Steuerberater

Anregungen und Vorschläge Berücksichtigung gefunden hätten.

Mit dem weiteren Schreiben vom 22.10.2001 (CXVII, S. 54) wurde das angekündigte Konzept dann an die VTBs weitergegeben.

Die Diskussion um die Amtsverfügung 2001/18

Notwendigkeit der Amtsverfügung

Gegen die Amtsverfügung 2001/18 wurde zunächst der Einwand erhoben, dass diese überhaupt nicht notwendig sei. Schließlich liefen die Banken und Anlegerverfahren bereits seit Mitte der Neunzigerjahre.

Mitte 2001 waren einige Verfahren oder Teilkomplexe bereits ganz oder teilweise abgearbeitet. So war ausweislich des bereits erwähnten Situationsberichtes der Oberfinanzdirektion vom 20.07.2001 zu diesem Zeitpunkt eines der beiden Großverfahren, in denen das Finanzamt Frankfurt am Main V bundesweite Ermittlungen vorzunehmen hatte, bereits erledigt. Die Verteilung der dortigen Transferunterlagen erfolgte bereits ab dem Frühjahr 1998. Zum damaligen Zeitpunkt war bereits der rechtliche Abschlussbericht der Steuerfahndung zu diesem Verfahren in Vorbereitung. Dagegen waren in dem zweiten Großverfahren noch einige Erfassungs- und Auswertungsarbeiten zu leisten. Aus der Bankenstatistik mit Stand 01.04.2001 ergab sich in Bezug auf die Verfahren gegen Anleger, dass aufgrund der Transferunterlagen hessenweit etwa 40.000 Straf- und Ermittlungsverfahren geführt wurden, von denen zum Zeitpunkt der OFD-Berichterstattung bereits 21.000 abgeschlossen waren. Der Bericht stellt fest, dass noch 9.500 Strafund Ermittlungsverfahren zu bearbeiten wären.

Staatsanwalt Weimann, der als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss in der 12. Sitzung am 20.06. vernommen wurde, sagte zu der Amtsverfügung 2001/18: Hilfreich ja, wenn man sieht, da hat eine Verlagerung der Arbeit von der Steuerfahndung, von der umfänglichen Steuerfahndung. Wobei ich eines sagen muss: Die überwiegenden Fälle waren ja schon vor Inkrafttreten der Amtsverfügung abgearbeitet. Es waren ja nur noch Restfälle gewesen.

Das muss man ja auch mal klar sagen. Das ist ja nicht am Anfang gestanden, sonder hat relativ am Ende gestanden, diese Amtsverfügung. Man versuchte also noch Restbestände abzuarbeiten und funktioneller zu gestalten.

Und auch der Zeuge Gloe-Anheißer berichtete in seiner Vernehmung in der 14. Sitzung am 20.07.2005, dass einige Verfahren bereits so weit abgearbeitet waren, dass sie nicht mehr als Massenverfahren bezeichnet werden konnten und daher in diesen einzelnen Verfahren eine Organisationsänderung nicht notwendig gewesen wäre.

So berichtet etwa der Zeuge Burkert in seiner Vernehmung in der 13. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 22.06.2005 von dem Banken Verfahren, an dem er als so genannter Teamchef beteiligt war:

Ich war von 1998 bis 2001 ein so genannter Teamchef in einem der großen Bankenverfahren....

Dieses Bankenverfahren begann Anfang des Jahres 1998 und wurde im August 2001 im Prinzip beendet.... Das Verfahren, habe ich gesagt, ist im Prinzip in 2001 beendet gewesen. Das heißt, Ende des Jahres 2001 hatten wir über 6.000 Anleger bereits bearbeitet und warteten im Prinzip nur auf den Rücklauf der Ergebnisse aus den verschiedenen Finanzämtern. Das zieht sich eigentlich bis heute hin, weil immer noch Verfahren offen sind. Sie wissen, Strafverfahren laufen manchmal nicht so schnell. Im Moment haben wir noch etwa 20 offene Verfahren. Das heißt, statistisch gesehen ist das Verfahren eigentlich seit Jahren abgeschlossen.

...

