt, da wir in diesen Kontakten mehrfach in bedrohliche, kritische Situationen geraten sind.

­ Die sonstigen Gesprächskontakte finden in einem besonders gesicherten Raum im Landgericht Dortmund statt. Dies geschieht deshalb, weil wir diese beiden besonderen, als gefährlich eingestuften Probanden von unserem sonstigen Klientel sowie Besuchern in der Dienststelle und im Warteraum fernhalten wollen. Wir wollen es beispielsweise einer wegen Ladendiebstahls unter Bewährungsaufsicht stehenden Frau, die vielleicht mit ihrem Kleinkind zu uns kommt, nicht zumuten, im Warteraum neben einem dieser besonderen, wegen eines Sexualdeliktes bei uns Einbestellten, warten zu müssen. Das wollten wir von vornherein ausschließen und trafen mit diesem Vorschlag bei der Verwaltung unseres Landgerichts auf offene Türen.

­ Weiter ist hervorzuheben, dass wir so, wie geschildert, auch aus Eigensicherungsgründen verfahren. Im Landgericht finden Einlasskontrollen statt. Bei diesen Kontrollen wurden schon mehrere gefährliche Gegenstände abgenommen. Ferner werden die beiden Probanden von Wachtmeistern begleitet, damit sie nicht unkontrolliert im Landgericht herumlaufen.

­ Neben dieser Betreuungsarbeit finden regelmäßig Fallkonferenzen im Polizeipräsidium statt, zeitweise in einem Rhythmus von 14 Tagen. Es finden regelmäßige Helferkonferenzen mit sonstigen Betreuern wie Therapeuten, Mitarbeitern der forensischen Nachsorgeambulanz, bestellten Betreuern statt. Es ist also schon eine größere Runde. Dies erfordert manchmal spezielle Termine.

­ Einen besonderen Schwerpunkt legen wir in der Arbeit auf nachträgliche Ergänzungen im Beschluss zur Führungsaufsicht, sprich: auf Weisungsergänzung. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass, wenn nötig, ein Strafantrag möglichst schnell gestellt werden kann. Dafür brauchen wir festgeschriebene, strafbewährte Weisungen. Zu nennen sind insbesondere die Spezifizierung der Kontakthaltungsweisung, das Verbot des Konsums von Suchtmitteln und die Anordnung von Suchtmittelkontrollen, die Vorstellungsweisung bei forensischen Nachsorgeambulanzen, tägliche Meldeauflagen bei der Polizeiwache, das Kontakt- und Beherbergungsverbot zu bzw. von Kindern sowie das Aufenthaltsverbot vor Schulen etc. ­

Dies wurde auf unsere Anregung hin in den Beschlüssen ergänzt.

­ In den beiden Fällen wurde die Bevölkerung durch die 24-Stunden-Observation durch die Polizei und die Medienberichterstattung auf die Besonderheiten dieser Personen aufmerksam, so auch das nahe soziale und vor allem Wohnumfeld.

Der erste Vermieter, eine Privatperson, kündigte recht schnell die Auflösung des Mietvertrages in der Presse an. Durch die beiden Fachkräfte, die mit dem Vermieter mehrere Gespräche geführt haben, konnte diese Kündigung noch abgewandt werden. Zu berücksichtigen ist, dass dieser Proband in einem ohnehin schon kritischen Milieu wohnt.

Der aus der Klinik entlassene Proband ist im Nahbereich der Klinik geblieben, also in einem ganz anderen Umfeld. Der dortige Vermieter, eine Wohnungsgesellschaft, wurde von seinen weiteren Mietern auf die polizeiliche Observation aufmerksam gemacht. Es wurde vermutet, dass es sich um diese Person handelt, von deren Entlassung bereits in der Presse berichtet worden war und die auf Wohnungssuche war. Die Wohnungsbaugesellschaft reagierte, indem sie sogar einen Sicherheitsdienst auf dem Flur vor der Wohnungstür des Probanden postierte und Räumungsklage sowie Kündigung gerichtlich mit der Begründung der arglistigen Täuschung anhängig machte. Hintergrund ist: Die Entlassungssituation wurde natürlich beim Abschluss des Mietvertrags nicht offengelegt. Der gesetzliche Betreuer gab eine alte Wohnanschrift von vor der Inhaftierung an.

Bisher gibt es keine Wohnungsalternative. Die Suche gestaltet sich noch schwieriger als gleich nach der Entlassung aus der Klinik. Unter anderem hatten wir in diesem Zusammenhang Kontakt zu Einrichtungen mit stationär betreutem Wohnen.

Sogar diese lehnten die Aufnahme ab. Sie befürchteten innerhalb der Einrichtung Ausschreitungen, und vor allem ­ allerdings nur unter vorgehaltener Hand ausgesprochen ­ wollten sie keinen Polizeiwagen vor der Tür, weil sie fürchteten, dass ihr sonstiges Klientel aus der Einrichtung verschwinden würde.

