JVA

13. Sitzung (öffentlicher Teil) Michael Skirl (Leiter der JVA Werl): Ich habe eingangs ­ Herr Biesenbach, da waren Sie, glaube ich, noch nicht anwesend ­ gesagt, dass ich das Gesetz prinzipiell begrüße, das eine gesetzliche Grundlage für eine ­ wenn auch freiwillige ­ Wiederaufnahme in einer auf Freiheitsentziehung ausgerichteten Institution schafft. Daran halte ich auch fest.

Ich habe Frau Dr. Muysers nicht so verstanden, dass es nur noch um solche gehen kann, die überhaupt nicht mehr gefährlich sind, und man von daher ­ so Ihre Argumentation jetzt ­ das Gesetz überhaupt nicht mehr bräuchte.

Vielmehr gibt es verschiedene Arten und verschiedene Abstufungen von Gefährlichkeit.

Wenn sich ein entlassener Sicherungsverwahrter vornimmt, das zu Ende zu bringen, was er vor 25 Jahren nicht zu Ende gebracht hat, dann wird er sich nicht melden.

Das ist in der Tat richtig. Der Mann ist gefährlich. Er wird das tun, was er meint, vollenden zu müssen, weil es zum Beispiel eine Beziehungstat war oder er das Ganze immer noch nicht verarbeitet hat.

Es gibt aber auch eine andere Art von Gefährlichkeit, die aus einer Hoffnungslosigkeit, aus Resignation erwächst, wie es eingangs sehr eindrucksvoll ­ das haben Sie, Herr Biesenbach, glaube ich, aber auch nicht mitbekommen ­ Herr Herper dargestellt hat. Sie erwächst aus einer Mischung von Reizüberflutung und Ausgrenzung durch die Gesellschaft. Herr Herper hatte das als das Gefühl des Gehetzt-Werdens von einer aggressiven, ablehnenden, ausgrenzenden Öffentlichkeit ­ sei es der Nachbarschaft, sei es der Presse ­ bezeichnet. Meines Erachtens ist es durchaus denkbar, dass jemand aus einer solchen Überforderung heraus auf die Idee kommt, eine Straftat ­ eventuell Hausfriedensbruch, weil er, um wenigstens eine Nacht ruhig schlafen zu können, eine Schrebergartenlaube aufbricht ­ zu begehen, weil er sich einfach nicht mehr anders zu helfen weiß. Aus einer solchen Situation heraus kann also auch Straffälligkeit generiert werden.

Um dem entgegenzuwirken ­ jedenfalls mit Blick auf diejenigen, die noch einen Rest an Verstand und Vernunft besitzen, um sich, bevor sie erneut eine Straftat begehen, dafür zu entscheiden, nachzufragen, ob eine Möglichkeit besteht, wieder im Vollzug aufgenommen zu werden ­, macht das Gesetz schon Sinn.

Dr. med. Jutta Muysers (LVR-Klinik Langenfeld, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefärztin der Abteilung Forensische Psychiatrie I): Ich teile die Einschätzung von Herrn Skirl insoweit. Ich wollte nur auf das verweisen, was er gerade auch am Rande angemerkt hat: Wer wirklich kriminell identifiziert ist und eine neue Straftat begehen möchte, der wird natürlich nicht kommen.

Und man muss sich klarmachen: Jeder, der drin ist, will raus. Wir haben ja die ganze Zeit gesagt, dass es gilt, aufzupassen, dass wir hier nicht nur über Leute sprechen, die es dann ­ aus welchen Gründen auch immer; sie sind hinreichend diskutiert worden ­ nicht schaffen. Es setzt schon immer auch eine gewisse Energie frei, eine Haftstrafe beendet zu bekommen und in Freiheit zu gelangen. Das ist durchaus auch eine Motivation, nicht wieder zurückkehren zu wollen.

13. Sitzung (öffentlicher Teil) Alles andere sehe ich genauso, wie Herr Skirl es gerade dargestellt hat.

Bernd Kottrup (Dienststellenleiter des Ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz NRW bei dem Landgericht Münster, Fachbereich Bewährungshilfe und Führungsaufsicht): Zunächst zu der Unterbringung der Rückkehrer vor dem Hintergrund der Frage, ob sie gefährlich sind oder nicht. ­ Es können sich sowohl nicht gefährliche Personen ­ dazu gehören die, die auf Basis einer guten Prognose vorzeitig aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden sind ­ als auch diejenigen melden, die nach Ablauf der 10-Jahres-Frist entlassen werden und bei denen man davon ausgehen kann, dass viele von ihnen gefährlich sind. Von daher wird es sich bei den um Wiederaufnahme Nachsuchenden um eine Mischung handeln. Man kann nicht prophezeien, wer in welcher Krisensituation von den ehemals Sicherungsverwahrten kommen wird und wie es sich, wenn es dieses Gesetz gibt, in Zukunft verteilen wird.

Man muss abwarten.

Eine Wiederaufnahme wird, wie von Herrn Skirl skizziert, natürlich vollzugspraktische Aspekte nach sich ziehen. Die Anstalten werden sich überlegen müssen, wie sie das Ganze handhabbar machen.

Dipl.-Sozialarbeiter Matthias Herper (Bewährunghelfer/Gerichtshelfer, Landgericht Dortmund, Führungsaufsichtsstelle): Ich persönlich finde das Gesetz und vor allem die dahinterstehenden Möglichkeiten und Überlegungen sehr wichtig und sehr gut und hatte, denke ich, auch aus einem praktischen Fall heraus beschrieben, dass dieser Proband diese Möglichkeiten nutzen könnte, wenn sich seine Lage noch weiter zuspitzte.

Vorsitzender Dr. Robert Orth: Herzlichen Dank, sehr geehrte Dame und sehr geehrte Herren. Sie haben uns einiges an Information geliefert, was wir verarbeiten werden. Wir haben uns vorgenommen, am 22. Juni abschließend über den Gesetzentwurf zu beraten und dem Plenum eine Empfehlung zu geben. Ich denke, bei dem so vorbesprochenen Zeitplan wird es bleiben.

Ich danke Ihnen, dass Sie uns geholfen haben, die Entscheidung wissenschaftlich fundierter zu treffen.

Ich darf Ihnen eine gute Heimreise wünschen und den Tagesordnungspunkt schließen.

1. Ist es sinnvoll, die ehemals Sicherungsverwahrten wieder in eine JVA aufzunehmen oder wäre die Aufnahme in eine andere Einrichtung wie die nach dem ThuG in Oberhausen sinnvoller?

2. Wie lange sollte die freiwillige Unterbringung andauern, um nicht dem Ziel der Wiedereingliederung in die Gesellschaft entgegenzustehen?

3. Vor dem Hintergrund, dass gem. § 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfs die Aufgenommenen auf ihren Antrag unverzüglich zu entlassen sind: Inwieweit ist es erforderlich, sie insoweit durch therapeutische Maßnahmen, etc. auf ein Leben in Freiheit ­ auch zum Schutz der Bevölkerung ­ vorzubereiten bzw. nach einer bestimmten Aufenthaltsdauer eine aktive Teilnahme an Therapieangeboten einzufordern?