Haushalts- und Finanzausschuss

Christian Weisbrich (CDU): Ich möchte mich zunächst einmal bei den Sachverständigen sehr herzlich bedanken, dass sie heute Nachmittag hierhergekommen sind und uns Informationen gegeben haben.

Ich habe ein paar Fragen an Herrn von Kraack. Sie haben ja erklärt, die Erhöhung sei dringend geboten. Ich habe das so verstanden, dass es aus Sicht der Kommunen dringend geboten ist als Mittel zur Geldbeschaffung.

Meine erste Frage: Ist die Grunderwerbsteuer eine Verbundsteuer, auf die die Kommunen verfassungsrechtlich einen Rechtsanspruch haben? Oder ist die Grunderwerbsteuer eine reine Landessteuer, an der das Land die Kommunen nach eigenem Ermessen im Rahmen der eigenen Leistungsfähigkeit beteiligen kann oder nicht?

So wie das jetzt ausgestaltet ist, kann ich Ihnen an einer Stelle gut folgen: ein kommunales Zuschlagsrecht. Denn dann können Sie sich selbst mit Ihren Bürgern auseinandersetzen, ob Sie das machen wollen oder nicht. So, wie das jetzt ausgestaltet ist, eine Steuer, die vom Land durchgeleitet worden ist, da haben Sie politisch „Windfall-Profits", denn Sie brauchen es nicht selbst vor Ort zu verantworten. Wenn die Kommunen das vor Ort selbst verantworten würden, wäre mir das schon sehr viel lieber.

Sie haben aber so schön geschildert, wie sich die Prozente seit 1973 entwickelt haben. Ich habe Ihren Ausführungen auch entnommen, dass der Verbundsteuersatz in früheren Zeiten 28,5 % betragen hat und dann in den 80er-Jahren auf 23 % abgesenkt wurde. Wäre es nicht viel sinnvoller aus Ihrer Sicht, wenn man nicht eine Steuer hätte, die die Bürger zusätzlich belastet? Ich habe einmal überschlagen: Bei einem Verbundsatz von 23 % ist der Anteil aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz, den die Kommunen bekommen, jetzt etwa 7,9 Milliarden, dann ist die Verbundmasse ungefähr 34 Milliarden. Bei einem Hebesatz von 28 % wäre der Anteil, den die Kommunen aus der gleichen Verbundmasse bekämen ­ so wie das früher war ­, 9,8 Milliarden. Wäre das denn nicht sehr viel besser für die Kommunen als die Erhöhung der Grunderwerbsteuer? Vielleicht können Sie dazu etwas sagen. Wie gesagt: Bis in die 80er-Jahre waren es 28,5 %, dann hat die damals agierende Landesregierung unter Johannes Rau das auf 23 % reduziert, und heute haben wir in der kommunalen Familie das Dilemma, dass sie sagen, sie kommen nicht mit dem Geld aus.

Martin Börschel (SPD): Das sagt Herr Weisbrich, ohne rot zu werden. Manche Fragen sollte man einfach stehen lassen.

Ich möchte mich für die SPD-Fraktion ganz herzlich bei allen Beteiligten für die sehr instruktiven und interessanten Ausführungen bedanken, die mich zu insgesamt vier Komplexen führen, zu denen ich Ihnen gerne Fragen stellen würde.

Wir haben uns insbesondere im ersten Teil der Anhörung intensiv mit Gründen beschäftigt, die Sie vorgetragen haben, warum die Grunderwerbsteuererhöhung nicht erfolgen sollte. So habe ich das der Gewichtung entnommen. Ich will bewusst hier einmal die ordnungspolitischen Gründe außen vor lassen, inwieweit Steuererhöhungen Teil eines Konsolidierungskonzeptes sein sollen. In welcher Rangfolge sie dazu gehören können oder nicht, ist meines Erachtens eine eher grundsätzliche Fragestellung, die nicht unmittelbar mit der Grunderwerbsteuer zu tun hat.

Ich möchte mich deswegen dem zweiten Komplex zuwenden, den ich als Ablehnungsgrund verstanden habe, nämlich den negativen Auswirkungen, die verschiedentlich vorgetragen worden sind. Ich muss gestehen, dass ich die Auswirkungen, die Sie jetzt dargestellt haben, ein bisschen stereotyp fand. Anders ausgedrückt, und das wäre meine offene Frage: Welche konkreten negativen Auswirkungen erwarten Sie denn, und haben Sie Belege dafür? Wir haben seit der Föderalismusreform im Jahre 2006 ja in mehreren Bundesländern Erhöhungen der Grunderwerbsteuer gehabt, beginnend mit Berlin 2007, Hamburg 2009 und, und, und. Da müssten genügend Erfahrungen vorliegen, mit denen Sie Ihre Thesen belegen könnten. Ich würde über das Stereotype hinaus gerne konkretere Gründe erfahren, die Sie an negativen Auswirkungen tatsächlich substantiiert und belegt anführen können.

Zum Zweiten würde ich mich gerne an Herrn Uhing und Herrn Gnewuch wenden. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie gesagt haben: Wenn durch eine Grunderwerbsteuererhöhung insgesamt die Rendite sinkt ­ die sinkt ja, wenn ich das richtig verstehe, immer nur beim Eigentümerwechsel und nicht im Bestand ­, dann bleiben uns weniger Mittel übrig, um beispielsweise energetische Sanierungen vornehmen zu können. Da möchte ich mich mit Ihnen steuersystematisch dem Thema nähern wollen und Sie fragen: Finden Sie es denn ­ wenn ich Sie richtig verstanden habe ­ nicht richtiger, beispielsweise energetische Sanierungen oder auch Investitionen in Barrierefreiheit, die ja auch mindestens in Ballungszentren durch den demografischen Wandel erheblich erforderlich sind, als gesamtgesellschaftliche Aufgabe konzentriert zu fördern und so zu gestalten, dass sie auch wirtschaftlich tragfähig sind?