Damit komme ich zur ersten Frage. ­ Beide Probanden wurden damit konfrontiert und befragt. Beide, insbesondere aber der aus der Klinik Entlassene, gab dazu an, dass er die Wohnungslosigkeit natürlich als Krise beschreiben würde. Er könne sich durchaus vorstellen, bevor er obdachlos würde, freiwillig wieder in die Klinik zurückzukehren. Eine Aufnahme aber in einer Einrichtung nach ThUG, im Moment in Oberhausen, lehnte er kategorisch ab. ­ Das ist auch verständlich, denn die Klinik, aus der er entlassen worden ist, kennt er. Er hat noch Kontakt zu seiner damaligen Therapeutin. Oberhausen hingegen ist für alle ein Buch mit sieben Siegeln. Er hat argumentiert: Dort sind nur psychisch Gestörte. Dazu gehöre ich nicht. Dahin will ich auf keinen Fall.

Ich erwähne das ganz ausdrücklich, da man meiner Meinung nach gerade die Rückkehr in die Entlassungsanstalt offenhalten sollte; zumal in diesem Fall zu berücksichtigen ist, dass der Proband acht Wochen bis zur Klärung der Wohnungssituation und der Anmietung der Wohnung freiwillig länger in der Klinik geblieben ist.

Zu der Frage 2 nach der zeitlichen Dauer: Dazu kann ich praktisch vergleichbar nur auf die Krisenintervention gemäß § 67h StGB verweisen, wonach eine Aufnahme psychisch Gestörter in eine psychiatrische Anstalt möglich ist. Die Verweildauer dort beträgt dann drei Monate, höchstens sechs Monate. Dieser zeitliche Rahmen hat sich in der Praxis bewährt und kann analog übernommen werden. In dieser Zeit kann das Übergangsmanagement gut greifen, Externe können eingebunden und die Angebote können verzahnt werden.

Zur Frage 3: Das therapeutische Angebot ist natürlich äußerst wichtig. Wir setzen dabei selbstverständlich zunächst auf Freiwilligkeit. Das bedeutet eine lange Motivationsarbeit. In einem Fall konnten wir den Probanden zur Aufnahme einer ambulanten therapeutischen Behandlung gerade zur Aufarbeitung des Sexualdeliktes, der Sexualproblematik, bei einem speziellen Therapeuten motivieren.

Rechtsausschuss 01.06.

13. Sitzung (öffentlicher Teil) nie-be

Das gelingt aber nicht immer. Es ist langwierige Überzeugungsarbeit notwendig. Wir als Betreuer müssen immer „dranbleiben". Von daher ist die Unterstützung vonseiten des Vollzugs unerlässlich. Sollte es keine Einigung, keine Bereitschaft geben, ist nämlich darüber nachzudenken, welche Weisungen ergänzt werden können. Wenn man in Bezug auf Sexualtäter an eine Therapieweisung denkt, ist eine nachträgliche Ergänzung selbstredend immer schwieriger und langwieriger, sodass es für uns, die wir in der Nachsorge tätig sind, hilfreich ist, wenn so etwas im Vorfeld durch den Psychologischen Dienst eingeleitet oder angeregt worden ist.

Die Anträge nach ThUG sind in beiden Fällen gestellt worden. Sie haben extreme Unsicherheit und Ängste hervorgerufen. Beide dachten, der Teil des Rechtlichen wäre für sie durch das Urteil abgeschlossen. Mit dem ThUG kam Neues auf. Beide äußersten außerdem, dass sie sich dadurch erneut gehetzt fühlten. Das brachte weitere Brisanz.

Äußerst schwierig zu handhaben war die große Aktivität der Presse. Es wurde in der Zeitung und im Radio berichtet. Sogar ein Foto des zivilen Polizeiwagens, der für die Observation genutzt wurde, wurde veröffentlicht. Ein Journalist der „BILD"-Zeitung nahm sehr penetrant Kontakt zu beiden auf. Es fanden Demonstrationen von Rechtsradikalen vor der Wohnung statt. Dies alles ist von ganz extremer Brisanz, mit der wir ansonsten in unserer Arbeit nichts zu tun haben.

Hervorheben möchte ich zum Abschluss, welcher Zeitaufwand unsererseits hinter der Bearbeitung dieser Fälle steht. In einem Fall haben wir dafür unsere Dokumentation ausgewertet. Danach haben wir darauf 123 Arbeitsstunden verwandt. Das bedeutet: pro Bewährungshelfer 12,3 Wochenstunden pro Fachkraft, also 24 Wochenstunden bei zwei Fachkräften für nur einen Fall.

Zum Resümee: Wir denken, dass sich das von uns entwickelte Konzept in der Betreuungsarbeit und in der Sicherung in der Praxis bewährt hat. Trotz des enormen zeitlich geleisteten und zu leistenden Aufwandes wird zugunsten der Sicherheit hieran weiter festgehalten.

Bernd Kottrup (Dienststellenleiter des Ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz NRW bei dem Landgericht Münster, Fachbereich Bewährungshilfe und Führungsaufsicht): Mein Name ist Bernd Kottrup. Ich bin Gruppenleiter des Fachbereichs Führungsaufsicht im Landgerichtsbezirk Münster.

Ich möchte gleich zu Frage 1 Stellung nehmen. ­ Meines Erachtens wäre es bis zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung sinnvoll, die ehemals Sicherungsverwahrten zunächst wieder in eine JVA aufzunehmen.

Denn es ist zu bedenken, dass nicht alle aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen an einer psychischen Störung leiden und die Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit.