Dr Wolfram Bartolomaeus Bundesanstalt für Straßenwesen Herr Vorsitzender Meine Damen und Herren Vielen Dank für die Einladung

Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr 06.07. Letzter Punkt. Die Ergebnisse unserer Untersuchung haben gezeigt, dass die Häuser umso schlechter erhalten waren, je näher sie an der Autobahn lagen. Es waren dort ein größerer Leerstand und mehr Mängel zu verzeichnen. Neben dem sozialen gibt es also durchaus auch einen baustrukturellen Effekt.

Dr. Wolfram Bartolomaeus (Bundesanstalt für Straßenwesen): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung. Ich möchte mich bei meinen Ausführungen auf Ergänzungen zu den Punkten beschränken, die Frau Pohl schon erwähnt hat.

Bei der Festlegung von Grenzwerten im Rahmen der Lärmvorsorge und der Festlegung von Auslösewerten im Rahmen der Lärmsanierung handelt es sich um politische Entscheidungen. Das Wünschenswerte steht dabei dem finanziell Machbaren gegenüber, und es müssen vernünftige Kompromisse gefunden werden. Mit seinen Verkehrslärmschutzpaketen aus den Jahren 2007 und 2009 verfolgt das Bundesverkehrsministerium das Ziel, den Verkehrslärmschutz zu verbessern. Dazu hat es 2006 die für die Lärmsanierung zur Verfügung stehenden Mittel von etwa 25 Millionen pro Jahr auf etwa 50 Millionen pro Jahr verdoppelt. Im letzten Jahr wurden die Auslösewerte für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen um 3 dB(A) abgesenkt. In Wohngebieten beispielsweise wurden diese Werte von 60 auf 57 dB(A) nachts abgesenkt.

Diese Maßnahmen stellen eine deutliche Verbesserung der Lärmsanierung an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes dar, vor allem deshalb, weil die Betroffenen dadurch zu einem früheren Zeitpunkt in den Genuss von Lärmschutzmaßnahmen kommen. Das heißt, es geht nicht um die 3 dB(A), sondern darum, dass früher eingegriffen werden kann.

Die Verpflichtung zur Lärmkartierung ­ das ist das andere Thema, das hier angesprochen worden ist; Stichwort: Cnossos-EU ­ und zum Aufstellen von Lärmaktionsplänen resultiert aus den EU-Umgebungslärmrichtlinie. In dieser Richtlinie werden keine Grenzwerte genannt, bei deren Erreichen Maßnahmen erfolgen müssen. Die Festlegung von Werten, bei denen im Rahmen der Lärmaktionsplanung Lärmschutzmaßnahmen zu erwägen sind, ist in das Ermessen der jeweils zuständigen Behörde gelegt ­ der sogenannte Managementansatz. Im Übrigen sind die Werte nicht unmittelbar mit den Auslösewerten für Lärmsanierung an Bundesfernstraßen zu vergleichen, da ein anderes Ermittlungsverfahren vorgeschrieben ist. Das ist leider immer noch so.

Die unterschiedlichen Regelungen berücksichtigen jeweils unterschiedliche Situationen bzw. beruhen auf unterschiedlichen Ansätzen: beispielsweise die strikten Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ­ 16. BImSchV ­ im Gegensatz zu dem Managementansatz der genannten EU-Umgebungslärmrichtlinie. Eine einheitliche Bewertung der Lärmbelastung von Anwohnern ist wegen der unterschiedlichen Lärmwirkungen nicht ohne Weiteres möglich. Zudem hat die Europäische Kommission ihre Absicht, ein harmonisiertes Berechnungsverfahren für den Umgebungslärm vorzugeben, bis heute nicht realisiert. Sie arbeitet aber daran.

Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr 06.07.

Derzeit wird an der Aktualisierung der RLS-90, also der Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen, gearbeitet ­ es geht um den Emissionsansatz ­, und zwar unter Berücksichtigung der gleichzeitig im Rahmen von Cnossos-EU erarbeiteten Ansätze.

Vorsitzender Dieter Hilser: Gibt es Fragen aus dem Kreis der Abgeordneten? ­ Herr Jahl.

Armin Jahl (SPD): Die erste Frage richtet sich an die Vertreterin von Straßen.NRW. Sie haben dargestellt, dass Sie beabsichtigen, 100 Bereiche zu überprüfen. Werden das Datenmaterial, das daraus gewonnen wird, und das Datenmaterial, das aufgrund der Lärmkartierung in den Städten teilweise vorhanden ist, von Ihnen so erfasst und aufbereitet, dass man es auch bei veränderten Grenzwerten verwenden kann und nicht gezwungen ist, erneut Daten zu erheben?

Die zweite Frage geht in Richtung Bund. Ich habe mir die schriftliche Stellungnahme angeschaut, aus der Sie gerade im Wesentlichen zitiert haben. Das ist fast keine Frage mehr, sondern eher eine Wertung ­ ich möchte es trotzdem sagen, wenn ich darf ­: Sie haben ausgeführt, es müssten vernünftige Kompromisse gefunden werden. Da frage ich mich sofort, wer eigentlich beurteilt, was vernünftig ist. Sie haben erklärt, Sie hätten schon einmal versucht, die Dinge zu verändern, und seien damit 1980 im Bundesrat gescheitert.