Ich habe die zuletzt gefassten Vorhaben ­ auch der Bundesregierung ­ im Rahmen der Energiewende so verstanden, dass man in der Tat versuchen will, energetische Sanierungen als eigenes System zu fordern, und möchte deswegen Sie beide ansprechen, ob da nicht Ihr Anliegen, energetische Sanierungen vornehmen zu wollen, mit dieser Zielrichtung eigentlich besser aufgehoben ist, als sich auf allgemeine Renditeerwägungen zu beziehen, die unmittelbar damit gar nichts zu tun haben. Denn die Grunderwerbsteuer wird ja nur bei Eigentümerwechsel fällig, während im Regelfall energetische Sanierungen im Bestand erfolgen, ohne dass es einen Eigentümerwechsel gibt. Das finde ich systematisch fragwürdig, was Sie da vorgetragen haben.

Die beiden letzten Komplexe, die mindestens die Hälfte der Ausführungen ausgemacht haben, haben am Ende mit der eigentlichen Erhöhung der Grunderwerbsteuer nur noch wenig zu tun gehabt. Sie haben vollkommen zu Recht ­ das ist eine hoch spannende Debatte, die ich gerne mit Ihnen auch führen würde ­ mit der Bemessungsgrundlage zu tun. Jetzt haben aber auch alle Beteiligten von Ihnen richtigerweise darauf hingewiesen, dass auch nach der Föderalismusreform die Bemessungsgrundlage überhaupt nicht in der Hoheit des Landes Nordrhein-Westfalen, sondern auf Bundesebene liegt. Da haben wir alle Einigkeit, und da habe ich auch niemanden anders verstanden.

Gleichwohl hat eigentlich die überwiegende Zahl der hier anwesenden Experten Befreiungstatbestände unterschiedlichster Natur angemahnt. Andere, zahlenmäßig weniger, haben gesagt: Bloß keine weiteren Befreiungstatbestände, lieber die noch vorhandenen „eindampfen". Herr Prof. Jarass hat zum Beispiel so vorgetragen, was ich sehr eindrucksvoll fand. Und wieder andere, zum Beispiel Herr Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, haben gesagt: Was immer ihr da macht, macht das bloß mit Augenmaß und verkompliziert es nicht noch mehr!

Für die weitere Debatte hätte ich gerne ­ wenn nicht jetzt, dann schriftlich; ich denke, der Vorsitzende würde zulassen, wenn Sie uns noch weitere Stellungnahmen zusenden ­ ein paar mehr Erläuterungen zur Frage: Welche Ausnahmetatbeständen halten Sie denn für angezeigt, damit wir da etwas mehr Systematik bekommen können?

Ich will Ihnen meine Ausgangshypothese gerne dazu sagen: Ich mutmaße, wenn wir die alle zusammenführen, wird es am Ende sich teilweise auch sehr widersprechende Vorschläge geben. Deswegen würde ich die gerne bewerten.

Letzter Punkt: Ich fand außerordentlich interessant ­ ähnlich wie Prof. Jarass bin ich vorher auch nicht darauf gekommen ­, höchst plausibel und bedenkenswert, was die Architektenkammer, vertreten durch Herrn Lehrmann, hier vorgetragen hat. Mich würde Ihr Gedanke der Fehlsteuerung noch einmal etwas präziser interessieren, gerne auch noch im Nachhinein. Sie haben in Ihrer schriftlichen Stellungnahme dazu schon kurze Ausführungen gemacht. Ich finde das für einen möglichen ergänzenden Antrag, auch in Richtung der Bundesregierung, den wir in der Plenarsitzung erwägen müssten, für sehr, sehr bedenkenswert.

Ich würde in dem Kontext Herrn Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft auch bitten, auszuführen, welche Bedenken hier noch vorgetragen werden könnten, denn spontan erkannte ich auch keine. ­ Das waren die vier Komplexe.

Vorsitzender Manfred Palmen: Vielen Dank. Vielleicht sollten wir das, was Herr Börschel gesagt hat, aufgreifen: Wer auch immer zu dem Inhalt der Anhörung noch schriftlich etwas mitteilen möchte, kann das jederzeit ­ wie bei jeder Anhörung ­ machen und einbringen. ­ Herr Mostofizadeh, bitte.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte meinen Dank an die Sachverständigen für ihre Stellungnahmen aussprechen. Wesentliche Punkte hat Herr Börschel schon angesprochen. Ich möchte gerne drei Fragen stellen.

Frage eins an Herrn von Kraack: Welche Verbesserungen sind nach Ihrer Meinung in den Jahren 2005 bis 2010 im vertikalen Verteilungsmodus zugunsten der Kommunen passiert? Herr Weisbrich hat ja darauf hingewiesen, dass vor längerer Zeit, in den 80er-Jahren, der Verbundsatz gesenkt worden ist und plädierte jetzt dafür, diesen Verbundsatz wieder anzuheben, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich möchte Sie gerne fragen: Wie haben Sie die letzten fünf Jahre in diesem Zusammenhang empfunden?

Dann habe ich eine Frage an die Architektenkammer oder auch andere Verbandsvertreter.