Meine Damen und Herren ich schlage Ihnen vor dass wir jetzt erst einmal in eine zweite Runde gehen

Es gibt zusätzliche Bereitschaftsdienste; man muss Rufdienste einrichten. Im Nachtdienst ist einfach mehr Personal notwendig.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Herzlichen Dank. ­ Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt erst einmal in eine zweite Runde gehen. Bei der Beantwortung werden wir dann auch die Fragen aufnehmen, die Herr Dr. Romberg und Herr Zimmermann bereits an diejenigen Sachverständigen gestellt haben, die jetzt noch nicht zu Wort gekommen sind.

Dr. Stefan Romberg (FDP): Herr Chrysanthou, nach meiner Erinnerung hat bei der letzten Anhörung dieses Ausschusses zum PsychKG die Krankenhausdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Frau Schuhmann-Wessolek, darauf hingewiesen, dass es im Rahmen des PsychKG im ganzen LWL-Verbund Qualitätsrichtlinien gibt, nach denen jeder fixierte Patient auch eine Sitzwache haben muss.

Wenn diese Regelung existiert und umgesetzt wird, bedeutet das doch, dass Sie im LWL die fixierten Menschen nicht videoüberwachen. Vielleicht können Sie uns noch einmal konkret schildern, welche Patienten wirklich videoüberwacht werden.

Außerdem habe ich zwei Nachfragen an die hier anwesenden ärztlichen Vertreter insgesamt. ­ Aus den Vorlagen des Ministeriums ergibt sich, dass im Ganzen eine recht hohe Zahl von Menschen videoüberwacht wird. In einer Klinik existieren noch nicht einmal detaillierte Daten. Das erschreckt mich sehr. Immerhin hat Minister Laumann auf unsere Intervention hin im Jahr 2009 den Erlass zur Videoüberwachung in der Psychiatrie noch einmal verschärft. Wenn konkrete rechtliche Vorgaben bestehen, müsste es meines Erachtens auch konkrete Daten dazu geben. Glauben Sie, dass es letztendlich noch eine viel höhere Dunkelziffer an Videoüberwachungen gibt? In welchem Umfang werden vielleicht auch Videoüberwachungen bei freiwillig untergebrachten Patienten durchgeführt? Über diese Dimension haben wir hier noch gar nicht gesprochen.

Welche Folgen hätte es nach Ihrer Einschätzung, wenn der Gesetzgeber im PsychKG eine Änderung dahin gehend vornähme, die Videoüberwachung zu verbieten und eine Betreuung durch Personal vorzuschreiben? Welche Auswirkungen hätte das auf die Patienten, die im Rahmen des Betreuungsrechts geschlossen untergebracht werden? Und glauben Sie, dass die Videokameras mit einer solchen Gesetzesänderung gänzlich aus den psychiatrischen Kliniken verbannt würden?

Heike Gebhard (SPD): Sowohl durch die schriftlichen als auch durch die mündlichen Stellungnahmen ist mir deutlich geworden, dass wir bisher immer nur von einer speziellen Situation ausgegangen sind, die sich heute anders darstellt. In der Vergangenheit haben wir ausschließlich darüber diskutiert, dass es bei Fixierungen keine Videoüberwachung geben soll, sondern eine Sitzwache. Jetzt stelle ich fest, dass wir hier einen Vertreter haben, der sagt, bei Fixierungen habe es selbstverständlich Sitzwachen und keine Videoüberwachung zu geben ­ darüber besteht wohl auch unter allen Anwesenden Einigkeit ­; in anderen Krisensituationen, in denen Patienten isoliert werden, sei eine Videoüberwachung aber sinnvoll. Das ist für mich ein völlig neuer Sachverhalt, der vorher überhaupt nicht thematisiert worden ist; denn wir haben immer nur in Verbindung mit Fixierungen über die Kamerabeobachtung gesprochen.

Vielleicht können die Praktiker einmal sagen, ob sie auch in den anderen Situationen, die Herr Dr. Chysanthou gemeint hat, grundsätzlich ausschließen, dass sie eine Kameraüberwachung einsetzen, weil sie sie für überflüssig halten. Das hätte ich gerne noch geklärt, weil ich glaube, dass wir damit über eine neue Qualität diskutieren.

Es geht also um die Situation, dass man einen Patienten alleine in einem Raum lässt, ohne dass er fixiert ist, und dann merkt, dass er in eine kritische Phase kommt, aber keinen Menschen daneben setzt. Gibt es solche Situationen? Und halten Sie dann eine Kameraüberwachung für sinnvoll oder nicht?

Vorsitzender Günter Garbrecht: Dann kommen wir jetzt zur Antwortrunde.

Gudrun Schliebener (Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker): Wir begrüßen die Initiative der FDP vorbehaltlos, weil wir der Meinung sind, dass eine gesetzliche Regelung helfen kann, Ausweichmöglichkeiten gar nicht erst entstehen zu lassen.

Herr Chrysanthou hat natürlich recht. Wir erwarten in der Tat Sicherheit für unsere betroffenen Familienmitglieder ­ aber bitte mit personeller Begleitung und nicht mit Kameraüberwachung oder einem ähnlichen technischen Setting; denn gute psychiatrische Behandlung bedeutet immer auch eine vernünftige Beziehung, und die sehen wir bei einer Kameraüberwachung nicht.

Wir sprechen hier von einigen wenigen Kliniken. Die weitaus größte Anzahl der Kliniken in Nordrhein-Westfalen setzt die Kameraüberwachung überhaupt nicht ein. Warum nicht? Es sind gerade die großen Kliniken ­ auch pflichtversorgende Kliniken ­ mit einem guten therapeutischen Angebot, die ohne größere Probleme auf eine Kameraüberwachung verzichten können. Das wird doch einen Grund haben. Ich glaube, dass eine persönliche Begleitung, egal wie eng sie ist, mit Abstand besser ist als eine technische Überwachung ­ von Begleitung kann man in diesem Zusammenhang ja nicht reden. Mir sträuben sich schon die Haare, wenn ich von Überwachung spreche. Ich meine, dass gerade in akuten psychiatrischen Situationen der Begriff „Begleitung" eher angebracht wäre.

Herr Dr. Romberg, Sie haben angesprochen, dass beim LWL Sitzwachen vorgeschrieben sind. In den Fixierungsrichtlinien des LWL ist tatsächlich festgelegt, dass grundsätzlich eine Sitzwache zu stellen ist ­ es sei denn, dass bestimmte Gründe dagegensprechen. Ein solcher Grund könnte zum Beispiel der eben genannte Wunsch sein, die besondere Nähe zu vermeiden. Dann gibt es aber die räumlichen Möglichkeiten des Krisenzimmers direkt neben dem Stützpunkt und Ähnliches, sodass man durch eine offene Tür trotzdem eine personelle Begleitung sicherstellen kann und keine Kamera braucht. Wiebke Schubert (Landesverband Nordrhein-Westfalen der Angehörigen psychisch Kranker): Bei den Begehungen, die wir im Rahmen der Besuchskommission der Bezirksregierung durchführen, mussten wir feststellen, dass Videoüberwachungen nur dann eingesetzt werden, wenn entweder Personalmangel herrscht oder bauliche Mängel bestehen, nämlich in der Regel dann, wenn kein Überwachungszimmer ­ das sind die Zimmer mit Fensterscheiben zum Dienstzimmer hin ­ vorhanden ist.

Vor allem mussten wir feststellen, dass dort, wo Videoüberwachung eingesetzt wurde, die Umsetzung mangelhaft war. Inzwischen ist der Erlass zur Videoüberwachung verschärft worden. Vorher wurde diese Überwachung zum Teil sehr ausgedehnt, auch zeitlich. Außerdem konnte der Patient nicht sehen, ob die Kamera im Zimmer eingeschaltet war oder nicht. Darüber hinaus findet in der Tat keine Überwachung der Vitalfunktionen statt, was dann auch zu dem bekannten tragischen Vorfall geführt hat. Daher sollte die Videoüberwachung aus unserer Sicht eigentlich nicht nötig sein.

Matthias Seibt (Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW): Es wurde nach dem therapeutischen Nutzen der Videoüberwachung gefragt. Ich halte es für zynisch, sowohl Fixierungen als auch Videoüberwachungen als therapeutisch zu bezeichnen.

Wenn es gut läuft, dann dient eine Fixierung der Gefahrenabwehr. Leider gibt es viele Fälle, in denen sie der Bequemlichkeit des Personals geschuldet ist oder Folge der Unfähigkeit zum Umgang ist und nicht der Gefahrenabwehr dient.

Warum wird in 16 Kliniken Videoüberwachung eingesetzt und beim großen Rest der Kliniken nicht? Die Scham, die man empfindet, wenn man Gewalt ausübt, ist eben bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Das ist der Grund.

Was sagen die Patienten? Wir können es in der Selbsthilfe schon gar nicht mehr hören. Die Patienten sagen immer: Die sollen mit uns reden. ­ Wir fragen sie dann:

Warum willst du denn, dass ausgerechnet die mit dir reden? ­ Aber das ist der Patientenwunsch nach menschlicher Zuwendung.

Was ist, wenn der Wunsch geäußert wird, keine Sitzwache zu bekommen? Natürlich soll dieser Wunsch respektiert werden ­ genau wie der Wunsch, nicht fixiert zu werden, und der Wunsch, nicht zwangsmedikamentiert zu werden. Das ist gar keine Frage. Interessant ist, dass in diesem Zusammenhang jetzt endlich einmal die Wünsche der Patienten auftauchen.

Soll ein entsprechendes Verbot ins Gesetz aufgenommen werden? Ja. Es ist traurig, dass man das ins Gesetz schreiben muss.

Sollen Pflegepersonen defixieren können? Ja, natürlich; denn sie haben den direkten Kontakt zum Patienten. Wenn man auf den Oberarzt warten muss, sind die Stunden in der Fixierung lang.

Braucht man dafür mehr Personal? Kostet es mehr? Die Tagessätze sind erklecklich.

Die Frage ist: Wie gibt man diese riesigen Tagessätze aus? Man kann sie auch in Pflegepersonal investieren. Die Träger können da durchaus etwas mehr Kreativität entwickeln. Für diesen Tagessatz bekommt man das beste Hotel und das beste Essen ­ rund um die Uhr.