Wir schreiben das Jahr 2011; es ist also schon ein bisschen Zeit vergangen. Ich weiß nicht, ob es wirklich zielführend ist, das als Begründung zu nehmen. Ist es nicht sinnvoller, den Bedarf zu erheben, den Mittelaufwand festzustellen und danach zu entscheiden, was vernünftig oder prioritär ist, um sich auch mit Blick auf die anschließende gesellschaftliche und politische Diskussion darüber zu verständigen, wofür die Steuermittel insgesamt eingesetzt werden? ­ Wenn man das so abarbeitet, wie Sie es dargestellt haben, führt man genau diese Diskussion möglicherweise nicht, was ich für falsch halte. Werden Sie, wenn Sie diese Überlegung einbeziehen, Ihre Stellungnahme möglicherweise punktuell verändern?

Benedikt Hauser (CDU): Daran anknüpfend möchte ich ebenfalls zu dem letzten Punkt Stellung nehmen. Ich halte das Verfahren für richtig, eine Mischung zwischen dem Bedürfnis nach Lärmschutz und dem ­ ich drücke es einmal volkswirtschaftlich aus ­ Bedarf nach Lärmschutz, also dem Finanzierbaren, zu finden und auf dieser Grundlage eine Priorität herauszuarbeiten. Dann wird man immer noch darüber sprechen können, vielleicht einen einzelnen Dezibel-Wert abzusenken und das auch zu finanzieren.

Aber anders wird es verfahrenstechnisch nicht gehen. Andernfalls beschäftigen wir uns jahrelang damit, zu evaluieren ­ wir hatten das schon in einer anderen Anhörung ­, welches denn der Grenzwert ist, bei dessen Einhaltung der Lärm gar keinen Schaden mehr verursacht. Das ist das Wünschenswerte; das würden wir alle gern haben. So kommen wir dann zu Werten, die so erschreckend niedrig sind, dass wir anschließend vermutlich die finanzpolitische Kapitulation erklären. Ich glaube, sinnvoller ist es, da systematisch vorzugehen.

Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr 06.07.

Ich habe drei Fragen an die Experten. Die erste Frage bezieht sich darauf ­ ich denke, sie ist bei dem Vertreter der Bundesanstalt für Straßenwesen und der Vertreterin von Straßen.NRW richtig verortet ­, ob bereits Wechselwirkungen aufgrund der von Umweltzonen erzeugten Verkehrsumlenkungen festgestellt worden sind. Das ist in einigen Städten signifikant, denn die Stadtautobahnen nehmen dann den verdrängten Verkehr auf.

Die zweite Frage geht an die beiden eben genannten Experten und vielleicht auch an Prof. Steinauer. Sie betrifft die Wechselwirkung mit anderen Verkehrsanlagen bei und nach Lärmsanierungsmaßnahmen. Das sind zum Beispiel parallel verlaufende Schienenwege, aber auch Verkehrsanlagen, die nicht in die Zuständigkeit des Bundes, sondern in die eines anderen Trägers fallen.

Dritte Frage. Noch nicht allzu sehr zur Sprache gekommen sind Lärmschutzmaßnahmen an Brückenbauten. Das gilt in doppelter Hinsicht: Zum einen geht es um den Belag ­ das ist schon angesprochen worden ­ und die Schwingungen des Brückenkörpers, zum anderen um den Lärm, der von der Brücke herunterkommt. Die Brücken stellen oftmals die Lücken im Lärmschutzsystem dar; denn von dort aus ­ ich denke an einige Rheinbrücken in Bonn ­ wird die Gegend frei beschallt. Bei den Autobahnen wird das durch Troglagen und Ähnliches aufgefangen.

Arndt Klocke (GRÜNE): Meine erste Frage geht wie die soeben gestellte an die Vertreterin von Straßen.NRW: Wie aktuell ist Ihr Datenmaterial für Lärmschutzmaßnahmen? Muss es aktualisiert werden bzw. müssen die Daten noch einmal erhoben werden, wenn es veränderte Grenzwerte und eine neue Richtlinie gibt? ­ Daraus leiten sich schließlich die entsprechenden Bauprojekte ab.

Keine Frage, sondern eine Anmerkung: Es hat mich gefreut, dass jedenfalls in diesem Bereich die Mittel vom Bund nach NRW fließen. So habe ich das wahrgenommen. Es ist in diesem Jahr sogar ein gewisser Anstieg im Vergleich zum letzten Jahr festzustellen. Es ist erfreulich, das zu hören.

Die zweite Frage richtet sich an Prof. Steinauer. Sie haben uns ein paar Visionen mit auf den Weg gegeben. Sie sagen, Sie hätten an der RWTH Aachen den aus Ihrer Sicht gelungensten und lärmschutztauglichsten Straßenbelag entwickelt. Mich würde interessieren, wie der aussieht und ob Sie ihn für realisierbar, also für den Einsatz bei Baumaßnahmen geeignet halten. Oder haben Sie ihn nur im Labor entwickelt, und er ist, zum Beispiel aus Kostengründen, noch nicht alltagstauglich?

Eine an Herrn Hauser gerichtete Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Was Sie zu den Umweltzonen gesagt haben, ist nur dann richtig, wenn wir weiterhin bei den zerstückelten Umweltzonen bleiben, wie wir sie momentan im Ruhrgebiet haben.

Wenn wir eine einheitliche Umweltzone hätten, gäbe es auch keine Umleitverkehre über die Stadtautobahnen. Aber das ist keine Frage, sondern nur eine Anmerkung.

(Benedikt Hauser [CDU]: Die ich erwartet habe!) Prof. Dr. Bernhard Steinauer (RWTH Aachen, Institut für Straßenwesen): Ich fange mit der letzten Frage an: Wie sieht der Belag aus? ­ Ich habe vorhin gesagt,