Diese Amtsverfügung, um die es hier geht, ist, ich glaube, am 30.08.2001 erlassen worden, und in meinen Akten, die dieses Bankenverfahren betreffen, habe ich am 20.08. im Prinzip den Abschluss des Verfahrens erklärt. Das heißt, am 20.08, also zehn Tage bevor diese Verfügung überhaupt zum Tragen kam, war dieses Bankenverfahren eigentlich bearbeitet, von statistischen Restwerten einmal abgesehen....

Das „fertig waren" müssen Sie sich so vorstellen: Die Fälle waren bearbeitet, und wir warteten im Prinzip nur noch auf das Ergebnis. Teilweise waren die schon in den Finanzämtern zur Auswertung, teilweise warteten wir noch auf Übersendungen von Unterlagen von Steuerberatern, um dann letztendlich eigentlich in sehr einfacher Form dem Finanzamt mitzuteilen, was das Ergebnis der Prüfung war. Im Wesentlichen waren das eigentlich nur noch die Verfahren nach § 208 Abs. 1 Nr. 3; denn die Strafverfahren haben wir natürlich vorgezogen.

Auf Nachfragen ergänzte Herr Burkert: Natürlich haben wir an den Diskussionen teilgenommen, die im Vorfeld dieser Verfügung waren.

Aber letztendlich hat die Verfügung dieses Verfahren überhaupt nicht mehr betroffen, weil wir diese Prüfung, die in der Amtsverfügung vorgesehen war, gar nicht mehr zu machen brauchten, da wir gar keine Fälle mehr hatten, die geprüft werden konnten.

Der Zeuge fuhr dann fort:

Es fanden mehrere Gespräche statt, teilweise im großen Kreis, teilweise im kleinen Kreis. Es ging eigentlich immer darum, eine Strategie zu entwickeln, diese Massenverfahren in den Griff zu bekommen; denn außer in diesem Verfahren ­ „mein Verfahren" nenne ich das jetzt einmal ­, das fast abgeschlossen war, gab es noch andere Verfahren, die noch am Wachsen waren.

Auch die weiteren Vernehmungen machten klar, dass auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Amtsverfügung Banken- und Anlegerverfahren in verschiedenen Stadien der Bearbeitung existierten. Während manche Verfahren abgearbeitet und weitgehend beendet waren, standen andere Verfahren noch in einem früheren Stadium. Das umfangreichste Großverfahren gegen eine große deutsche Bank war so beispielsweise noch nicht abgearbeitet, wie sich auch aus der Vernehmung des Zeugen Schad am selben Tag ergab, der dazu aussagte:

Jedes Bankenverfahren war natürlich sehr, sehr unterschiedlich; das ist klar. Erst einmal vom zeitlichen Ablauf; da gab es also ganz frühe Verfahren und ganz späte. Das Team, das ich zum Schluss als Teamleiter führte ­ das war ein Bankenverfahren, das ganz, ganz spät angefangen hat.

Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung gab der Zeuge Schad dann an, dass die Verfügung zum damaligen Zeitpunkt nur notwendig wurde, weil zuvor die Amtsleitung keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen hatte. Er sagt dazu wörtlich:

Dieser Verfügung hätte es nicht bedurft, wenn die Lenkungs-, Leitungs- und Führungsebene Jahre zuvor ihre Hausaufgaben gemacht hätte.... Jahre zuvor; denn die Bankenverfahren liefen jahrelang, und es kam immer mehr dazu. Weder Vorsteher noch Dienststellenleiter ­ den Sie, glaube ich, heute noch hören, den Letzten, Herrn Gebbers ­ waren in der Lage, Strukturen zu schaffen, um hier eine vereinheitlichende Koordinierung der Bankenverfahren herbeizuführen. Ich sage nur ein Stichwort: Synergieeffekte. Die gab es nicht bei uns. Jedes Bankenverfahren hat für sich gearbeitet ­ ein Team besser, eines schlechter.

Auch aus den weiteren Zeugenaussagen ergab sich das Bild, dass die Amtsverfügung 2001/18 nicht für alle Verfahren gleichermaßen Wirkung zeigen konnte bzw. nicht für alle Verfahren gleichermaßen notwendig war. Das Unverständnis in manchen Bereichen, für die die Amtsverfügung keine Bedeutung mehr hatte, fasste der Zeuge Gloe-Anheißer in seiner Vernehmung in der 14. Sitzung am 20.07.2005 wie folgt zusammen:

Die Kollegen aus der Fahndung haben da schon sehr effektiv und gut gearbeitet. Deswegen konnte ich teilweise auch den Unmut verstehen, den einige Kollegen hatten, warum denn jetzt, so kurz vor Schluss, für diese Verfahren noch ein neues Verfahren gemacht wird. Letztlich ist man im Grunde nur dabei geblieben wegen des Arguments, zu sagen: Wir müssen es bei allen machen, sonst kriegen wir keine Akzeptanz bei allen.

Das war insoweit eine Entscheidung, die nachvollziehbar war. Aber es gab ein paar Verfahren, die man im Grunde nicht mehr als Massenverfahren bezeichnen konnte. Für die hätte man durchaus sagen können: Wir belassen es so, wie es bisher war. ­ Aber bei den Fällen, die jetzt noch mit sehr vielen Fällen kamen ­ das war insbesondere die Deutsche Bank, auch die Verfahren aus dem... Bank-Komplex und die Verfahren aus der Türkischen Nationalbank; das waren immens viele ­, war es zwingend, irgendwie zu reagieren und irgendwas zu machen. Das wäre anders gar nicht möglich gewesen. Da wurde dann auch von der Amtsleitung die Entscheidung getroffen ­ die nachvollziehbar ist ­, zu sagen: Wir können hier nicht einzelne Grüppchen bilden, ansonsten entsteht eine Diskrepanz für die Vorgehensweise.

Aber die Argumente der einzelnen Kollegen, insbesondere auch des Kollegen, der die... Bank gemacht hat ­ Herr Pisch ­, konnte ich nachvollziehen. Wir haben auch häufiger darüber diskutiert, in der Konstellation, dass er gesagt hat, er findet das für sein Verfahren eigentlich nicht sinnvoll. Das konnte ich nachvollziehen.

Hinzu kommt, dass auch der Bereich Steuerfahndung des Finanzamtes Frankfurt am Main V selbst in seiner ausführlichen Sachdarstellung vom 03.04.2001, die bereits oben ausgiebig zitiert wurde, Hilfs- und

Unterstützungsbedarf gesehen hat. Dies hatte die Oberfinanzdirektion aufgegriffen, die ­ wie ebenfalls bereits erwähnt ­ seit längerem auf eine umfassende Bestandsaufnahme und darauf basierende Erstellung eines Arbeitskonzeptes hingedrängt hatte. In den diesbezüglichen Schriftwechseln und Diskussionen wurde regelmäßig auf die entsprechenden Verfügungen hingewiesen, die in anderen Bundesländern erlassen und praktiziert wurden und auch in anderen hessischen Finanzämtern existierten. Beispielhaft seien hier das Finanzamt Darmstadt und das Finanzamt Kassel erwähnt, die gute Erfahrungen mit der Einbindung der Veranlagungsteilbezirke bei der Abarbeitung der Anlegerfälle hatten. In Bezug auf die Bearbeitung der Anlegerfälle, also der steuerrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Abarbeitung der einzelnen Kapitalanleger, bestanden auch keine funktionalen Unterschiede zwischen dem Finanzamt Frankfurt am Bankenstandort und anderen Finanzämtern. Daher konnten die Erfahrungen der anderen Finanzämter auch von Frankfurt übernommen werden. In diesem Zusammenhang sei einerseits auf die Angaben des sachverständigen Zeugen Gerke in seiner Vernehmung in der 4. Sitzung am 30.01.2004 zu den Kasseler Arbeitswegen verwiesen. Er führte aus: Lassen wir die Akten von allen Ämtern, für die wir zuständig sind, zu uns kommen, oder schicken wir die Fahnder zu den Ämtern? Da haben wir uns dafür entschieden, nicht Akten zu uns kommen zu lassen, sondern die Leute zu den Ämtern zu schicken, und haben in den Ämtern, für die wir zuständig sind, Stützpunktstellen eingerichtet, eben bestehend aus Steuerfahndern, aus Bußgeld- und Strafsachensachbearbeitern und gleich aus dem Veranlagungsbereich, sodass wir kurz nach der Enttarnung, nach der Prüfung, nach der Feststellung durch Einsichtnahme in die Steuerakte ­ jawohl, jemand hat seine Einkünfte aus Kapitalvermögen noch nicht vollständig erklärt ­ zu einem Kurzbericht gekommen sind, in dem nur die Zahlen enthalten waren, die bisher keinen Einfluss in die Steuererklärung genommen haben. Dann konnte sehr schnell durch die Veranlagungsstelle die Berichtigungsveranlagung erlassen werden, und das Geld klingelte in der Kasse.

Andererseits wurde auf den Erfahrungsbericht des Finanzamtes Darmstadt vom 10.04.2001 hingewiesen, in dem das Bearbeitungskonzept vorgestellt und gewürdigt wurde. (Band CXXII S. 64 ff.)

Im Jahr 2001 wurde der Zeitdruck für das Finanzamt Frankfurt am Main, nunmehr auch ein Bearbeitungskonzept vorzulegen, auch dadurch erheblich größer, da neben der strafrechtlichen Verjährung nun auch die steuerrechtliche Verjährung für die einzelnen Fälle zu einem Problem wurde. Die „transferstarken Jahrgänge" 1992 und 1993 näherten sich nunmehr der zehnjährigen steuerrechtlichen Verjährung für eine etwaige Nachveranlagung. Das meiste Belegmaterial stammte aus diesen Jahren, in denen die Geldtransfers vorgenommen wurden. Damit gab es nur für diese Jahre meist eine eindeutige Beweislage, auf die eine Nachveranlagung problemlos gestützt werden konnte. Selbst wenn man sich auf die Diskussionen einlassen wollte, für welchen Zeitraum man von einer weiteren Anlage im Ausland und damit auch von einer darauf basierenden Steuerverkürzung ausgehen konnte, ist unbestritten, dass die Beweislage damit zunehmend schlechter wird. Zudem fallen diese Jahrgänge endgültig weg und können nicht mehr veranlagt werden.

Ein Bearbeitungskonzept für die effektive Abarbeitung der aufgelaufenen Kapitalanlegerfälle war daher Mitte 2001 im Finanzamt Frankfurt am Main V notwendig.

Verjährung

Wie bereits oben angesprochen, war der Druck auf das Finanzamt Frankfurt am Main V erheblich gestiegen, die zentralen Aufgaben soweit abzuarbeiten, dass alle Fälle an die zuständigen Finanzämter im gesamten Bundesgebiet verschickt werden konnten und auch die noch in Frankfurt verbleibenden Fälle dort bearbeitet werden konnten. Grund für diese Forderung aus den anderen Bundesländern, von der zuständigen OFD und auch innerhalb des Hauses war die nunmehr drohende Verjährung. Die diesbezüglich relevante zehnjährige Verjährungsfrist für die steuerrechtliche Festsetzung wurde bereits erwähnt; die regelmäßige strafrechtliche Verjährung erfolgte bereits nach fünf Jahren.

Für den strafrechtlichen Bereich hatte der sachverständige Zeuge Gerke in seiner Vernehmung in der

4. Sitzung am 30.01.2004 im Rahmen der Erläuterung der Amtsverfügung die Problematik wie folgt dargestellt:

Was soll das heißen? An sich ist 2001 festgestellt worden, dass die Jahre 1992 und 1993 verjährt sind. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Wenn Sie sagen, 1993, Abgabe der Steuererklärung in 1994, und Sie rechnen fünf Jahre drauf, dann ist es in 1999 schon verjährt. Das heißt, 1994 ­ Sie rechnen drauf ­ ist auch verjährt. Jetzt hat man nur einen Beleg, einen Beleg aus dem Jahre 1992 oder 1993. Jetzt können Sie in der Steuerakte gucken und feststellen: Hat der Einkünfte erklärt? Er hat keine erklärt. Sie kommen zum Anfangsverdacht. Sie dürfen aber nicht mehr verfolgen, weil Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.

Jetzt ist 1992 verjährt, 1993 verjährt, 1994 verjährt, möglicherweise 1995 verjährt.